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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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der vier Elemente. Wotan und die anderen Heerführer waren unstreitig aus dem Stamme der im siebenten Jahrhunderte einbrechenden Tolteken. Ixtlilxochitl (sein christlicher Name war Fernando de Alva), der erste Geschichtsschreiber seines (des aztekischen) Volkes, sagt bestimmt in den Handschriften, die er schon im Anfange des 16ten Jahrhunderts anfertigte, daß die Provinz Teochiapan und ganz Guatemala von einer Küste zur anderen von Tolteken bevölkert wurden; ja im Anfang der spanischen Eroberung lebte noch im Dorfe Teopixca eine Familie, welche sich rühmte von Wotan abzustammen. Der Bischof von Chiapa, Francisco Nundez de la Vega, der in Guatemala einem Provincial-Concilium vorstand, hat in seinem Preambulo de las Constituciones diocesanas viel über die amerikanische Wotans-Sage gesammelt. Ob die Sage von dem ersten scandinavischen Odin (Odinn, Othinus) oder Wuotan, welcher von den Ufern des Don eingewandert sein soll, eine historische Grundlage habe, ist ebenfalls noch sehr unentschieden (Jacob Grimm, Deutsche Mythologie Bd. I. S. 120-150). Die Identität des amerikanischen und scandinavischen Wotan, freilich nicht auf bloße Klangähnlichkeit gegründet, ist noch eben so zweifelhaft als die Identität von Wuotan (Odinn) und Buddha oder die der Namen des indischen Religionsstifters und des Planeten Budha. Die Existenz einer siebentägigen peruanischen Woche, welche so oft als eine semitische Aehnlichkeit der Zeiteintheilung in beiden Continenten angeführt wird, beruht, wie schon der Pater Acosta (Hist. natural y moral de las Indias 1591 lib. VI cap. 3), der bald nach der spanischen Eroberung Peru besuchte, bewiesen hat, auf einem bloßen Irrthum; und der Inca Garcilaso de la Vega berichtigt selbst seine frühere Angabe (Parte I. lib. II cap. 35), indem er deutlich sagt: daß in jedem der Monate, die nach dem Monde gerechnet wurden, 3 Festtage waren, und daß das Volk 8 Tage arbeiten solle, um am 9ten auszuruhen (P. I. lib. VI cap. 23). Die sogenannten peruanischen Wochen waren also von 9 Tagen. (S. meine Vues des Cordilleres T. I. p. 341-343.)
15 (S. 425.) Böckh über Philolaos S. 102 und 117.
16 (S. 426.) In der Geschichte der Entdeckungen muß man die Epoche, in der eine Entdeckung gemacht wurde, von der ersten
der vier Elemente. Wotan und die anderen Heerführer waren unstreitig aus dem Stamme der im siebenten Jahrhunderte einbrechenden Tolteken. Ixtlilxochitl (sein christlicher Name war Fernando de Alva), der erste Geschichtsschreiber seines (des aztekischen) Volkes, sagt bestimmt in den Handschriften, die er schon im Anfange des 16ten Jahrhunderts anfertigte, daß die Provinz Teochiapan und ganz Guatemala von einer Küste zur anderen von Tolteken bevölkert wurden; ja im Anfang der spanischen Eroberung lebte noch im Dorfe Teopixca eine Familie, welche sich rühmte von Wotan abzustammen. Der Bischof von Chiapa, Francisco Nuñez de la Vega, der in Guatemala einem Provincial-Concilium vorstand, hat in seinem Preambulo de las Constituciones diocesanas viel über die amerikanische Wotans-Sage gesammelt. Ob die Sage von dem ersten scandinavischen Odin (Odinn, Othinus) oder Wuotan, welcher von den Ufern des Don eingewandert sein soll, eine historische Grundlage habe, ist ebenfalls noch sehr unentschieden (Jacob Grimm, Deutsche Mythologie Bd. I. S. 120–150). Die Identität des amerikanischen und scandinavischen Wotan, freilich nicht auf bloße Klangähnlichkeit gegründet, ist noch eben so zweifelhaft als die Identität von Wuotan (Odinn) und Buddha oder die der Namen des indischen Religionsstifters und des Planeten Budha. Die Existenz einer siebentägigen peruanischen Woche, welche so oft als eine semitische Aehnlichkeit der Zeiteintheilung in beiden Continenten angeführt wird, beruht, wie schon der Pater Acosta (Hist. natural y moral de las Indias 1591 lib. VI cap. 3), der bald nach der spanischen Eroberung Peru besuchte, bewiesen hat, auf einem bloßen Irrthum; und der Inca Garcilaso de la Vega berichtigt selbst seine frühere Angabe (Parte I. lib. II cap. 35), indem er deutlich sagt: daß in jedem der Monate, die nach dem Monde gerechnet wurden, 3 Festtage waren, und daß das Volk 8 Tage arbeiten solle, um am 9ten auszuruhen (P. I. lib. VI cap. 23). Die sogenannten peruanischen Wochen waren also von 9 Tagen. (S. meine Vues des Cordillères T. I. p. 341–343.)
15 (S. 425.) Böckh über Philolaos S. 102 und 117.
16 (S. 426.) In der Geschichte der Entdeckungen muß man die Epoche, in der eine Entdeckung gemacht wurde, von der ersten
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der vier Elemente. Wotan und die anderen Heerführer waren unstreitig aus dem Stamme der im siebenten Jahrhunderte einbrechenden Tolteken. Ixtlilxochitl (sein christlicher Name war Fernando de Alva), der erste Geschichtsschreiber seines (des aztekischen) Volkes, sagt bestimmt in den Handschriften, die er schon im Anfange des 16ten Jahrhunderts anfertigte, daß die Provinz Teochiapan und ganz Guatemala von einer Küste zur anderen von Tolteken bevölkert wurden; ja im Anfang der spanischen Eroberung lebte noch im Dorfe Teopixca eine Familie, welche sich rühmte von Wotan abzustammen. Der Bischof von Chiapa, Francisco Nuñez de la Vega, der in Guatemala einem Provincial-Concilium vorstand, hat in seinem <hi rendition="#g">Preambulo de las Constituciones diocesanas</hi> viel über die amerikanische Wotans-Sage gesammelt. Ob die Sage von dem ersten scandinavischen Odin (Odinn, Othinus) oder Wuotan, welcher von den Ufern des Don eingewandert sein soll, eine historische Grundlage habe, ist ebenfalls noch sehr unentschieden (Jacob <hi rendition="#g">Grimm, Deutsche Mythologie</hi> Bd. I. S. 120&#x2013;150). Die Identität des amerikanischen und scandinavischen Wotan, freilich nicht auf bloße Klangähnlichkeit gegründet, ist noch eben so zweifelhaft als die Identität von Wuotan (Odinn) und Buddha oder die der Namen des indischen Religionsstifters und des Planeten Budha.             Die Existenz einer siebentägigen peruanischen Woche, welche so oft als eine semitische Aehnlichkeit der Zeiteintheilung in beiden Continenten angeführt wird, beruht, wie schon der Pater <hi rendition="#g">Acosta (Hist. natural y moral de las Indias</hi> 1591 lib. VI cap. 3), der bald nach der spanischen Eroberung Peru besuchte, bewiesen hat, auf einem bloßen Irrthum; und der Inca <hi rendition="#g">Garcilaso de la Vega</hi> berichtigt selbst seine frühere Angabe (Parte I. lib. II cap. 35), indem er deutlich sagt: daß in jedem der Monate, die nach dem Monde gerechnet wurden, 3 Festtage waren, und daß das Volk 8 Tage arbeiten solle, um am 9ten auszuruhen (P. I. lib. VI cap. 23). Die sogenannten peruanischen Wochen waren also von 9 Tagen. (S. meine <hi rendition="#g">Vues des Cordillères</hi> T. I. p. 341&#x2013;343.)          </note>
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[476/0481] ¹⁴ der vier Elemente. Wotan und die anderen Heerführer waren unstreitig aus dem Stamme der im siebenten Jahrhunderte einbrechenden Tolteken. Ixtlilxochitl (sein christlicher Name war Fernando de Alva), der erste Geschichtsschreiber seines (des aztekischen) Volkes, sagt bestimmt in den Handschriften, die er schon im Anfange des 16ten Jahrhunderts anfertigte, daß die Provinz Teochiapan und ganz Guatemala von einer Küste zur anderen von Tolteken bevölkert wurden; ja im Anfang der spanischen Eroberung lebte noch im Dorfe Teopixca eine Familie, welche sich rühmte von Wotan abzustammen. Der Bischof von Chiapa, Francisco Nuñez de la Vega, der in Guatemala einem Provincial-Concilium vorstand, hat in seinem Preambulo de las Constituciones diocesanas viel über die amerikanische Wotans-Sage gesammelt. Ob die Sage von dem ersten scandinavischen Odin (Odinn, Othinus) oder Wuotan, welcher von den Ufern des Don eingewandert sein soll, eine historische Grundlage habe, ist ebenfalls noch sehr unentschieden (Jacob Grimm, Deutsche Mythologie Bd. I. S. 120–150). Die Identität des amerikanischen und scandinavischen Wotan, freilich nicht auf bloße Klangähnlichkeit gegründet, ist noch eben so zweifelhaft als die Identität von Wuotan (Odinn) und Buddha oder die der Namen des indischen Religionsstifters und des Planeten Budha. Die Existenz einer siebentägigen peruanischen Woche, welche so oft als eine semitische Aehnlichkeit der Zeiteintheilung in beiden Continenten angeführt wird, beruht, wie schon der Pater Acosta (Hist. natural y moral de las Indias 1591 lib. VI cap. 3), der bald nach der spanischen Eroberung Peru besuchte, bewiesen hat, auf einem bloßen Irrthum; und der Inca Garcilaso de la Vega berichtigt selbst seine frühere Angabe (Parte I. lib. II cap. 35), indem er deutlich sagt: daß in jedem der Monate, die nach dem Monde gerechnet wurden, 3 Festtage waren, und daß das Volk 8 Tage arbeiten solle, um am 9ten auszuruhen (P. I. lib. VI cap. 23). Die sogenannten peruanischen Wochen waren also von 9 Tagen. (S. meine Vues des Cordillères T. I. p. 341–343.) ¹⁵ (S. 425.) Böckh über Philolaos S. 102 und 117. ¹⁶ (S. 426.) In der Geschichte der Entdeckungen muß man die Epoche, in der eine Entdeckung gemacht wurde, von der ersten

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/481>, abgerufen am 23.11.2024.