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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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mich in die Zone begleitet, der es seine Entstehung verdankt. Viele Jahre lang ist es von mir und meinem theuren Begleiter und Freunde Bonpland gelesen worden: dort nun (man verzeihe den Anruf an das eigene Gefühl) in dem stillen Glanze des südlichen Himmels, oder wenn in der Regenzeit, am Ufer des Orinoco, der Blitz krachend den Wald erleuchtete, wurden wir beide von der bewundernswürdigen Wahrheit durchdrungen, mit der in jener kleinen Schrift die mächtige Tropennatur in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit dargestellt ist. Ein solches Auffassen des Einzelnen, ohne dem Eindruck des Allgemeinen zu schaden, ohne dem zu behandelnden äußeren Stoffe die freie innere Belebung dichterischer Phantasie zu rauben, charakterisirt in einem noch höheren Grade den geistreichen und gefühlvollen Verfasser von Attala, Rene, der Märtyrer und der Reise nach Griechenland und Palästina. In seinen Schöpfungen sind alle Contraste der Landschaft in den verschiedenartigsten Erdstrichen mit wundervoller Anschaulichkeit zusammengedrängt. Die ernste Größe historischer Erinnerungen konnte allein den Eindrücken einer schnellen Reise Tiefe und Ruhe verleihen.

In unserm deutschen Vaterlande hat sich das Naturgefühl wie in der italiänischen und spanischen Litteratur nur zu lange in der Kunstform des Idylls, des Schäferromans und des Lehrgedichts offenbart. Auf diesem Wege wandelten oft der persische Reisende Paul Flemming, Brockes, der gefühlvolle Ewald von Kleist, Hagedorn, Salomon Geßner und einer der größten Naturforscher aller Zeiten, Haller, dessen locale Schilderungen wenigstens bestimmtere Umrisse und eine mehr objective Wahrheit des Colorits darbieten. Das elegisch-idyllische Element beherrschte damals eine schwermüthige Landschafts-

mich in die Zone begleitet, der es seine Entstehung verdankt. Viele Jahre lang ist es von mir und meinem theuren Begleiter und Freunde Bonpland gelesen worden: dort nun (man verzeihe den Anruf an das eigene Gefühl) in dem stillen Glanze des südlichen Himmels, oder wenn in der Regenzeit, am Ufer des Orinoco, der Blitz krachend den Wald erleuchtete, wurden wir beide von der bewundernswürdigen Wahrheit durchdrungen, mit der in jener kleinen Schrift die mächtige Tropennatur in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit dargestellt ist. Ein solches Auffassen des Einzelnen, ohne dem Eindruck des Allgemeinen zu schaden, ohne dem zu behandelnden äußeren Stoffe die freie innere Belebung dichterischer Phantasie zu rauben, charakterisirt in einem noch höheren Grade den geistreichen und gefühlvollen Verfasser von Attala, René, der Märtyrer und der Reise nach Griechenland und Palästina. In seinen Schöpfungen sind alle Contraste der Landschaft in den verschiedenartigsten Erdstrichen mit wundervoller Anschaulichkeit zusammengedrängt. Die ernste Größe historischer Erinnerungen konnte allein den Eindrücken einer schnellen Reise Tiefe und Ruhe verleihen.

In unserm deutschen Vaterlande hat sich das Naturgefühl wie in der italiänischen und spanischen Litteratur nur zu lange in der Kunstform des Idylls, des Schäferromans und des Lehrgedichts offenbart. Auf diesem Wege wandelten oft der persische Reisende Paul Flemming, Brockes, der gefühlvolle Ewald von Kleist, Hagedorn, Salomon Geßner und einer der größten Naturforscher aller Zeiten, Haller, dessen locale Schilderungen wenigstens bestimmtere Umrisse und eine mehr objective Wahrheit des Colorits darbieten. Das elegisch-idyllische Element beherrschte damals eine schwermüthige Landschafts-

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[68/0073] mich in die Zone begleitet, der es seine Entstehung verdankt. Viele Jahre lang ist es von mir und meinem theuren Begleiter und Freunde Bonpland gelesen worden: dort nun (man verzeihe den Anruf an das eigene Gefühl) in dem stillen Glanze des südlichen Himmels, oder wenn in der Regenzeit, am Ufer des Orinoco, der Blitz krachend den Wald erleuchtete, wurden wir beide von der bewundernswürdigen Wahrheit durchdrungen, mit der in jener kleinen Schrift die mächtige Tropennatur in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit dargestellt ist. Ein solches Auffassen des Einzelnen, ohne dem Eindruck des Allgemeinen zu schaden, ohne dem zu behandelnden äußeren Stoffe die freie innere Belebung dichterischer Phantasie zu rauben, charakterisirt in einem noch höheren Grade den geistreichen und gefühlvollen Verfasser von Attala, René, der Märtyrer und der Reise nach Griechenland und Palästina. In seinen Schöpfungen sind alle Contraste der Landschaft in den verschiedenartigsten Erdstrichen mit wundervoller Anschaulichkeit zusammengedrängt. Die ernste Größe historischer Erinnerungen konnte allein den Eindrücken einer schnellen Reise Tiefe und Ruhe verleihen. In unserm deutschen Vaterlande hat sich das Naturgefühl wie in der italiänischen und spanischen Litteratur nur zu lange in der Kunstform des Idylls, des Schäferromans und des Lehrgedichts offenbart. Auf diesem Wege wandelten oft der persische Reisende Paul Flemming, Brockes, der gefühlvolle Ewald von Kleist, Hagedorn, Salomon Geßner und einer der größten Naturforscher aller Zeiten, Haller, dessen locale Schilderungen wenigstens bestimmtere Umrisse und eine mehr objective Wahrheit des Colorits darbieten. Das elegisch-idyllische Element beherrschte damals eine schwermüthige Landschafts-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/73>, abgerufen am 24.11.2024.