Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.der Erschütterungswelle. Ich habe in dem Naturgemälde beschrieben, was sich zunächst den Sinnen offenbart; was ich Gelegenheit gehabt so viele Jahre lang selbst zu beobachten auf dem Meere, auf dem Seeboden der Ebenen (Llanos), auf Höhen von acht- bis funfzehn-tausend Fuß: am Kraterrande entzündeter Vulkane, und in Regionen von Granit und Glimmerschiefer, dreihundert geographische Meilen von allen Feuerausbrüchen entfernt: in Gegenden, wo die Einwohner zu gewissen Epochen die Zahl der Erdstöße nicht mehr als wir in Europa die Zahl der Regenschauer zählen; wo Bonpland und ich wegen Unruhe der Maulthiere absteigen mußten, weil in einem Walde der Boden 15 bis 18 Minuten lang ununterbrochen erbebte. Bei einer so langen Gewohnheit, die später Boussingault in einem noch höheren Grade getheilt hat, ist man zu ruhiger und sorgfältiger Beobachtung gestimmt; wohl auch geeignet, mit kritischer Sorgfalt abweichende Zeugnisse an Ort und Stelle zu sammeln: ja zu prüfen, unter welchen Verhältnissen die mächtigen Veränderungen der Erdoberfläche erfolgt sind, deren frische Spuren man erkennt. Wenn gleich schon fünf Jahre seit dem schaudervollen Erdbeben von Riobamba, welches am 4 Februar 1797 über 30000 Menschen in wenigen Minuten das Leben kostete8, vergangen waren; so sahen wir doch noch die einst fortschreitenden, aus der Erde aufgestiegenen Kegel der Moya9, und die Anwendung dieser brennbaren Substanz zum Kochen in den Hütten der Indianer. Ergebnisse von Bodenveränderungen konnte ich aus jener Catastrophe beschreiben, die in einem größeren Maaßstabe ganz denen analog gewesen sind, welche das berühmte Erdbeben von Calabrien (Febr. 1783) darbot; und die man lange für ungenau und abenteuerlich dargestellt ausgegeben hat, weil der Erschütterungswelle. Ich habe in dem Naturgemälde beschrieben, was sich zunächst den Sinnen offenbart; was ich Gelegenheit gehabt so viele Jahre lang selbst zu beobachten auf dem Meere, auf dem Seeboden der Ebenen (Llanos), auf Höhen von acht- bis funfzehn-tausend Fuß: am Kraterrande entzündeter Vulkane, und in Regionen von Granit und Glimmerschiefer, dreihundert geographische Meilen von allen Feuerausbrüchen entfernt: in Gegenden, wo die Einwohner zu gewissen Epochen die Zahl der Erdstöße nicht mehr als wir in Europa die Zahl der Regenschauer zählen; wo Bonpland und ich wegen Unruhe der Maulthiere absteigen mußten, weil in einem Walde der Boden 15 bis 18 Minuten lang ununterbrochen erbebte. Bei einer so langen Gewohnheit, die später Boussingault in einem noch höheren Grade getheilt hat, ist man zu ruhiger und sorgfältiger Beobachtung gestimmt; wohl auch geeignet, mit kritischer Sorgfalt abweichende Zeugnisse an Ort und Stelle zu sammeln: ja zu prüfen, unter welchen Verhältnissen die mächtigen Veränderungen der Erdoberfläche erfolgt sind, deren frische Spuren man erkennt. Wenn gleich schon fünf Jahre seit dem schaudervollen Erdbeben von Riobamba, welches am 4 Februar 1797 über 30000 Menschen in wenigen Minuten das Leben kostete8, vergangen waren; so sahen wir doch noch die einst fortschreitenden, aus der Erde aufgestiegenen Kegel der Moya9, und die Anwendung dieser brennbaren Substanz zum Kochen in den Hütten der Indianer. Ergebnisse von Bodenveränderungen konnte ich aus jener Catastrophe beschreiben, die in einem größeren Maaßstabe ganz denen analog gewesen sind, welche das berühmte Erdbeben von Calabrien (Febr. 1783) darbot; und die man lange für ungenau und abenteuerlich dargestellt ausgegeben hat, weil <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0221" n="216"/> der Erschütterungswelle. 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der Erschütterungswelle. Ich habe in dem Naturgemälde beschrieben, was sich zunächst den Sinnen offenbart; was ich Gelegenheit gehabt so viele Jahre lang selbst zu beobachten auf dem Meere, auf dem Seeboden der Ebenen (Llanos), auf Höhen von acht- bis funfzehn-tausend Fuß: am Kraterrande entzündeter Vulkane, und in Regionen von Granit und Glimmerschiefer, dreihundert geographische Meilen von allen Feuerausbrüchen entfernt: in Gegenden, wo die Einwohner zu gewissen Epochen die Zahl der Erdstöße nicht mehr als wir in Europa die Zahl der Regenschauer zählen; wo Bonpland und ich wegen Unruhe der Maulthiere absteigen mußten, weil in einem Walde der Boden 15 bis 18 Minuten lang ununterbrochen erbebte. Bei einer so langen Gewohnheit, die später Boussingault in einem noch höheren Grade getheilt hat, ist man zu ruhiger und sorgfältiger Beobachtung gestimmt; wohl auch geeignet, mit kritischer Sorgfalt abweichende Zeugnisse an Ort und Stelle zu sammeln: ja zu prüfen, unter welchen Verhältnissen die mächtigen Veränderungen der Erdoberfläche erfolgt sind, deren frische Spuren man erkennt. Wenn gleich schon fünf Jahre seit dem schaudervollen Erdbeben von Riobamba, welches am 4 Februar 1797 über 30000 Menschen in wenigen Minuten das Leben kostete
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, und die Anwendung dieser brennbaren Substanz zum Kochen in den Hütten der Indianer. Ergebnisse von Bodenveränderungen konnte ich aus jener Catastrophe beschreiben, die in einem größeren Maaßstabe ganz denen analog gewesen sind, welche das berühmte Erdbeben von Calabrien (Febr. 1783) darbot; und die man lange für ungenau und abenteuerlich dargestellt ausgegeben hat, weil
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