Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite
der Astrologen, wie bei den Pythagoreern, und eigentlich bei allen alten Schulen, gab es Spaltung der Meinungen. Seneca (Nat. Quaest. VII, 3) führt die einander entgegengesetzten Zeugnisse des Apollonius Myndius und des Epigenes an. Der Letztere gehört zu den selten Genannten; doch bezeichnet ihn Plinius (VII, 57) als "gravis auctor in primis", wie auch ohne Lob Censorinus de die natali cap. 17, und Stob. Ecl. phys. I, 29 p. 586 ed. Heeren (vergl. Lobeck, Aglaoph. p. 341). Diodor (XV, 50) glaubt, daß die allgemeine und herrschende Ansicht bei den babylonischen Astrologen (den Chaldäern) die war: daß die Cometen zu festbestimmten Zeiten in ihren sicheren Bahnen wiederkehren. Der Zwiespalt, welcher unter den Pythagoreern über die planetarische Natur der Cometen herrschte, und welchen Aristoteles (Meteorol. lib. I cap. 6,1) und Pseudo-Plutarch (de plac. Philos. lib. III cap. 2) andeuten, dehnte sich nach dem Ersteren (Meteor. I. 8,2) auch auf die Natur der Milchstraße, den verlassenen Weg der Sonne oder des gestürzten Phaethon, aus (vergl. Letronne in den Mem. de l'Acad. des Inscriptions 1839 T. XII. p. 108). Von einigen der Pythagoreer wird die Meinung bei Aristoteles angeführt: "daß die Cometen zur Zahl solcher Planeten gehören, die erst nach langer Zeit, wie Merkur, sichtbar werden können, über den Horizont in ihrem Laufe aufsteigend". Bei dem so fragmentarischen Pseudo-Plutarch heißt es: daß sie "zu fest bestimmten Zeiten nach vollbrachtem Umlaufe aufgehen". Vieles in abgesonderten Schriften über die Natur der Cometen enthaltene ist uns verloren gegangen: von Arrian, den Stobäus benutzen konnte; von Charimander, dessen bloßer Name sich nur bei Seneca und Pappus erhalten hat. Stobäus führt als Meinung der Chaldäer an (Eclog. lib. I cap. 25 p. 61, Christ. Plantinus): daß die Cometen eben deshalb so selten uns sichtbar bleiben, weil sie in ihrem langen Laufe sich fern von uns in die Tiefen des Aethers (des Weltraums) verbergen, wie die Fische in den Tiefen des Oceans. Das Anmuthigste und, trotz der rhetorischen Färbung, das Gründlichste und mit den jetzigen Meinungen Uebereinstimmendste gehört im Alterthum dem Seneca zu. Wir lesen Nat. Quaest. lib. VII cap. 22, 25 und 31: "Non enim existimo Cometem subitaneum ignem, sed inter aeterna opera naturae. -- Quid enim miramur, cometas, tam rarum mundi spectaculum,
der Astrologen, wie bei den Pythagoreern, und eigentlich bei allen alten Schulen, gab es Spaltung der Meinungen. Seneca (Nat. Quaest. VII, 3) führt die einander entgegengesetzten Zeugnisse des Apollonius Myndius und des Epigenes an. Der Letztere gehört zu den selten Genannten; doch bezeichnet ihn Plinius (VII, 57) als »gravis auctor in primis«, wie auch ohne Lob Censorinus de die natali cap. 17, und Stob. Ecl. phys. I, 29 p. 586 ed. Heeren (vergl. Lobeck, Aglaoph. p. 341). Diodor (XV, 50) glaubt, daß die allgemeine und herrschende Ansicht bei den babylonischen Astrologen (den Chaldäern) die war: daß die Cometen zu festbestimmten Zeiten in ihren sicheren Bahnen wiederkehren. Der Zwiespalt, welcher unter den Pythagoreern über die planetarische Natur der Cometen herrschte, und welchen Aristoteles (Meteorol. lib. I cap. 6,1) und Pseudo-Plutarch (de plac. Philos. lib. III cap. 2) andeuten, dehnte sich nach dem Ersteren (Meteor. I. 8,2) auch auf die Natur der Milchstraße, den verlassenen Weg der Sonne oder des gestürzten Phaethon, aus (vergl. Letronne in den Mém. de l'Acad. des Inscriptions 1839 T. XII. p. 108). Von einigen der Pythagoreer wird die Meinung bei Aristoteles angeführt: „daß die Cometen zur Zahl solcher Planeten gehören, die erst nach langer Zeit, wie Merkur, sichtbar werden können, über den Horizont in ihrem Laufe aufsteigend“. Bei dem so fragmentarischen Pseudo-Plutarch heißt es: daß sie „zu fest bestimmten Zeiten nach vollbrachtem Umlaufe aufgehen“. Vieles in abgesonderten Schriften über die Natur der Cometen enthaltene ist uns verloren gegangen: von Arrian, den Stobäus benutzen konnte; von Charimander, dessen bloßer Name sich nur bei Seneca und Pappus erhalten hat. Stobäus führt als Meinung der Chaldäer an (Eclog. lib. I cap. 25 p. 61, Christ. Plantinus): daß die Cometen eben deshalb so selten uns sichtbar bleiben, weil sie in ihrem langen Laufe sich fern von uns in die Tiefen des Aethers (des Weltraums) verbergen, wie die Fische in den Tiefen des Oceans. Das Anmuthigste und, trotz der rhetorischen Färbung, das Gründlichste und mit den jetzigen Meinungen Uebereinstimmendste gehört im Alterthum dem Seneca zu. Wir lesen Nat. Quaest. lib. VII cap. 22, 25 und 31: »Non enim existimo Cometem subitaneum ignem, sed inter aeterna opera naturae. — Quid enim miramur, cometas, tam rarum mundi spectaculum,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <note xml:id="ftn678-text" prev="ftn678" place="end" n="34"><pb facs="#f0592" n="585"/>
der Astrologen, wie bei den Pythagoreern, und eigentlich bei allen alten Schulen, gab es Spaltung der Meinungen. <hi rendition="#g">Seneca (Nat. Quaest.</hi> VII, 3) führt die einander entgegengesetzten Zeugnisse des Apollonius Myndius und des Epigenes an. Der Letztere gehört zu den selten Genannten; doch bezeichnet ihn <hi rendition="#g">Plinius</hi> (VII, 57) als »gravis auctor in primis«, wie auch ohne Lob <hi rendition="#g">Censorinus de die natali</hi> cap. 17, und <hi rendition="#g">Stob. Ecl. phys.</hi> I, 29 p. 586 ed. Heeren (vergl. <hi rendition="#g">Lobeck, Aglaoph.</hi> p. 341). <hi rendition="#g">Diodor</hi> (XV, 50) glaubt, daß die allgemeine und herrschende Ansicht bei den babylonischen Astrologen (den Chaldäern) die war: daß die Cometen zu festbestimmten Zeiten in ihren <hi rendition="#g">sicheren</hi> Bahnen wiederkehren. Der Zwiespalt, welcher unter den Pythagoreern über die planetarische Natur der Cometen herrschte, und welchen <hi rendition="#g">Aristoteles (Meteorol.</hi> lib. I cap. 6,1) und <hi rendition="#g">Pseudo-Plutarch (de plac. Philos.</hi> lib. III cap. 2) andeuten, dehnte sich nach dem Ersteren <hi rendition="#g">(Meteor.</hi> I. 8,2) auch auf die Natur der <hi rendition="#g">Milchstraße,</hi> den verlassenen Weg der Sonne oder des gestürzten Phaethon, aus (vergl. <hi rendition="#g">Letronne</hi> in den <hi rendition="#g">Mém. de l'Acad. des Inscriptions</hi> 1839 T. XII. p. 108). Von <hi rendition="#g">einigen</hi> der Pythagoreer wird die Meinung bei Aristoteles angeführt: &#x201E;daß die Cometen zur Zahl solcher Planeten gehören, die erst nach langer Zeit, wie Merkur, sichtbar werden können, über den Horizont in ihrem Laufe aufsteigend&#x201C;. Bei dem so fragmentarischen Pseudo-Plutarch heißt es: daß sie &#x201E;zu fest bestimmten Zeiten nach vollbrachtem Umlaufe aufgehen&#x201C;. Vieles in abgesonderten Schriften über die Natur der Cometen enthaltene ist uns verloren gegangen: von Arrian, den Stobäus benutzen konnte; von Charimander, dessen bloßer Name sich nur bei Seneca und Pappus erhalten hat. Stobäus führt als Meinung der Chaldäer an <hi rendition="#g">(Eclog.</hi> lib. I cap. 25 p. 61, Christ. Plantinus): daß die Cometen eben deshalb so selten uns sichtbar bleiben, weil sie in ihrem langen Laufe sich fern von uns in die <hi rendition="#g">Tiefen</hi> des Aethers (des Weltraums) verbergen, wie die Fische in den Tiefen des Oceans. Das Anmuthigste und, trotz der rhetorischen Färbung, das Gründlichste und mit den jetzigen Meinungen Uebereinstimmendste gehört im Alterthum dem <hi rendition="#g">Seneca</hi> zu. Wir lesen <hi rendition="#g">Nat. Quaest.</hi> lib. VII cap. 22, 25 und 31: »Non enim existimo Cometem subitaneum ignem, sed inter aeterna opera naturae. &#x2014; Quid enim miramur, cometas, tam rarum mundi spectaculum,
</note>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[585/0592] ³⁴ der Astrologen, wie bei den Pythagoreern, und eigentlich bei allen alten Schulen, gab es Spaltung der Meinungen. Seneca (Nat. Quaest. VII, 3) führt die einander entgegengesetzten Zeugnisse des Apollonius Myndius und des Epigenes an. Der Letztere gehört zu den selten Genannten; doch bezeichnet ihn Plinius (VII, 57) als »gravis auctor in primis«, wie auch ohne Lob Censorinus de die natali cap. 17, und Stob. Ecl. phys. I, 29 p. 586 ed. Heeren (vergl. Lobeck, Aglaoph. p. 341). Diodor (XV, 50) glaubt, daß die allgemeine und herrschende Ansicht bei den babylonischen Astrologen (den Chaldäern) die war: daß die Cometen zu festbestimmten Zeiten in ihren sicheren Bahnen wiederkehren. Der Zwiespalt, welcher unter den Pythagoreern über die planetarische Natur der Cometen herrschte, und welchen Aristoteles (Meteorol. lib. I cap. 6,1) und Pseudo-Plutarch (de plac. Philos. lib. III cap. 2) andeuten, dehnte sich nach dem Ersteren (Meteor. I. 8,2) auch auf die Natur der Milchstraße, den verlassenen Weg der Sonne oder des gestürzten Phaethon, aus (vergl. Letronne in den Mém. de l'Acad. des Inscriptions 1839 T. XII. p. 108). Von einigen der Pythagoreer wird die Meinung bei Aristoteles angeführt: „daß die Cometen zur Zahl solcher Planeten gehören, die erst nach langer Zeit, wie Merkur, sichtbar werden können, über den Horizont in ihrem Laufe aufsteigend“. Bei dem so fragmentarischen Pseudo-Plutarch heißt es: daß sie „zu fest bestimmten Zeiten nach vollbrachtem Umlaufe aufgehen“. Vieles in abgesonderten Schriften über die Natur der Cometen enthaltene ist uns verloren gegangen: von Arrian, den Stobäus benutzen konnte; von Charimander, dessen bloßer Name sich nur bei Seneca und Pappus erhalten hat. Stobäus führt als Meinung der Chaldäer an (Eclog. lib. I cap. 25 p. 61, Christ. Plantinus): daß die Cometen eben deshalb so selten uns sichtbar bleiben, weil sie in ihrem langen Laufe sich fern von uns in die Tiefen des Aethers (des Weltraums) verbergen, wie die Fische in den Tiefen des Oceans. Das Anmuthigste und, trotz der rhetorischen Färbung, das Gründlichste und mit den jetzigen Meinungen Uebereinstimmendste gehört im Alterthum dem Seneca zu. Wir lesen Nat. Quaest. lib. VII cap. 22, 25 und 31: »Non enim existimo Cometem subitaneum ignem, sed inter aeterna opera naturae. — Quid enim miramur, cometas, tam rarum mundi spectaculum,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/592
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/592>, abgerufen am 19.07.2024.