Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.Als der Vulkan von Conseguina (im Staat Nicaragua) am 23 Januar 1835 seinen großen Ausbruch machte, wurde das unterirdische Getöse25 (los ruidos subterraneos) zugleich gehört auf der Insel Jamaica und auf dem Hochlande von Bogota, 8200 Fuß über dem Meere, entfernter als von Algier nach London. Auch habe ich schon an einem anderen Orte bemerkt, daß bei den Ausbrüchen des Vulkans auf der Insel St. Vincent, am 30 April 1812, um 2 Uhr Morgens, das dem Kanonendonner gleiche Getöse ohne alle fühlbare Erderschütterung auf einem Raume von 10000 geogr. Quadratmeilen gehört wurde.26 Sehr merkwürdig ist es, daß, wenn Erdbeben mit Getöse verbunden sind, was keinesweges immer der Fall ist, die Stärke des letzteren gar nicht mit der des ersteren wächst. Das seltenste und räthselhafteste Phänomen unterirdischer Schallbildung bleibt immer das der bramidos de Guanaxuato vom 9 Januar bis zur Mitte des Februars 1784, über das ich die ersten sicheren Nachrichten aus dem Munde noch lebender Zeugen und aus archivarischen Urkunden habe sammeln können. (Kosmos Bd. I. S. 216 und 444.) Die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit des Erdbebens auf der Oberfläche der Erde muß ihrer Natur nach durch die so verschiedenen Dichtigkeiten der festen Gebirgsschichten (Granit und Gneiß, Basalt und Trachyt-Porphyr, Jurakalk und Gyps) wie des Schuttlandes, welche die Erschütterungswelle durchläuft, mannigfach modificirt werden. Es wäre aber doch wünschenswerth, daß man endlich einmal mit Sicherheit die äußersten Grenzen kennen lernte, zwischen denen die Geschwindigkeiten schwanken. Es ist wahrscheinlich, daß den heftigeren Erschütterungen keinesweges immer die größte Geschwindigkeit zukommt. Die Messungen beziehen sich ohnedies nicht immer auf Als der Vulkan von Conseguina (im Staat Nicaragua) am 23 Januar 1835 seinen großen Ausbruch machte, wurde das unterirdische Getöse25 (los ruidos subterraneos) zugleich gehört auf der Insel Jamaica und auf dem Hochlande von Bogota, 8200 Fuß über dem Meere, entfernter als von Algier nach London. Auch habe ich schon an einem anderen Orte bemerkt, daß bei den Ausbrüchen des Vulkans auf der Insel St. Vincent, am 30 April 1812, um 2 Uhr Morgens, das dem Kanonendonner gleiche Getöse ohne alle fühlbare Erderschütterung auf einem Raume von 10000 geogr. Quadratmeilen gehört wurde.26 Sehr merkwürdig ist es, daß, wenn Erdbeben mit Getöse verbunden sind, was keinesweges immer der Fall ist, die Stärke des letzteren gar nicht mit der des ersteren wächst. Das seltenste und räthselhafteste Phänomen unterirdischer Schallbildung bleibt immer das der bramidos de Guanaxuato vom 9 Januar bis zur Mitte des Februars 1784, über das ich die ersten sicheren Nachrichten aus dem Munde noch lebender Zeugen und aus archivarischen Urkunden habe sammeln können. (Kosmos Bd. I. S. 216 und 444.) Die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit des Erdbebens auf der Oberfläche der Erde muß ihrer Natur nach durch die so verschiedenen Dichtigkeiten der festen Gebirgsschichten (Granit und Gneiß, Basalt und Trachyt-Porphyr, Jurakalk und Gyps) wie des Schuttlandes, welche die Erschütterungswelle durchläuft, mannigfach modificirt werden. Es wäre aber doch wünschenswerth, daß man endlich einmal mit Sicherheit die äußersten Grenzen kennen lernte, zwischen denen die Geschwindigkeiten schwanken. Es ist wahrscheinlich, daß den heftigeren Erschütterungen keinesweges immer die größte Geschwindigkeit zukommt. 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Quadratmeilen gehört wurde.<note xml:id="ftn250" next="ftn250-text" place="end" n="26"/> Sehr merkwürdig ist es, daß, wenn Erdbeben mit Getöse verbunden sind, was keinesweges immer der Fall ist, die Stärke des letzteren gar nicht mit der des ersteren wächst. Das seltenste und räthselhafteste Phänomen unterirdischer Schallbildung bleibt immer das der bramidos de Guanaxuato vom 9 Januar bis zur Mitte des Februars 1784, über das ich die ersten sicheren Nachrichten aus dem Munde noch lebender Zeugen und aus archivarischen Urkunden habe sammeln können. (Kosmos Bd. I. S. 216 und 444.)</p> <p>Die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit des Erdbebens auf der Oberfläche der Erde muß ihrer Natur nach durch die so verschiedenen Dichtigkeiten der festen Gebirgsschichten (Granit und Gneiß, Basalt und Trachyt-Porphyr, Jurakalk und Gyps) wie des Schuttlandes, welche die Erschütterungswelle durchläuft, mannigfach modificirt werden. 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Als der Vulkan von Conseguina (im Staat Nicaragua) am 23 Januar 1835 seinen großen Ausbruch machte, wurde das unterirdische Getöse
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(los ruidos subterraneos) zugleich gehört auf der Insel Jamaica und auf dem Hochlande von Bogota, 8200 Fuß über dem Meere, entfernter als von Algier nach London. Auch habe ich schon an einem anderen Orte bemerkt, daß bei den Ausbrüchen des Vulkans auf der Insel St. Vincent, am 30 April 1812, um 2 Uhr Morgens, das dem Kanonendonner gleiche Getöse ohne alle fühlbare Erderschütterung auf einem Raume von 10000 geogr. Quadratmeilen gehört wurde.
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Sehr merkwürdig ist es, daß, wenn Erdbeben mit Getöse verbunden sind, was keinesweges immer der Fall ist, die Stärke des letzteren gar nicht mit der des ersteren wächst. Das seltenste und räthselhafteste Phänomen unterirdischer Schallbildung bleibt immer das der bramidos de Guanaxuato vom 9 Januar bis zur Mitte des Februars 1784, über das ich die ersten sicheren Nachrichten aus dem Munde noch lebender Zeugen und aus archivarischen Urkunden habe sammeln können. (Kosmos Bd. I. S. 216 und 444.)
Die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit des Erdbebens auf der Oberfläche der Erde muß ihrer Natur nach durch die so verschiedenen Dichtigkeiten der festen Gebirgsschichten (Granit und Gneiß, Basalt und Trachyt-Porphyr, Jurakalk und Gyps) wie des Schuttlandes, welche die Erschütterungswelle durchläuft, mannigfach modificirt werden. Es wäre aber doch wünschenswerth, daß man endlich einmal mit Sicherheit die äußersten Grenzen kennen lernte, zwischen denen die Geschwindigkeiten schwanken. Es ist wahrscheinlich, daß den heftigeren Erschütterungen keinesweges immer die größte Geschwindigkeit zukommt. Die Messungen beziehen sich ohnedies nicht immer auf
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/231>, abgerufen am 23.07.2024. |