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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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auch hier wieder das große Verdienst gehabt zu sammeln und scharfsinnig zu vergleichen. Es scheint, als bewege sich der nördliche Magnetpol von West nach Ost, der südliche von Ost nach West: aber genaue Beobachtungen lehren, daß die verschiedenen Theile der isogonischen Curven sehr ungleichmäßig fortschreiten und da, wo sie parallel waren, den Parallelismus verlieren; daß die Gebiete der Declination Einer Benennung in nahen Erdtheilen sich nach sehr verschiedenen Richtungen erweitern und verengen. Die Linien ohne Abweichung in West-Asien und im atlantischen Ocean schreiten von Osten nach Westen vor: die erstere derselben durchschnitt gegen 1716 Tobolsk; 1761, zu Chappe's Zeit, Jekatherinenburg, später Kasan; 1729 war sie zwischen Osablikowo und Doskino (unfern Nishnei-Nowgorod): also in 113 Jahren war sie 24°3/4 in Westen fortgerückt. Ist die Azoren-Linie, die Christoph Columbus am 13 September 1492 bestimmte, dieselbe, welche nach den Beobachtungen von Davis und Keeling 1607 durch das Vorgebirge der guten Hoffnung gegangen ist99; dieselbe, die wir jetzt als west-atlantische von der Mündung des Amazonenflusses nach dem Littoral von Nord-Carolina gerichtet sehen: so fragt man, was aus der Linie ohne Abweichung geworden sei, welche 1600 durch Königsberg, 1620 (?) durch Kopenhagen, 1657 bis 1662 durch London, und doch erst 1666 nach Picard durch das östlicher gelegene Paris, so wie etwas vor 1668 durch Lissabon100 ging? Auffallend sind diejenigen Punkte der Erde, in welchen lange Perioden hindurch kein seculares Fortschreiten bemerkt worden ist. Sir John Herschel hat schon auf einen solchen langen Stillstand in Jamaica1 aufmerksam gemacht, wie Euler2 und Barlow3 auf einen ähnlichen im südlichen Australien.

auch hier wieder das große Verdienst gehabt zu sammeln und scharfsinnig zu vergleichen. Es scheint, als bewege sich der nördliche Magnetpol von West nach Ost, der südliche von Ost nach West: aber genaue Beobachtungen lehren, daß die verschiedenen Theile der isogonischen Curven sehr ungleichmäßig fortschreiten und da, wo sie parallel waren, den Parallelismus verlieren; daß die Gebiete der Declination Einer Benennung in nahen Erdtheilen sich nach sehr verschiedenen Richtungen erweitern und verengen. Die Linien ohne Abweichung in West-Asien und im atlantischen Ocean schreiten von Osten nach Westen vor: die erstere derselben durchschnitt gegen 1716 Tobolsk; 1761, zu Chappe's Zeit, Jekatherinenburg, später Kasan; 1729 war sie zwischen Osablikowo und Doskino (unfern Nishnei-Nowgorod): also in 113 Jahren war sie 24°¾ in Westen fortgerückt. Ist die Azoren-Linie, die Christoph Columbus am 13 September 1492 bestimmte, dieselbe, welche nach den Beobachtungen von Davis und Keeling 1607 durch das Vorgebirge der guten Hoffnung gegangen ist99; dieselbe, die wir jetzt als west-atlantische von der Mündung des Amazonenflusses nach dem Littoral von Nord-Carolina gerichtet sehen: so fragt man, was aus der Linie ohne Abweichung geworden sei, welche 1600 durch Königsberg, 1620 (?) durch Kopenhagen, 1657 bis 1662 durch London, und doch erst 1666 nach Picard durch das östlicher gelegene Paris, so wie etwas vor 1668 durch Lissabon100 ging? Auffallend sind diejenigen Punkte der Erde, in welchen lange Perioden hindurch kein seculares Fortschreiten bemerkt worden ist. Sir John Herschel hat schon auf einen solchen langen Stillstand in Jamaica1 aufmerksam gemacht, wie Euler2 und Barlow3 auf einen ähnlichen im südlichen Australien.

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auch hier wieder das große Verdienst gehabt zu sammeln und scharfsinnig zu vergleichen. Es scheint, als bewege sich der nördliche Magnetpol von West nach Ost, der südliche von Ost nach West: aber genaue Beobachtungen lehren, daß die verschiedenen Theile der isogonischen Curven sehr ungleichmäßig fortschreiten und da, wo sie parallel waren, den Parallelismus verlieren; daß die Gebiete der Declination Einer Benennung in nahen Erdtheilen sich nach sehr verschiedenen Richtungen erweitern und verengen. Die <hi rendition="#g">Linien ohne Abweichung</hi> in West-Asien und im atlantischen Ocean schreiten von <hi rendition="#g">Osten</hi> nach <hi rendition="#g">Westen</hi> vor: die erstere derselben durchschnitt gegen 1716 Tobolsk; 1761, zu Chappe's Zeit, Jekatherinenburg, später Kasan; 1729 war sie zwischen Osablikowo und Doskino (unfern Nishnei-Nowgorod): also in 113 Jahren war sie 24°¾ in Westen fortgerückt. Ist die Azoren-Linie, die Christoph Columbus am 13 September 1492 bestimmte, dieselbe, welche nach den Beobachtungen von Davis und Keeling 1607 durch das Vorgebirge der guten Hoffnung gegangen ist<note xml:id="ftn199" next="#ftn199-text" place="end" n="99"/>; dieselbe, die wir jetzt als west-atlantische von der Mündung des Amazonenflusses nach dem Littoral von Nord-Carolina gerichtet sehen: so fragt man, was aus der Linie ohne Abweichung geworden sei, welche 1600 durch Königsberg, 1620 (?) durch Kopenhagen, 1657 bis 1662 durch London, und doch erst 1666 nach Picard durch das östlicher gelegene Paris, so wie etwas vor 1668 durch Lissabon<note xml:id="ftn200" next="#ftn200-text" place="end" n="100"/> ging? Auffallend sind diejenigen Punkte der Erde, in welchen lange Perioden hindurch kein seculares Fortschreiten bemerkt worden ist. Sir John Herschel hat schon auf einen solchen langen Stillstand in Jamaica<note xml:id="ftn201" next="#ftn201-text" place="end" n="1"/> aufmerksam gemacht, wie Euler<note xml:id="ftn202" next="#ftn202-text" place="end" n="2"/> und Barlow<note xml:id="ftn203" next="#ftn203-text" place="end" n="3"/> auf einen ähnlichen im südlichen Australien.</p>
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[141/0146] auch hier wieder das große Verdienst gehabt zu sammeln und scharfsinnig zu vergleichen. Es scheint, als bewege sich der nördliche Magnetpol von West nach Ost, der südliche von Ost nach West: aber genaue Beobachtungen lehren, daß die verschiedenen Theile der isogonischen Curven sehr ungleichmäßig fortschreiten und da, wo sie parallel waren, den Parallelismus verlieren; daß die Gebiete der Declination Einer Benennung in nahen Erdtheilen sich nach sehr verschiedenen Richtungen erweitern und verengen. Die Linien ohne Abweichung in West-Asien und im atlantischen Ocean schreiten von Osten nach Westen vor: die erstere derselben durchschnitt gegen 1716 Tobolsk; 1761, zu Chappe's Zeit, Jekatherinenburg, später Kasan; 1729 war sie zwischen Osablikowo und Doskino (unfern Nishnei-Nowgorod): also in 113 Jahren war sie 24°¾ in Westen fortgerückt. Ist die Azoren-Linie, die Christoph Columbus am 13 September 1492 bestimmte, dieselbe, welche nach den Beobachtungen von Davis und Keeling 1607 durch das Vorgebirge der guten Hoffnung gegangen ist ⁹⁹ ; dieselbe, die wir jetzt als west-atlantische von der Mündung des Amazonenflusses nach dem Littoral von Nord-Carolina gerichtet sehen: so fragt man, was aus der Linie ohne Abweichung geworden sei, welche 1600 durch Königsberg, 1620 (?) durch Kopenhagen, 1657 bis 1662 durch London, und doch erst 1666 nach Picard durch das östlicher gelegene Paris, so wie etwas vor 1668 durch Lissabon ¹⁰⁰ ging? Auffallend sind diejenigen Punkte der Erde, in welchen lange Perioden hindurch kein seculares Fortschreiten bemerkt worden ist. Sir John Herschel hat schon auf einen solchen langen Stillstand in Jamaica ¹ aufmerksam gemacht, wie Euler ² und Barlow ³ auf einen ähnlichen im südlichen Australien.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/146>, abgerufen am 24.11.2024.