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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Aufsteigen elastischer Dämpfe, gebildet (an der Grenze zwischen dem Flüssigen und Festen) entweder allein aus der geschmolzenen Erdmasse oder aus eindringendem Meereswasser; sich plötzlich öffnende Spalten, und das plötzliche Aufsteigen tiefer entstandener, und darum heißerer und gespannterer Dämpfe in höhere Felsschichten, der Erdoberfläche näher: verursachen die Erschütterung. Als Nebenwirkung einer nicht tellurischen Ursach wird auch wohl die Attraction des Mondes und der Sonne10 auf die flüssige, geschmolzene Oberfläche des Erdkerns betrachtet, wodurch ein vermehrter Druck entstehen muß: entweder unmittelbar gegen ein festes aufliegendes Felsgewölbe; oder mittelbar, wo in unterirdischen Becken die feste Masse durch elastische Dämpfe von der geschmolzenen, flüssigen Masse getrennt ist.

Der Kern unseres Planeten wird als aus unoxydirten Massen, aus den Metalloiden der Alkalien und Erden bestehend gedacht. Durch Zutritt von Wasser und Luft soll die vulkanische Thätigkeit in dem Kerne erregt werden. Die Vulkane ergießen allerdings eine große Menge Wasserdampf in die Atmosphäre; aber die Annahme des Eindringens des Wassers in den vulkanischen Heerd hat viele Schwierigkeit, in Betrachtung des gegenseitigen Druckes11 der äußeren Wassersäule und inneren Lava; und der Mangel oder wenigstens die große Seltenheit von brennendem Wasserstoff-Gas während der Eruption, welchen die Bildungen von Chlor-Wasserstoff-Säure12, Ammoniak und geschwefeltem Wasserstoff wohl nicht hinlänglich ersetzen, hat den berühmten Urheber der Hypothese sie selbst freimüthig13 aufzugeben vermocht.

Nach einer dritten Ansicht, der des so vielbegabten südamerikanischen Reisenden Boussingault, wird ein Mangel

Aufsteigen elastischer Dämpfe, gebildet (an der Grenze zwischen dem Flüssigen und Festen) entweder allein aus der geschmolzenen Erdmasse oder aus eindringendem Meereswasser; sich plötzlich öffnende Spalten, und das plötzliche Aufsteigen tiefer entstandener, und darum heißerer und gespannterer Dämpfe in höhere Felsschichten, der Erdoberfläche näher: verursachen die Erschütterung. Als Nebenwirkung einer nicht tellurischen Ursach wird auch wohl die Attraction des Mondes und der Sonne10 auf die flüssige, geschmolzene Oberfläche des Erdkerns betrachtet, wodurch ein vermehrter Druck entstehen muß: entweder unmittelbar gegen ein festes aufliegendes Felsgewölbe; oder mittelbar, wo in unterirdischen Becken die feste Masse durch elastische Dämpfe von der geschmolzenen, flüssigen Masse getrennt ist.

Der Kern unseres Planeten wird als aus unoxydirten Massen, aus den Metalloiden der Alkalien und Erden bestehend gedacht. Durch Zutritt von Wasser und Luft soll die vulkanische Thätigkeit in dem Kerne erregt werden. Die Vulkane ergießen allerdings eine große Menge Wasserdampf in die Atmosphäre; aber die Annahme des Eindringens des Wassers in den vulkanischen Heerd hat viele Schwierigkeit, in Betrachtung des gegenseitigen Druckes11 der äußeren Wassersäule und inneren Lava; und der Mangel oder wenigstens die große Seltenheit von brennendem Wasserstoff-Gas während der Eruption, welchen die Bildungen von Chlor-Wasserstoff-Säure12, Ammoniak und geschwefeltem Wasserstoff wohl nicht hinlänglich ersetzen, hat den berühmten Urheber der Hypothese sie selbst freimüthig13 aufzugeben vermocht.

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Aufsteigen elastischer Dämpfe, gebildet (an der Grenze zwischen dem Flüssigen und Festen) entweder allein aus der geschmolzenen Erdmasse oder aus eindringendem Meereswasser; sich plötzlich öffnende Spalten, und das plötzliche Aufsteigen tiefer entstandener, und darum heißerer und gespannterer Dämpfe in höhere Felsschichten, der Erdoberfläche näher: verursachen die Erschütterung. Als Nebenwirkung einer nicht tellurischen Ursach wird auch wohl die Attraction des Mondes und der Sonne<note xml:id="ftn234" next="#ftn234-text" place="end" n="10"/> auf die flüssige, geschmolzene Oberfläche des Erdkerns betrachtet, wodurch ein vermehrter Druck entstehen muß: entweder unmittelbar gegen ein festes aufliegendes Felsgewölbe; oder mittelbar, wo in unterirdischen Becken die feste Masse durch elastische Dämpfe von der geschmolzenen, flüssigen Masse getrennt ist.</p>
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[218/0223] Aufsteigen elastischer Dämpfe, gebildet (an der Grenze zwischen dem Flüssigen und Festen) entweder allein aus der geschmolzenen Erdmasse oder aus eindringendem Meereswasser; sich plötzlich öffnende Spalten, und das plötzliche Aufsteigen tiefer entstandener, und darum heißerer und gespannterer Dämpfe in höhere Felsschichten, der Erdoberfläche näher: verursachen die Erschütterung. Als Nebenwirkung einer nicht tellurischen Ursach wird auch wohl die Attraction des Mondes und der Sonne ¹⁰ auf die flüssige, geschmolzene Oberfläche des Erdkerns betrachtet, wodurch ein vermehrter Druck entstehen muß: entweder unmittelbar gegen ein festes aufliegendes Felsgewölbe; oder mittelbar, wo in unterirdischen Becken die feste Masse durch elastische Dämpfe von der geschmolzenen, flüssigen Masse getrennt ist. Der Kern unseres Planeten wird als aus unoxydirten Massen, aus den Metalloiden der Alkalien und Erden bestehend gedacht. Durch Zutritt von Wasser und Luft soll die vulkanische Thätigkeit in dem Kerne erregt werden. Die Vulkane ergießen allerdings eine große Menge Wasserdampf in die Atmosphäre; aber die Annahme des Eindringens des Wassers in den vulkanischen Heerd hat viele Schwierigkeit, in Betrachtung des gegenseitigen Druckes ¹¹ der äußeren Wassersäule und inneren Lava; und der Mangel oder wenigstens die große Seltenheit von brennendem Wasserstoff-Gas während der Eruption, welchen die Bildungen von Chlor-Wasserstoff-Säure ¹² , Ammoniak und geschwefeltem Wasserstoff wohl nicht hinlänglich ersetzen, hat den berühmten Urheber der Hypothese sie selbst freimüthig ¹³ aufzugeben vermocht. Nach einer dritten Ansicht, der des so vielbegabten südamerikanischen Reisenden Boussingault, wird ein Mangel

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/223>, abgerufen am 23.11.2024.