Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.Das Sehen der Sterne bei Tage mit bloßem Auge in den Schächten der Bergwerke und auf sehr hohen Gebirgen ist seit früher Jugend ein Gegenstand meiner Nachforschung gewesen. Es war mir nicht unbekannt, daß schon Aristoteles20 behaupte, Sterne werden bisweilen aus Erdgewölben und Cisternen wie durch Röhren gesehen. Auch Plinius erwähnt dieser Sage, und erinnert dabei an die Sterne, die man bei Sonnenfinsternissen deutlichst am Himmelsgewölbe erkenne. Ich habe in Folge meines Berufs als praktischer Bergmann mehrere Jahre lang einen großen Theil des Tages in den Gruben zugebracht und durch tiefe Schächte das Himmelsgewölbe im Zenith betrachtet, aber nie einen Stern gesehen; auch in mexicanischen, peruanischen und sibirischen Bergwerken nie ein Individuum aufgefunden, das vom Sternsehen bei Tage hätte reden hören: obgleich unter so verschiedenen Breitengraden, unter denen ich in beiden Hemisphären unter der Erde war, sich doch Zenithal-Sterne genug hätten vortheilhaft dem Auge darbieten können. Bei diesen ganz negativen Erfahrungen ist mir um so auffallender das sehr glaubwürdige Zeugniß eines berühmten Optikers gewesen, der in früher Jugend Sterne bei hellem Tage durch einen Rauchfang erblickte.21 Erscheinungen, deren Sichtbarkeit von dem zufälligen Zusammentreffen begünstigender Umstände abhängt, müssen nicht darum geläugnet werden, weil sie so selten sind. Dieser Grundsatz findet, glaube ich, seine Anwendung auch auf das von dem immer so gründlichen Saussure behauptete Sehen der Sterne mit bloßen Augen bei hellem Tage am Abfall des Montblanc, auf der Höhe von 11970 Fuß. "Quelques-uns des guides m'ont assure", Das Sehen der Sterne bei Tage mit bloßem Auge in den Schächten der Bergwerke und auf sehr hohen Gebirgen ist seit früher Jugend ein Gegenstand meiner Nachforschung gewesen. Es war mir nicht unbekannt, daß schon Aristoteles20 behaupte, Sterne werden bisweilen aus Erdgewölben und Cisternen wie durch Röhren gesehen. Auch Plinius erwähnt dieser Sage, und erinnert dabei an die Sterne, die man bei Sonnenfinsternissen deutlichst am Himmelsgewölbe erkenne. Ich habe in Folge meines Berufs als praktischer Bergmann mehrere Jahre lang einen großen Theil des Tages in den Gruben zugebracht und durch tiefe Schächte das Himmelsgewölbe im Zenith betrachtet, aber nie einen Stern gesehen; auch in mexicanischen, peruanischen und sibirischen Bergwerken nie ein Individuum aufgefunden, das vom Sternsehen bei Tage hätte reden hören: obgleich unter so verschiedenen Breitengraden, unter denen ich in beiden Hemisphären unter der Erde war, sich doch Zenithal-Sterne genug hätten vortheilhaft dem Auge darbieten können. Bei diesen ganz negativen Erfahrungen ist mir um so auffallender das sehr glaubwürdige Zeugniß eines berühmten Optikers gewesen, der in früher Jugend Sterne bei hellem Tage durch einen Rauchfang erblickte.21 Erscheinungen, deren Sichtbarkeit von dem zufälligen Zusammentreffen begünstigender Umstände abhängt, müssen nicht darum geläugnet werden, weil sie so selten sind. Dieser Grundsatz findet, glaube ich, seine Anwendung auch auf das von dem immer so gründlichen Saussure behauptete Sehen der Sterne mit bloßen Augen bei hellem Tage am Abfall des Montblanc, auf der Höhe von 11970 Fuß. »Quelques-uns des guides m'ont assuré«, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0076" n="71"/> <p>Das Sehen der Sterne <hi rendition="#g">bei Tage</hi> mit bloßem Auge in den Schächten der <hi rendition="#g">Bergwerke</hi> und auf sehr <hi rendition="#g">hohen Gebirgen</hi> ist seit früher Jugend ein Gegenstand meiner Nachforschung gewesen. Es war mir nicht unbekannt, daß schon Aristoteles<note xml:id="ftn109" next="#ftn109-text" place="end" n="20"/> behaupte, Sterne werden bisweilen aus Erdgewölben und Cisternen wie durch Röhren gesehen. Auch Plinius erwähnt dieser Sage, und erinnert dabei an die Sterne, die man bei Sonnenfinsternissen deutlichst am Himmelsgewölbe erkenne. Ich habe in Folge meines Berufs als praktischer Bergmann mehrere Jahre lang einen großen Theil des Tages in den Gruben zugebracht und durch tiefe Schächte das Himmelsgewölbe im Zenith betrachtet, aber nie einen Stern gesehen; auch in mexicanischen, peruanischen und sibirischen Bergwerken nie ein Individuum aufgefunden, das vom Sternsehen bei Tage hätte reden hören: obgleich unter so verschiedenen Breitengraden, unter denen ich in beiden Hemisphären unter der Erde war, sich doch Zenithal-Sterne genug hätten vortheilhaft dem Auge darbieten können. Bei diesen ganz negativen Erfahrungen ist mir um so auffallender das sehr glaubwürdige Zeugniß eines berühmten Optikers gewesen, der in früher Jugend Sterne bei hellem Tage durch einen Rauchfang erblickte.<note xml:id="ftn110" next="#ftn110-text" place="end" n="21"/> Erscheinungen, deren Sichtbarkeit von dem zufälligen Zusammentreffen begünstigender Umstände abhängt, müssen nicht darum geläugnet werden, weil sie so selten sind.</p> <p>Dieser Grundsatz findet, glaube ich, seine Anwendung auch auf das von dem immer so gründlichen Saussure behauptete Sehen der Sterne mit bloßen Augen bei hellem Tage am Abfall des Montblanc, auf der Höhe von 11970 Fuß. »Quelques-uns des guides m'ont assuré«, </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0076]
Das Sehen der Sterne bei Tage mit bloßem Auge in den Schächten der Bergwerke und auf sehr hohen Gebirgen ist seit früher Jugend ein Gegenstand meiner Nachforschung gewesen. Es war mir nicht unbekannt, daß schon Aristoteles
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behaupte, Sterne werden bisweilen aus Erdgewölben und Cisternen wie durch Röhren gesehen. Auch Plinius erwähnt dieser Sage, und erinnert dabei an die Sterne, die man bei Sonnenfinsternissen deutlichst am Himmelsgewölbe erkenne. Ich habe in Folge meines Berufs als praktischer Bergmann mehrere Jahre lang einen großen Theil des Tages in den Gruben zugebracht und durch tiefe Schächte das Himmelsgewölbe im Zenith betrachtet, aber nie einen Stern gesehen; auch in mexicanischen, peruanischen und sibirischen Bergwerken nie ein Individuum aufgefunden, das vom Sternsehen bei Tage hätte reden hören: obgleich unter so verschiedenen Breitengraden, unter denen ich in beiden Hemisphären unter der Erde war, sich doch Zenithal-Sterne genug hätten vortheilhaft dem Auge darbieten können. Bei diesen ganz negativen Erfahrungen ist mir um so auffallender das sehr glaubwürdige Zeugniß eines berühmten Optikers gewesen, der in früher Jugend Sterne bei hellem Tage durch einen Rauchfang erblickte.
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Erscheinungen, deren Sichtbarkeit von dem zufälligen Zusammentreffen begünstigender Umstände abhängt, müssen nicht darum geläugnet werden, weil sie so selten sind.
Dieser Grundsatz findet, glaube ich, seine Anwendung auch auf das von dem immer so gründlichen Saussure behauptete Sehen der Sterne mit bloßen Augen bei hellem Tage am Abfall des Montblanc, auf der Höhe von 11970 Fuß. »Quelques-uns des guides m'ont assuré«,
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