Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Unzahl von Thermalquellen, noch fließende oder schon verschwundene, unter Erdstößen ausgebrochen zu sein. Ein solcher thermischer Zusammenhang ist in dem merkwürdigen Buche des Johannes Lydus über die Erdbeben (de Ostentis cap. LIV, p. 189 Hase) schon angedeutet. Die große Naturbegebenheit des Unterganges von Helice und Bura in Achaja (373 vor Chr.; Kosmos Bd. III. S. 579) gab besonders Veranlassung zu Hypothesen über den Causalzusammenhang vulkanischer Thätigkeit. Es entstand bei Aristoteles die sonderbare Theorie von der Gewalt der in den Schluchten der Erdtiefe sich einfangenden Winde (Meteor. II. p. 368). Die unglückliche Frequenz der Erderschütterungen in Hellas und in Unter-Italien hat durch den Antheil, den sie an der früheren Zerstörung der Monumente aus der Blüthezeit der Künste gehabt, den verderblichsten Einfluß auf alle Studien ausgeübt, welche auf die Entwickelung griechischer und römischer Cultur nach verschiedenen Zeitepochen gerichtet sind. Auch ägyptische Monumente, z. B. der eine Memnons-Coloß (27 Jahre vor unserer Zeitrechnung), haben von Erdstößen gelitten, die, wie Letronne erwiesen, im Nilthal gar nicht so selten gewesen sind, als man geglaubt (les Statues vocales de Memnon 1833 p. 23-27 und 255).

Nach den hier angeführten physischen Veränderungen, welche die Erdbeben durch Erzeugung von Spalten veranlassen, ist es um so auffallender, wie so viele warme Heilquellen Jahrhunderte lang ihren Stoffgehalt und ihre Temperatur unverändert erhalten; und also aus Spalten hervorquellen müssen, die weder der Tiefe nach, noch gegen die Seiten hin Veränderungen erlitten zu haben scheinen. Eingetretene Communicationen mit höheren Erdschichten würden Verminderung, mit tieferen Vermehrung der Wärme hervorgebracht haben.

Unzahl von Thermalquellen, noch fließende oder schon verschwundene, unter Erdstößen ausgebrochen zu sein. Ein solcher thermischer Zusammenhang ist in dem merkwürdigen Buche des Johannes Lydus über die Erdbeben (de Ostentis cap. LIV, p. 189 Hase) schon angedeutet. Die große Naturbegebenheit des Unterganges von Helice und Bura in Achaja (373 vor Chr.; Kosmos Bd. III. S. 579) gab besonders Veranlassung zu Hypothesen über den Causalzusammenhang vulkanischer Thätigkeit. Es entstand bei Aristoteles die sonderbare Theorie von der Gewalt der in den Schluchten der Erdtiefe sich einfangenden Winde (Meteor. II. p. 368). Die unglückliche Frequenz der Erderschütterungen in Hellas und in Unter-Italien hat durch den Antheil, den sie an der früheren Zerstörung der Monumente aus der Blüthezeit der Künste gehabt, den verderblichsten Einfluß auf alle Studien ausgeübt, welche auf die Entwickelung griechischer und römischer Cultur nach verschiedenen Zeitepochen gerichtet sind. Auch ägyptische Monumente, z. B. der eine Memnons-Coloß (27 Jahre vor unserer Zeitrechnung), haben von Erdstößen gelitten, die, wie Letronne erwiesen, im Nilthal gar nicht so selten gewesen sind, als man geglaubt (les Statues vocales de Memnon 1833 p. 23–27 und 255).

Nach den hier angeführten physischen Veränderungen, welche die Erdbeben durch Erzeugung von Spalten veranlassen, ist es um so auffallender, wie so viele warme Heilquellen Jahrhunderte lang ihren Stoffgehalt und ihre Temperatur unverändert erhalten; und also aus Spalten hervorquellen müssen, die weder der Tiefe nach, noch gegen die Seiten hin Veränderungen erlitten zu haben scheinen. Eingetretene Communicationen mit höheren Erdschichten würden Verminderung, mit tieferen Vermehrung der Wärme hervorgebracht haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0230" n="225"/>
Unzahl von Thermalquellen, noch fließende oder schon verschwundene, unter Erdstößen ausgebrochen zu sein. Ein solcher thermischer Zusammenhang ist in dem merkwürdigen Buche des <hi rendition="#g">Johannes Lydus</hi> über die <hi rendition="#g">Erdbeben (de Ostentis</hi> cap. LIV, p. 189 Hase) schon angedeutet. Die große Naturbegebenheit des Unterganges von Helice und Bura in Achaja (373 vor Chr.; <hi rendition="#g">Kosmos</hi> Bd. III. S. 579) gab besonders Veranlassung zu Hypothesen über den Causalzusammenhang vulkanischer Thätigkeit. Es entstand bei Aristoteles die sonderbare Theorie von der Gewalt der in den Schluchten der Erdtiefe sich einfangenden Winde <hi rendition="#g">(Meteor.</hi> II. p. 368). Die unglückliche Frequenz der Erderschütterungen in Hellas und in Unter-Italien hat durch den Antheil, den sie an der früheren Zerstörung der Monumente aus der Blüthezeit der Künste gehabt, den verderblichsten Einfluß auf alle Studien ausgeübt, welche auf die Entwickelung griechischer und römischer Cultur nach verschiedenen Zeitepochen gerichtet sind. Auch ägyptische Monumente, z. B. der eine Memnons-Coloß (27 Jahre vor unserer Zeitrechnung), haben von Erdstößen gelitten, die, wie Letronne erwiesen, im Nilthal gar nicht so selten gewesen sind, als man geglaubt (les Statues vocales de Memnon 1833 p. 23&#x2013;27 und 255).</p>
                <p>Nach den hier angeführten physischen Veränderungen, welche die Erdbeben durch Erzeugung von Spalten veranlassen, ist es um so auffallender, wie so viele warme Heilquellen Jahrhunderte lang ihren Stoffgehalt und ihre Temperatur unverändert erhalten; und also aus Spalten hervorquellen müssen, die weder der Tiefe nach, noch gegen die Seiten hin Veränderungen erlitten zu haben scheinen. Eingetretene Communicationen mit höheren Erdschichten würden Verminderung, mit tieferen Vermehrung der Wärme hervorgebracht haben.</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0230] Unzahl von Thermalquellen, noch fließende oder schon verschwundene, unter Erdstößen ausgebrochen zu sein. Ein solcher thermischer Zusammenhang ist in dem merkwürdigen Buche des Johannes Lydus über die Erdbeben (de Ostentis cap. LIV, p. 189 Hase) schon angedeutet. Die große Naturbegebenheit des Unterganges von Helice und Bura in Achaja (373 vor Chr.; Kosmos Bd. III. S. 579) gab besonders Veranlassung zu Hypothesen über den Causalzusammenhang vulkanischer Thätigkeit. Es entstand bei Aristoteles die sonderbare Theorie von der Gewalt der in den Schluchten der Erdtiefe sich einfangenden Winde (Meteor. II. p. 368). Die unglückliche Frequenz der Erderschütterungen in Hellas und in Unter-Italien hat durch den Antheil, den sie an der früheren Zerstörung der Monumente aus der Blüthezeit der Künste gehabt, den verderblichsten Einfluß auf alle Studien ausgeübt, welche auf die Entwickelung griechischer und römischer Cultur nach verschiedenen Zeitepochen gerichtet sind. Auch ägyptische Monumente, z. B. der eine Memnons-Coloß (27 Jahre vor unserer Zeitrechnung), haben von Erdstößen gelitten, die, wie Letronne erwiesen, im Nilthal gar nicht so selten gewesen sind, als man geglaubt (les Statues vocales de Memnon 1833 p. 23–27 und 255). Nach den hier angeführten physischen Veränderungen, welche die Erdbeben durch Erzeugung von Spalten veranlassen, ist es um so auffallender, wie so viele warme Heilquellen Jahrhunderte lang ihren Stoffgehalt und ihre Temperatur unverändert erhalten; und also aus Spalten hervorquellen müssen, die weder der Tiefe nach, noch gegen die Seiten hin Veränderungen erlitten zu haben scheinen. Eingetretene Communicationen mit höheren Erdschichten würden Verminderung, mit tieferen Vermehrung der Wärme hervorgebracht haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/230
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/230>, abgerufen am 22.11.2024.