Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

an Cohärenz in den trachyt- und doleritartigen Massen, welche die erhobenen Vulkane der Andeskette bilden, als eine Hauptursach vieler und sehr weit wirkender Erderschütterungen betrachtet. Die colossalen Kegel und domförmigen Gipfel der Cordilleren sind nach dieser Ansicht keinesweges in einem Zustande der Weichheit und halben Flüssigkeit; sondern vollkommen erhärtet, als ungeheure scharfkantige Fragmente, emporgeschoben und aufgethürmt worden. Bei einem solchen Emporschieben und Aufthürmen sind nothwendig große Zwischenräume und Höhlungen entstanden, so daß durch ruckweise Senkung und durch das Herabstürzen zu schwach unterstützter fester Massen Erschütterungen erfolgen.14

Mit mehr Klarheit, als die Betrachtungen über die Natur des ersten Impulses gewähren, den man sich freilich als verschiedenartig denken kann; sind die Wirkungen des Impulses, die Erschütterungswellen, auf einfache mechanische Theorien zurückzuführen. Dieser Theil unseres Naturwissens hat, wie wir schon oben bemerkt, in der neuesten Zeit wesentlich gewonnen. Man hat die Erdwellen in ihren Fortschritten, ihrer Verbreitung durch Gebirgsarten von verschiedener Dichtigkeit und Elasticität15 geschildert; die Ursachen der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit, ihre Abnahme durch Brechung, Reflex und Interferenz16 der Schwingungen mathematisch erforscht. Die scheinbar kreisenden (rotatorischen) Erschütterungen, von denen die Obelisken vor dem Kloster San Bruno in der kleinen Stadt Stephano del Bosco (Calabrien 1783) ein so viel besprochenes Beispiel dargeboten hatten, hat man versucht auf geradlinige zu reduciren.17 Luft-, Wasser- und Erdwellen folgen allerdings räumlich den-

an Cohärenz in den trachyt- und doleritartigen Massen, welche die erhobenen Vulkane der Andeskette bilden, als eine Hauptursach vieler und sehr weit wirkender Erderschütterungen betrachtet. Die colossalen Kegel und domförmigen Gipfel der Cordilleren sind nach dieser Ansicht keinesweges in einem Zustande der Weichheit und halben Flüssigkeit; sondern vollkommen erhärtet, als ungeheure scharfkantige Fragmente, emporgeschoben und aufgethürmt worden. Bei einem solchen Emporschieben und Aufthürmen sind nothwendig große Zwischenräume und Höhlungen entstanden, so daß durch ruckweise Senkung und durch das Herabstürzen zu schwach unterstützter fester Massen Erschütterungen erfolgen.14

Mit mehr Klarheit, als die Betrachtungen über die Natur des ersten Impulses gewähren, den man sich freilich als verschiedenartig denken kann; sind die Wirkungen des Impulses, die Erschütterungswellen, auf einfache mechanische Theorien zurückzuführen. Dieser Theil unseres Naturwissens hat, wie wir schon oben bemerkt, in der neuesten Zeit wesentlich gewonnen. Man hat die Erdwellen in ihren Fortschritten, ihrer Verbreitung durch Gebirgsarten von verschiedener Dichtigkeit und Elasticität15 geschildert; die Ursachen der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit, ihre Abnahme durch Brechung, Reflex und Interferenz16 der Schwingungen mathematisch erforscht. Die scheinbar kreisenden (rotatorischen) Erschütterungen, von denen die Obelisken vor dem Kloster San Bruno in der kleinen Stadt Stephano del Bosco (Calabrien 1783) ein so viel besprochenes Beispiel dargeboten hatten, hat man versucht auf geradlinige zu reduciren.17 Luft-, Wasser- und Erdwellen folgen allerdings räumlich den-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0224" n="219"/>
an Cohärenz in den trachyt- und doleritartigen Massen, welche die <hi rendition="#g">erhobenen</hi> Vulkane der Andeskette bilden, als eine Hauptursach vieler und sehr weit wirkender Erderschütterungen betrachtet. Die colossalen Kegel und domförmigen Gipfel der Cordilleren sind nach dieser Ansicht keinesweges in einem Zustande der Weichheit und halben Flüssigkeit; sondern vollkommen erhärtet, als ungeheure scharfkantige Fragmente, emporgeschoben und aufgethürmt worden. Bei einem solchen Emporschieben und Aufthürmen sind nothwendig große Zwischenräume und Höhlungen entstanden, so daß durch ruckweise Senkung und durch das Herabstürzen zu schwach unterstützter fester Massen Erschütterungen erfolgen.<note xml:id="ftn238" next="#ftn238-text" place="end" n="14"/>          </p>
                <p>Mit mehr Klarheit, als die Betrachtungen über die <hi rendition="#g">Natur</hi> des ersten <hi rendition="#g">Impulses</hi> gewähren, den man sich freilich als verschiedenartig denken kann; sind die <hi rendition="#g">Wirkungen des Impulses,</hi> die <hi rendition="#g">Erschütterungswellen,</hi> auf einfache <hi rendition="#g">mechanische</hi> Theorien zurückzuführen. Dieser Theil unseres Naturwissens hat, wie wir schon oben bemerkt, in der neuesten Zeit wesentlich gewonnen. Man hat die Erdwellen in ihren Fortschritten, ihrer Verbreitung durch Gebirgsarten von verschiedener Dichtigkeit und Elasticität<note xml:id="ftn239" next="#ftn239-text" place="end" n="15"/> geschildert; die Ursachen der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit, ihre Abnahme durch <hi rendition="#g">Brechung, Reflex</hi> und <hi rendition="#g">Interferenz</hi><note xml:id="ftn240" next="#ftn240-text" place="end" n="16"/> der Schwingungen mathematisch erforscht. Die scheinbar kreisenden <hi rendition="#g">(rotatorischen)</hi> Erschütterungen, von denen die Obelisken vor dem Kloster San Bruno in der kleinen Stadt Stephano del Bosco (Calabrien 1783) ein so viel besprochenes Beispiel dargeboten hatten, hat man versucht auf <hi rendition="#g">geradlinige</hi> zu reduciren.<note xml:id="ftn241" next="#ftn241-text" place="end" n="17"/> Luft-, Wasser- und Erdwellen folgen allerdings räumlich den-
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0224] an Cohärenz in den trachyt- und doleritartigen Massen, welche die erhobenen Vulkane der Andeskette bilden, als eine Hauptursach vieler und sehr weit wirkender Erderschütterungen betrachtet. Die colossalen Kegel und domförmigen Gipfel der Cordilleren sind nach dieser Ansicht keinesweges in einem Zustande der Weichheit und halben Flüssigkeit; sondern vollkommen erhärtet, als ungeheure scharfkantige Fragmente, emporgeschoben und aufgethürmt worden. Bei einem solchen Emporschieben und Aufthürmen sind nothwendig große Zwischenräume und Höhlungen entstanden, so daß durch ruckweise Senkung und durch das Herabstürzen zu schwach unterstützter fester Massen Erschütterungen erfolgen. ¹⁴ Mit mehr Klarheit, als die Betrachtungen über die Natur des ersten Impulses gewähren, den man sich freilich als verschiedenartig denken kann; sind die Wirkungen des Impulses, die Erschütterungswellen, auf einfache mechanische Theorien zurückzuführen. Dieser Theil unseres Naturwissens hat, wie wir schon oben bemerkt, in der neuesten Zeit wesentlich gewonnen. Man hat die Erdwellen in ihren Fortschritten, ihrer Verbreitung durch Gebirgsarten von verschiedener Dichtigkeit und Elasticität ¹⁵ geschildert; die Ursachen der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit, ihre Abnahme durch Brechung, Reflex und Interferenz ¹⁶ der Schwingungen mathematisch erforscht. Die scheinbar kreisenden (rotatorischen) Erschütterungen, von denen die Obelisken vor dem Kloster San Bruno in der kleinen Stadt Stephano del Bosco (Calabrien 1783) ein so viel besprochenes Beispiel dargeboten hatten, hat man versucht auf geradlinige zu reduciren. ¹⁷ Luft-, Wasser- und Erdwellen folgen allerdings räumlich den-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/224
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/224>, abgerufen am 23.11.2024.