Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

dargestellt;22 sie dienten lange zum Repräsentanten der ganzen Tropen-Vegetation, wie Pinus pinea nach einem noch sehr verbreiteten Glauben die Vegetation Italiens ausschließlich charakterisiren soll. Die Umrisse hoher Gebirgsketten wurden wenig studirt; ja Schneegipfel, welche sich über grüne Alpenwiesen erheben, wurden damals noch von Naturforschern und Landschaftmalern für unerreichbar gehalten. Die Physiognomik der Felsmassen reizte fast nur da zu einer genaueren Nachbildung an, wo der Gießbach sich schäumend und furchend eine Bahn gebrochen hat. Auch hier ist wieder die Vielseitigkeit eines freien, sich in die ganze Natur versenkenden künstlerischen Geistes zu bezeichnen. Ein Geschichtsmaler, derselbe Rubens, der in seinen großen Jagdstücken das wilde Treiben der Waldthiere mit unnachahmlicher Lebendigkeit geschildert hat, faßte beinahe gleichzeitig die Gestaltung des Erdreichs in der dürren, gänzlich öden, felsigen Hochebene des Escorials mit seltenem Glücke landschaftlich auf.23

Die Darstellung individueller Naturformen, den Theil der Kunst berührend, welcher der eigentliche Gegenstand dieser Blätter ist, konnte an Mannigfaltigkeit und Genauigkeit erst dann zunehmen, als der geographische Gesichtskreis erweitert, das Reisen in ferne Klimate erleichtert und der Sinn für die relative Schönheit und Gliederung der vegetabilischen Gestalten, wie sie in Gruppen natürlicher Familien vertheilt sind, angeregt wurden. Die Entdeckungen von Columbus, Vasco de Gama und Alvarez Cabral in Mittel-Amerika, Süd-Asien und Brasilien, der ausgebreitete Specerei- und Droguen-Handel der Spanier, Portugiesen, Italiäner und Niederländer, die Gründung botanischer,

dargestellt;22 sie dienten lange zum Repräsentanten der ganzen Tropen-Vegetation, wie Pinus pinea nach einem noch sehr verbreiteten Glauben die Vegetation Italiens ausschließlich charakterisiren soll. Die Umrisse hoher Gebirgsketten wurden wenig studirt; ja Schneegipfel, welche sich über grüne Alpenwiesen erheben, wurden damals noch von Naturforschern und Landschaftmalern für unerreichbar gehalten. Die Physiognomik der Felsmassen reizte fast nur da zu einer genaueren Nachbildung an, wo der Gießbach sich schäumend und furchend eine Bahn gebrochen hat. Auch hier ist wieder die Vielseitigkeit eines freien, sich in die ganze Natur versenkenden künstlerischen Geistes zu bezeichnen. Ein Geschichtsmaler, derselbe Rubens, der in seinen großen Jagdstücken das wilde Treiben der Waldthiere mit unnachahmlicher Lebendigkeit geschildert hat, faßte beinahe gleichzeitig die Gestaltung des Erdreichs in der dürren, gänzlich öden, felsigen Hochebene des Escorials mit seltenem Glücke landschaftlich auf.23

Die Darstellung individueller Naturformen, den Theil der Kunst berührend, welcher der eigentliche Gegenstand dieser Blätter ist, konnte an Mannigfaltigkeit und Genauigkeit erst dann zunehmen, als der geographische Gesichtskreis erweitert, das Reisen in ferne Klimate erleichtert und der Sinn für die relative Schönheit und Gliederung der vegetabilischen Gestalten, wie sie in Gruppen natürlicher Familien vertheilt sind, angeregt wurden. Die Entdeckungen von Columbus, Vasco de Gama und Alvarez Cabral in Mittel-Amerika, Süd-Asien und Brasilien, der ausgebreitete Specerei- und Droguen-Handel der Spanier, Portugiesen, Italiäner und Niederländer, die Gründung botanischer,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0089" n="84"/>
dargestellt;<note xml:id="ftn121" next="#ftn121-text" place="end" n="22"/> sie dienten lange zum Repräsentanten der ganzen Tropen-Vegetation, wie Pinus pinea nach einem noch sehr verbreiteten Glauben die Vegetation Italiens ausschließlich charakterisiren soll. Die Umrisse hoher Gebirgsketten wurden wenig studirt; ja Schneegipfel, welche sich über grüne Alpenwiesen erheben, wurden damals noch von Naturforschern und Landschaftmalern für unerreichbar gehalten. Die Physiognomik der Felsmassen reizte fast nur da zu einer genaueren Nachbildung an, wo der Gießbach sich schäumend und furchend eine Bahn gebrochen hat. Auch hier ist wieder die Vielseitigkeit eines freien, sich in die ganze Natur versenkenden künstlerischen Geistes zu bezeichnen. Ein Geschichtsmaler, derselbe Rubens, der in seinen großen Jagdstücken das wilde Treiben der Waldthiere mit unnachahmlicher Lebendigkeit geschildert hat, faßte beinahe gleichzeitig die Gestaltung des Erdreichs in der dürren, gänzlich öden, felsigen Hochebene des Escorials mit seltenem Glücke landschaftlich auf.<note xml:id="ftn122" next="#ftn122-text" place="end" n="23"/>          </p>
            <p>Die Darstellung individueller Naturformen, den Theil der Kunst berührend, welcher der eigentliche Gegenstand dieser Blätter ist, konnte an Mannigfaltigkeit und Genauigkeit erst dann zunehmen, als der geographische Gesichtskreis erweitert, das Reisen in ferne Klimate erleichtert und der Sinn für die relative Schönheit und Gliederung der vegetabilischen Gestalten, wie sie in Gruppen <hi rendition="#g">natürlicher Familien</hi> vertheilt sind, angeregt wurden. Die Entdeckungen von Columbus, Vasco de Gama und Alvarez Cabral in Mittel-Amerika, Süd-Asien und Brasilien, der ausgebreitete Specerei- und Droguen-Handel der Spanier, Portugiesen, Italiäner und Niederländer, die Gründung botanischer,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0089] dargestellt; ²² sie dienten lange zum Repräsentanten der ganzen Tropen-Vegetation, wie Pinus pinea nach einem noch sehr verbreiteten Glauben die Vegetation Italiens ausschließlich charakterisiren soll. Die Umrisse hoher Gebirgsketten wurden wenig studirt; ja Schneegipfel, welche sich über grüne Alpenwiesen erheben, wurden damals noch von Naturforschern und Landschaftmalern für unerreichbar gehalten. Die Physiognomik der Felsmassen reizte fast nur da zu einer genaueren Nachbildung an, wo der Gießbach sich schäumend und furchend eine Bahn gebrochen hat. Auch hier ist wieder die Vielseitigkeit eines freien, sich in die ganze Natur versenkenden künstlerischen Geistes zu bezeichnen. Ein Geschichtsmaler, derselbe Rubens, der in seinen großen Jagdstücken das wilde Treiben der Waldthiere mit unnachahmlicher Lebendigkeit geschildert hat, faßte beinahe gleichzeitig die Gestaltung des Erdreichs in der dürren, gänzlich öden, felsigen Hochebene des Escorials mit seltenem Glücke landschaftlich auf. ²³ Die Darstellung individueller Naturformen, den Theil der Kunst berührend, welcher der eigentliche Gegenstand dieser Blätter ist, konnte an Mannigfaltigkeit und Genauigkeit erst dann zunehmen, als der geographische Gesichtskreis erweitert, das Reisen in ferne Klimate erleichtert und der Sinn für die relative Schönheit und Gliederung der vegetabilischen Gestalten, wie sie in Gruppen natürlicher Familien vertheilt sind, angeregt wurden. Die Entdeckungen von Columbus, Vasco de Gama und Alvarez Cabral in Mittel-Amerika, Süd-Asien und Brasilien, der ausgebreitete Specerei- und Droguen-Handel der Spanier, Portugiesen, Italiäner und Niederländer, die Gründung botanischer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/89
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/89>, abgerufen am 24.11.2024.