Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursach zu neuen Erdbeben werden: indem nach Boussingault's Vermuthung sich mit der Zeit schlecht unterstützte Massen ablösen und, Erschütterung erregend, senken; sondern man kann sich auch die Möglichkeit denken, daß die Erschütterungskreise dadurch erweitert werden, daß auf den bei den früheren Erdbeben geöffneten Spalten in dem neuen Erdbeben elastische Flüssigkeiten da wirken, wohin sie vorher nicht gelangen konnten. Es ist also ein begleitendes Phänomen, nicht die Stärke der Erschütterungswelle, welche die festen Theile der Erde einmal durchlaufen ist, was die allmälige, sehr wichtige und zu wenig beachtete, Erweiterung des Erschütterungskreises veranlaßt.21

Vulkanische Thätigkeiten, zu deren niederen Stufen das Erdbeben gehört, umfassen fast immer gleichzeitig Phänomene der Bewegung und physischer stoffartiger Production. Wir haben schon mehrfach im Naturgemälde erinnert, wie aus Spalten, fern von allen Vulkanen, emporsteigen: Wasser und heiße Dämpfe, kohlensaures Gas und andere Moffetten, schwarzer Rauch (wie, viele Tage lang, im Felsen von Alvidras beim Erdbeben von Lissabon vom 1 November 1755), Feuerflammen, Sand, Schlamm, und mit Kohle gemengte Moya. Der scharfsinnige Geognost Abich hat den Zusammenhang nachgewiesen, der im persischen Ghilan zwischen den Thermalquellen von Sarcin (5051 Fuß), auf dem Wege von Ardebil nach Tabriz, und den Erdbeben statt findet, welche das Hochland oft von zwei zu zwei Jahren heimsuchen. Im October 1848 nöthigte eine undulatorische Bewegung des Bodens, welche eine ganze Stunde dauerte, die Einwohner von Ardebil die Stadt zu verlassen; und sogleich stieg die Temperatur der Quellen, die zwischen 44° und 46° Cent. fällt, einen ganzen Monat

Ursach zu neuen Erdbeben werden: indem nach Boussingault's Vermuthung sich mit der Zeit schlecht unterstützte Massen ablösen und, Erschütterung erregend, senken; sondern man kann sich auch die Möglichkeit denken, daß die Erschütterungskreise dadurch erweitert werden, daß auf den bei den früheren Erdbeben geöffneten Spalten in dem neuen Erdbeben elastische Flüssigkeiten da wirken, wohin sie vorher nicht gelangen konnten. Es ist also ein begleitendes Phänomen, nicht die Stärke der Erschütterungswelle, welche die festen Theile der Erde einmal durchlaufen ist, was die allmälige, sehr wichtige und zu wenig beachtete, Erweiterung des Erschütterungskreises veranlaßt.21

Vulkanische Thätigkeiten, zu deren niederen Stufen das Erdbeben gehört, umfassen fast immer gleichzeitig Phänomene der Bewegung und physischer stoffartiger Production. Wir haben schon mehrfach im Naturgemälde erinnert, wie aus Spalten, fern von allen Vulkanen, emporsteigen: Wasser und heiße Dämpfe, kohlensaures Gas und andere Moffetten, schwarzer Rauch (wie, viele Tage lang, im Felsen von Alvidras beim Erdbeben von Lissabon vom 1 November 1755), Feuerflammen, Sand, Schlamm, und mit Kohle gemengte Moya. Der scharfsinnige Geognost Abich hat den Zusammenhang nachgewiesen, der im persischen Ghilan zwischen den Thermalquellen von Sarcin (5051 Fuß), auf dem Wege von Ardebil nach Tabriz, und den Erdbeben statt findet, welche das Hochland oft von zwei zu zwei Jahren heimsuchen. Im October 1848 nöthigte eine undulatorische Bewegung des Bodens, welche eine ganze Stunde dauerte, die Einwohner von Ardebil die Stadt zu verlassen; und sogleich stieg die Temperatur der Quellen, die zwischen 44° und 46° Cent. fällt, einen ganzen Monat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0228" n="223"/>
Ursach zu neuen Erdbeben werden: indem nach <hi rendition="#g">Boussingault's</hi> Vermuthung sich mit der Zeit schlecht unterstützte Massen ablösen und, Erschütterung erregend, senken; sondern man kann sich auch die Möglichkeit denken, daß die <hi rendition="#g">Erschütterungskreise</hi> dadurch <hi rendition="#g">erweitert</hi> werden, daß auf den bei den früheren Erdbeben geöffneten Spalten in dem neuen Erdbeben elastische Flüssigkeiten da wirken, wohin sie vorher nicht gelangen konnten. Es ist also ein begleitendes Phänomen, nicht die Stärke der Erschütterungswelle, welche die festen Theile der Erde einmal durchlaufen ist, was die allmälige, sehr wichtige und zu wenig beachtete, <hi rendition="#g">Erweiterung des Erschütterungskreises</hi> veranlaßt.<note xml:id="ftn245" next="#ftn245-text" place="end" n="21"/>          </p>
                <p>Vulkanische Thätigkeiten, zu deren niederen Stufen das Erdbeben gehört, umfassen fast immer gleichzeitig Phänomene der Bewegung und physischer stoffartiger Production. Wir haben schon mehrfach im Naturgemälde erinnert, wie aus Spalten, fern von allen Vulkanen, emporsteigen: Wasser und heiße Dämpfe, kohlensaures Gas und andere Moffetten, schwarzer Rauch (wie, viele Tage lang, im Felsen von Alvidras beim Erdbeben von Lissabon vom 1 November 1755), Feuerflammen, Sand, Schlamm, und mit Kohle gemengte <hi rendition="#g">Moya.</hi> Der scharfsinnige Geognost Abich hat den Zusammenhang nachgewiesen, der im persischen Ghilan zwischen den Thermalquellen von Sarcin (5051 Fuß), auf dem Wege von Ardebil nach Tabriz, und den Erdbeben statt findet, welche das Hochland oft von zwei zu zwei Jahren heimsuchen. Im October 1848 nöthigte eine undulatorische Bewegung des Bodens, welche eine ganze Stunde dauerte, die Einwohner von Ardebil die Stadt zu verlassen; und sogleich stieg die Temperatur der Quellen, die zwischen 44° und 46° Cent. fällt, einen ganzen Monat
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0228] Ursach zu neuen Erdbeben werden: indem nach Boussingault's Vermuthung sich mit der Zeit schlecht unterstützte Massen ablösen und, Erschütterung erregend, senken; sondern man kann sich auch die Möglichkeit denken, daß die Erschütterungskreise dadurch erweitert werden, daß auf den bei den früheren Erdbeben geöffneten Spalten in dem neuen Erdbeben elastische Flüssigkeiten da wirken, wohin sie vorher nicht gelangen konnten. Es ist also ein begleitendes Phänomen, nicht die Stärke der Erschütterungswelle, welche die festen Theile der Erde einmal durchlaufen ist, was die allmälige, sehr wichtige und zu wenig beachtete, Erweiterung des Erschütterungskreises veranlaßt. ²¹ Vulkanische Thätigkeiten, zu deren niederen Stufen das Erdbeben gehört, umfassen fast immer gleichzeitig Phänomene der Bewegung und physischer stoffartiger Production. Wir haben schon mehrfach im Naturgemälde erinnert, wie aus Spalten, fern von allen Vulkanen, emporsteigen: Wasser und heiße Dämpfe, kohlensaures Gas und andere Moffetten, schwarzer Rauch (wie, viele Tage lang, im Felsen von Alvidras beim Erdbeben von Lissabon vom 1 November 1755), Feuerflammen, Sand, Schlamm, und mit Kohle gemengte Moya. Der scharfsinnige Geognost Abich hat den Zusammenhang nachgewiesen, der im persischen Ghilan zwischen den Thermalquellen von Sarcin (5051 Fuß), auf dem Wege von Ardebil nach Tabriz, und den Erdbeben statt findet, welche das Hochland oft von zwei zu zwei Jahren heimsuchen. Im October 1848 nöthigte eine undulatorische Bewegung des Bodens, welche eine ganze Stunde dauerte, die Einwohner von Ardebil die Stadt zu verlassen; und sogleich stieg die Temperatur der Quellen, die zwischen 44° und 46° Cent. fällt, einen ganzen Monat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/228
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/228>, abgerufen am 22.11.2024.