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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Fray Blas de Innesta genannt wird) an den Bischof von Castilla del Oro, Thomas de Verlenga, erstattete, ist erst (1840) durch das Auffinden von Oviedo's Schrift über Nicaragua bekannt geworden. Fray Blas, der früher als Matrose auf einem Schiffe gedient hatte, wollte die Methode nachahmen, mittelst welcher, an Seilen über dem Meere hangend, die Einwohner der canarischen Inseln den Färbestoff der Orseille (Lichen Roccella) an schroffen Felsen sammeln. Es wurden Monate lang, oft geänderte Vorrichtungen getroffen, um vermittelst eines Drehhaspels und Krahns einen mehr als 30 Fuß langen Balken über dem tiefen Abgrund hervortreten zu lassen. Der Dominicaner-Mönch, das Haupt mit einem eisernen Helm bedeckt und ein Crucifix in der Hand, wurde mit drei anderen Mitgliedern der Association herabgelassen; sie blieben eine ganze Nacht in diesem Theil des festen Kraterbodens, von dem aus sie mit irdenen Gefäßen, die in einem eisernen Kessel standen, vergebliche Versuche zum Schöpfen des vermeinten flüssigen Goldes machten. Um die Actionäre nicht abzuschrecken, kamen sie überein54 zu sagen, wenn sie herausgezogen würden, sie hätten große Reichthümer gefunden, und die Hölle (el Infierno) von Masaya verdiente künftig el Paraiso de Masaya genannt zu werden. Die Operation wurde später mehrmals wiederholt, bis der Governador der nahen Stadt Granada Verdacht des Betruges oder gar einer Defraudation des Fiscus schöpfte und "ferner sich an Seilen in den Krater herabzulassen" verbot. Dies geschah im Sommer 1538; aber 1551 erhielt dennoch wieder der Decan des Capitels von Leon, Juan Alvarez, die naive Erlaubniß von Madrid, "den Vulkan zu öffnen und das Gold zu gewinnen, welches er enthalte". So fest stand der Volksglaube im 16ten Jahrhundert! Mußten

Fray Blas de Iñesta genannt wird) an den Bischof von Castilla del Oro, Thomas de Verlenga, erstattete, ist erst (1840) durch das Auffinden von Oviedo's Schrift über Nicaragua bekannt geworden. Fray Blas, der früher als Matrose auf einem Schiffe gedient hatte, wollte die Methode nachahmen, mittelst welcher, an Seilen über dem Meere hangend, die Einwohner der canarischen Inseln den Färbestoff der Orseille (Lichen Roccella) an schroffen Felsen sammeln. Es wurden Monate lang, oft geänderte Vorrichtungen getroffen, um vermittelst eines Drehhaspels und Krahns einen mehr als 30 Fuß langen Balken über dem tiefen Abgrund hervortreten zu lassen. Der Dominicaner-Mönch, das Haupt mit einem eisernen Helm bedeckt und ein Crucifix in der Hand, wurde mit drei anderen Mitgliedern der Association herabgelassen; sie blieben eine ganze Nacht in diesem Theil des festen Kraterbodens, von dem aus sie mit irdenen Gefäßen, die in einem eisernen Kessel standen, vergebliche Versuche zum Schöpfen des vermeinten flüssigen Goldes machten. Um die Actionäre nicht abzuschrecken, kamen sie überein54 zu sagen, wenn sie herausgezogen würden, sie hätten große Reichthümer gefunden, und die Hölle (el Infierno) von Masaya verdiente künftig el Paraiso de Masaya genannt zu werden. Die Operation wurde später mehrmals wiederholt, bis der Governador der nahen Stadt Granada Verdacht des Betruges oder gar einer Defraudation des Fiscus schöpfte und „ferner sich an Seilen in den Krater herabzulassen" verbot. Dies geschah im Sommer 1538; aber 1551 erhielt dennoch wieder der Decan des Capitels von Leon, Juan Alvarez, die naive Erlaubniß von Madrid, „den Vulkan zu öffnen und das Gold zu gewinnen, welches er enthalte". So fest stand der Volksglaube im 16ten Jahrhundert! Mußten

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[299/0304] Fray Blas de Iñesta genannt wird) an den Bischof von Castilla del Oro, Thomas de Verlenga, erstattete, ist erst (1840) durch das Auffinden von Oviedo's Schrift über Nicaragua bekannt geworden. Fray Blas, der früher als Matrose auf einem Schiffe gedient hatte, wollte die Methode nachahmen, mittelst welcher, an Seilen über dem Meere hangend, die Einwohner der canarischen Inseln den Färbestoff der Orseille (Lichen Roccella) an schroffen Felsen sammeln. Es wurden Monate lang, oft geänderte Vorrichtungen getroffen, um vermittelst eines Drehhaspels und Krahns einen mehr als 30 Fuß langen Balken über dem tiefen Abgrund hervortreten zu lassen. Der Dominicaner-Mönch, das Haupt mit einem eisernen Helm bedeckt und ein Crucifix in der Hand, wurde mit drei anderen Mitgliedern der Association herabgelassen; sie blieben eine ganze Nacht in diesem Theil des festen Kraterbodens, von dem aus sie mit irdenen Gefäßen, die in einem eisernen Kessel standen, vergebliche Versuche zum Schöpfen des vermeinten flüssigen Goldes machten. Um die Actionäre nicht abzuschrecken, kamen sie überein ⁵⁴ zu sagen, wenn sie herausgezogen würden, sie hätten große Reichthümer gefunden, und die Hölle (el Infierno) von Masaya verdiente künftig el Paraiso de Masaya genannt zu werden. Die Operation wurde später mehrmals wiederholt, bis der Governador der nahen Stadt Granada Verdacht des Betruges oder gar einer Defraudation des Fiscus schöpfte und „ferner sich an Seilen in den Krater herabzulassen" verbot. Dies geschah im Sommer 1538; aber 1551 erhielt dennoch wieder der Decan des Capitels von Leon, Juan Alvarez, die naive Erlaubniß von Madrid, „den Vulkan zu öffnen und das Gold zu gewinnen, welches er enthalte". So fest stand der Volksglaube im 16ten Jahrhundert! Mußten

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/304>, abgerufen am 28.11.2024.