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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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des Cheops-Chufu, und 940 Jahre vor der gewöhnlichen Angabe der Sündfluth, gesetzt (vergl. Kosmos Bd. II. S. 402). In der Berechnung über den Umstand, daß die von Oberst Vyse gemessene Inclination des unterirdischen, in das Innere der Pyramide führenden engen Ganges sehr nahe dem Winkel von 26° 15' entspricht, welchen zu den Zeiten des Cheops (Chufu) der den Pol bezeichnende Stern a des Drachen in der unteren Culmination zu Gizeh erreichte, ist die Epoche des Pyramidenbaues nicht, wie nach Lepsius im Kosmos, zu 3430, sondern (Outlines of Astr. § 319) zu 3970 vor Chr. angenommen. Dieser Unterschied von 540 Jahren widerstreitet um so weniger der Annahme, daß a Drac. für den Polarstern galt, als derselbe im Jahr 3970 noch 3° 44' vom Pole abstand.
52 (S. 171.) Aus freundschaftlichen Briefen des Prof. Lepsius (Februar 1850) habe ich folgendes geschöpft: "Der ägyptische Name des Sirius ist Sothis, als ein weibliches Gestirn bezeichnet; daher griechisch e Sothis identificirt mit der Göttinn Sote (hieroglyphisch öfters Sit) und im Tempel des großen Ramses in Theben mit Isis-Sothis (Lepsius, Chronol. der Aegypter Bd. I. S. 119 und 136). Die Bedeutung der Wurzel findet sich im Koptischen, und zwar mit einer zahlreichen Wortfamilie verwandt, deren Glieder scheinbar weit aus einander gehen, sich aber folgendermaßen ordnen lassen. Durch dreifache Uebertragung der Verbal-Bedeutung erhält man aus der Urbedeutung auswerfen, projicere (sagittam, telum): erst säen, seminare; dann extendere, ausdehnen, ausbreiten (gesponnene Fäden); endlich, was hier am wichtigsten ist, Licht ausstrahlen und glänzen (von Sternen und Feuer). Auf diese Reihe der Begriffe lassen sich die Namen der Gottheiten Satis (die Schützinn), Sothis (die Strahlende) und Seth (der Feurige) zurückführen. Hieroglyphisch lassen sich nachweisen: sit oder seti, der Pfeil wie auch der Strahl; seta, spinnen; setu, ausgestreute Körner. Sothis ist vorzugsweise das hellstrahlende, die Jahreszeiten und Zeitperioden regelnde Gestirn. Der kleine, immer gelb dargestellte Triangel, der ein symbolisches Zeichen der Sothis ist, wird, vielfach wiederholt und an einander gereihet (in dreifachen Reihen, von der Sonnenscheibe abwärts ausgehend), zur Bezeichnung der strahlenden Sonne benutzt! Seth ist der Feuergott, der sengende; im Gegensatz der wärmenden,
des Cheops-Chufu, und 940 Jahre vor der gewöhnlichen Angabe der Sündfluth, gesetzt (vergl. Kosmos Bd. II. S. 402). In der Berechnung über den Umstand, daß die von Oberst Vyse gemessene Inclination des unterirdischen, in das Innere der Pyramide führenden engen Ganges sehr nahe dem Winkel von 26° 15′ entspricht, welchen zu den Zeiten des Cheops (Chufu) der den Pol bezeichnende Stern a des Drachen in der unteren Culmination zu Gizeh erreichte, ist die Epoche des Pyramidenbaues nicht, wie nach Lepsius im Kosmos, zu 3430, sondern (Outlines of Astr. § 319) zu 3970 vor Chr. angenommen. Dieser Unterschied von 540 Jahren widerstreitet um so weniger der Annahme, daß a Drac. für den Polarstern galt, als derselbe im Jahr 3970 noch 3° 44′ vom Pole abstand.
52 (S. 171.) Aus freundschaftlichen Briefen des Prof. Lepsius (Februar 1850) habe ich folgendes geschöpft: „Der ägyptische Name des Sirius ist Sothis, als ein weibliches Gestirn bezeichnet; daher griechisch ἡ Σῶθις identificirt mit der Göttinn Sote (hieroglyphisch öfters Sit) und im Tempel des großen Ramses in Theben mit Isis-Sothis (Lepsius, Chronol. der Aegypter Bd. I. S. 119 und 136). Die Bedeutung der Wurzel findet sich im Koptischen, und zwar mit einer zahlreichen Wortfamilie verwandt, deren Glieder scheinbar weit aus einander gehen, sich aber folgendermaßen ordnen lassen. Durch dreifache Uebertragung der Verbal-Bedeutung erhält man aus der Urbedeutung auswerfen, projicere (sagittam, telum): erst säen, seminare; dann extendere, ausdehnen, ausbreiten (gesponnene Fäden); endlich, was hier am wichtigsten ist, Licht ausstrahlen und glänzen (von Sternen und Feuer). Auf diese Reihe der Begriffe lassen sich die Namen der Gottheiten Satis (die Schützinn), Sothis (die Strahlende) und Seth (der Feurige) zurückführen. Hieroglyphisch lassen sich nachweisen: sit oder seti, der Pfeil wie auch der Strahl; seta, spinnen; setu, ausgestreute Körner. Sothis ist vorzugsweise das hellstrahlende, die Jahreszeiten und Zeitperioden regelnde Gestirn. Der kleine, immer gelb dargestellte Triangel, der ein symbolisches Zeichen der Sothis ist, wird, vielfach wiederholt und an einander gereihet (in dreifachen Reihen, von der Sonnenscheibe abwärts ausgehend), zur Bezeichnung der strahlenden Sonne benutzt! Seth ist der Feuergott, der sengende; im Gegensatz der wärmenden,
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[206/0211] ⁵¹ des Cheops-Chufu, und 940 Jahre vor der gewöhnlichen Angabe der Sündfluth, gesetzt (vergl. Kosmos Bd. II. S. 402). In der Berechnung über den Umstand, daß die von Oberst Vyse gemessene Inclination des unterirdischen, in das Innere der Pyramide führenden engen Ganges sehr nahe dem Winkel von 26° 15′ entspricht, welchen zu den Zeiten des Cheops (Chufu) der den Pol bezeichnende Stern a des Drachen in der unteren Culmination zu Gizeh erreichte, ist die Epoche des Pyramidenbaues nicht, wie nach Lepsius im Kosmos, zu 3430, sondern (Outlines of Astr. § 319) zu 3970 vor Chr. angenommen. Dieser Unterschied von 540 Jahren widerstreitet um so weniger der Annahme, daß a Drac. für den Polarstern galt, als derselbe im Jahr 3970 noch 3° 44′ vom Pole abstand. ⁵² (S. 171.) Aus freundschaftlichen Briefen des Prof. Lepsius (Februar 1850) habe ich folgendes geschöpft: „Der ägyptische Name des Sirius ist Sothis, als ein weibliches Gestirn bezeichnet; daher griechisch ἡ Σῶθις identificirt mit der Göttinn Sote (hieroglyphisch öfters Sit) und im Tempel des großen Ramses in Theben mit Isis-Sothis (Lepsius, Chronol. der Aegypter Bd. I. S. 119 und 136). Die Bedeutung der Wurzel findet sich im Koptischen, und zwar mit einer zahlreichen Wortfamilie verwandt, deren Glieder scheinbar weit aus einander gehen, sich aber folgendermaßen ordnen lassen. Durch dreifache Uebertragung der Verbal-Bedeutung erhält man aus der Urbedeutung auswerfen, projicere (sagittam, telum): erst säen, seminare; dann extendere, ausdehnen, ausbreiten (gesponnene Fäden); endlich, was hier am wichtigsten ist, Licht ausstrahlen und glänzen (von Sternen und Feuer). Auf diese Reihe der Begriffe lassen sich die Namen der Gottheiten Satis (die Schützinn), Sothis (die Strahlende) und Seth (der Feurige) zurückführen. Hieroglyphisch lassen sich nachweisen: sit oder seti, der Pfeil wie auch der Strahl; seta, spinnen; setu, ausgestreute Körner. Sothis ist vorzugsweise das hellstrahlende, die Jahreszeiten und Zeitperioden regelnde Gestirn. Der kleine, immer gelb dargestellte Triangel, der ein symbolisches Zeichen der Sothis ist, wird, vielfach wiederholt und an einander gereihet (in dreifachen Reihen, von der Sonnenscheibe abwärts ausgehend), zur Bezeichnung der strahlenden Sonne benutzt! Seth ist der Feuergott, der sengende; im Gegensatz der wärmenden,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/211>, abgerufen am 28.11.2024.