Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.oftmals thätige Vulkane erheben, ohne daß diese letzteren dadurch auf irgend eine bemerkbare Weise angeregt werden. Bei der großen Catastrophe von Riobamba haben sich der nahe Vulkan Tungurahua und der etwas fernere Vulkan Cotopaxi ganz ruhig verhalten. Umgekehrt haben Vulkane mächtige, langdauernde Ausbrüche dargeboten, ohne daß weder vorher noch gleichzeitig in der Umgegend Erdbeben gefühlt wurden. Es sind gerade die verheerendsten Erderschütterungen, von denen die Geschichte Kunde giebt und die viele tausend Quadratmeilen durchlaufen haben, welche, nach dem an der Oberfläche Bemerkbaren zu urtheilen, in keinem Zusammenhange mit der Thätigkeit von Vulkanen stehen. Diese hat man neuerdings plutonische Erdbeben im Gegensatz der eigentlichen vulkanischen genannt, die meist auf kleinere Localitäten eingeschränkt sind. In Hinsicht auf allgemeinere Ansichten über Vulcanicität ist diese Nomenclatur nicht zu billigen. Die bei weitem größere Zahl der Erdbeben auf unserem Planeten müßten plutonische heißen. Was Erdstöße erregen kann, ist überall unter unseren Füßen; und die Betrachtung, daß fast 3/4 der Erdoberfläche, von dem Meere bedeckt (einige sporadische Inseln abgerechnet), ohne alle bleibende Communication des Inneren mit der Atmosphäre, d. h. ohne thätige Vulkane, sind: widerspricht dem irrigen, aber verbreiteten Glauben, daß alle Erdbeben der Eruption eines fernen Vulkans zuzuschreiben seien. Erschütterungen der Continente pflanzen sich allerdings auf dem Meeresboden von den Küsten aus fort; und erregen die furchtbaren Meereswellen, von welchen die Erdbeben von Lissabon, Callao de Lima und Chili so denkwürdige Beispiele gegeben haben. Wenn dagegen die Erdbeben von dem Meeresboden selbst oftmals thätige Vulkane erheben, ohne daß diese letzteren dadurch auf irgend eine bemerkbare Weise angeregt werden. Bei der großen Catastrophe von Riobamba haben sich der nahe Vulkan Tungurahua und der etwas fernere Vulkan Cotopaxi ganz ruhig verhalten. Umgekehrt haben Vulkane mächtige, langdauernde Ausbrüche dargeboten, ohne daß weder vorher noch gleichzeitig in der Umgegend Erdbeben gefühlt wurden. Es sind gerade die verheerendsten Erderschütterungen, von denen die Geschichte Kunde giebt und die viele tausend Quadratmeilen durchlaufen haben, welche, nach dem an der Oberfläche Bemerkbaren zu urtheilen, in keinem Zusammenhange mit der Thätigkeit von Vulkanen stehen. Diese hat man neuerdings plutonische Erdbeben im Gegensatz der eigentlichen vulkanischen genannt, die meist auf kleinere Localitäten eingeschränkt sind. In Hinsicht auf allgemeinere Ansichten über Vulcanicität ist diese Nomenclatur nicht zu billigen. Die bei weitem größere Zahl der Erdbeben auf unserem Planeten müßten plutonische heißen. Was Erdstöße erregen kann, ist überall unter unseren Füßen; und die Betrachtung, daß fast ¾ der Erdoberfläche, von dem Meere bedeckt (einige sporadische Inseln abgerechnet), ohne alle bleibende Communication des Inneren mit der Atmosphäre, d. h. ohne thätige Vulkane, sind: widerspricht dem irrigen, aber verbreiteten Glauben, daß alle Erdbeben der Eruption eines fernen Vulkans zuzuschreiben seien. Erschütterungen der Continente pflanzen sich allerdings auf dem Meeresboden von den Küsten aus fort; und erregen die furchtbaren Meereswellen, von welchen die Erdbeben von Lissabon, Callao de Lima und Chili so denkwürdige Beispiele gegeben haben. Wenn dagegen die Erdbeben von dem Meeresboden selbst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0233" n="228"/> oftmals thätige Vulkane erheben, ohne daß diese letzteren dadurch auf irgend eine bemerkbare Weise <hi rendition="#g">angeregt</hi> werden. Bei der großen Catastrophe von Riobamba haben sich der nahe Vulkan Tungurahua und der etwas fernere Vulkan Cotopaxi ganz ruhig verhalten. Umgekehrt haben Vulkane mächtige, langdauernde Ausbrüche dargeboten, ohne daß weder vorher noch gleichzeitig in der Umgegend Erdbeben gefühlt wurden. Es sind gerade die verheerendsten Erderschütterungen, von denen die Geschichte Kunde giebt und die viele tausend Quadratmeilen durchlaufen haben, welche, nach dem an der Oberfläche Bemerkbaren zu urtheilen, in keinem Zusammenhange mit der Thätigkeit von Vulkanen stehen. Diese hat man neuerdings <hi rendition="#g">plutonische</hi> Erdbeben im Gegensatz der eigentlichen <hi rendition="#g">vulkanischen</hi> genannt, die meist auf kleinere Localitäten eingeschränkt sind. In Hinsicht auf allgemeinere Ansichten über <hi rendition="#g">Vulcanicität</hi> ist diese Nomenclatur nicht zu billigen. Die bei weitem größere Zahl der Erdbeben auf unserem Planeten müßten <hi rendition="#g">plutonische</hi> heißen.</p> <p>Was Erdstöße erregen kann, ist überall unter unseren Füßen; und die Betrachtung, daß fast ¾ der Erdoberfläche, von dem Meere bedeckt (einige sporadische Inseln abgerechnet), ohne alle bleibende Communication des Inneren mit der Atmosphäre, d. h. ohne thätige <hi rendition="#g">Vulkane,</hi> sind: widerspricht dem irrigen, aber verbreiteten Glauben, daß alle Erdbeben der Eruption eines fernen Vulkans zuzuschreiben seien. Erschütterungen der Continente pflanzen sich allerdings auf dem Meeresboden von den Küsten aus fort; und erregen die furchtbaren Meereswellen, von welchen die Erdbeben von Lissabon, Callao de Lima und Chili so denkwürdige Beispiele gegeben haben. Wenn dagegen die Erdbeben von dem Meeresboden selbst </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0233]
oftmals thätige Vulkane erheben, ohne daß diese letzteren dadurch auf irgend eine bemerkbare Weise angeregt werden. Bei der großen Catastrophe von Riobamba haben sich der nahe Vulkan Tungurahua und der etwas fernere Vulkan Cotopaxi ganz ruhig verhalten. Umgekehrt haben Vulkane mächtige, langdauernde Ausbrüche dargeboten, ohne daß weder vorher noch gleichzeitig in der Umgegend Erdbeben gefühlt wurden. Es sind gerade die verheerendsten Erderschütterungen, von denen die Geschichte Kunde giebt und die viele tausend Quadratmeilen durchlaufen haben, welche, nach dem an der Oberfläche Bemerkbaren zu urtheilen, in keinem Zusammenhange mit der Thätigkeit von Vulkanen stehen. Diese hat man neuerdings plutonische Erdbeben im Gegensatz der eigentlichen vulkanischen genannt, die meist auf kleinere Localitäten eingeschränkt sind. In Hinsicht auf allgemeinere Ansichten über Vulcanicität ist diese Nomenclatur nicht zu billigen. Die bei weitem größere Zahl der Erdbeben auf unserem Planeten müßten plutonische heißen.
Was Erdstöße erregen kann, ist überall unter unseren Füßen; und die Betrachtung, daß fast ¾ der Erdoberfläche, von dem Meere bedeckt (einige sporadische Inseln abgerechnet), ohne alle bleibende Communication des Inneren mit der Atmosphäre, d. h. ohne thätige Vulkane, sind: widerspricht dem irrigen, aber verbreiteten Glauben, daß alle Erdbeben der Eruption eines fernen Vulkans zuzuschreiben seien. Erschütterungen der Continente pflanzen sich allerdings auf dem Meeresboden von den Küsten aus fort; und erregen die furchtbaren Meereswellen, von welchen die Erdbeben von Lissabon, Callao de Lima und Chili so denkwürdige Beispiele gegeben haben. Wenn dagegen die Erdbeben von dem Meeresboden selbst
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |