Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.immer mit allegorischen Beziehungen, und mit einem künstlichen Glanz übergossen, der uns nicht sowohl die freie Luft der Natur, die Wahrheit des Gebirges, die Schatten der Thäler fühlen läßt, als daß in harmonischen, wohlklingenden Versen eine geistvolle Beschreibung gegeben wird, die mit kleinen Nüancen immer wiederkehrt." In dem Schauspiel das Leben ein Traum (la vida es suenno) läßt Calderon den Prinzen Sigismund das Unglück seiner Gefangenschaft in anmuthigen Gegensätzen mit der Freiheit der ganzen organischen Natur beklagen. Es werden geschildert die Sitten der Vögel, "die im weiten Himmelsraume sich in raschen Flügen regen", die Fische, "welche, kaum aus Laich und Schlamm entsprossen, schon das weite Meer suchen, dessen Unendlichkeit ihnen bei ihren kecken Zügen nicht zu genügen scheint. Selbst dem Bache, der im Ringelgange zwischen Blüthen hingleitet, gewährt die Flur einen freien Pfad." Und ich, ruft Sigismund verzweiflungsvoll aus, der mehr Leben hat, soll bei freierem Geiste mich in mindre Freiheit fügen! Auf ähnliche Weise, aber auch oft durch Antithesen, witzige Gleichnisse und Künsteleien aus Gongora's Schule verunstaltet, spricht im standhaften Prinzen Don Fernando zum Könige von Fez.99 Wir erinneren an diese einzelnen Beispiele, weil sie zeigen, wie in der dramatischen Dichtung, die es vornehmlich mit Begebenheiten, Leidenschaften und Charakteren zu thun hat, "die Beschreibungen nur Abbildungen des Gemüths, der Stimmung der handelnden Personen werden. Shakespeare, der in dem Drang seiner bewegten Handlung fast nie Zeit und Gelegenheit hat sich auf Naturschilderungen geflissentlich einzulassen, malt durch Vorfälle, Andeu- immer mit allegorischen Beziehungen, und mit einem künstlichen Glanz übergossen, der uns nicht sowohl die freie Luft der Natur, die Wahrheit des Gebirges, die Schatten der Thäler fühlen läßt, als daß in harmonischen, wohlklingenden Versen eine geistvolle Beschreibung gegeben wird, die mit kleinen Nüancen immer wiederkehrt." In dem Schauspiel das Leben ein Traum (la vida es sueño) läßt Calderon den Prinzen Sigismund das Unglück seiner Gefangenschaft in anmuthigen Gegensätzen mit der Freiheit der ganzen organischen Natur beklagen. Es werden geschildert die Sitten der Vögel, „die im weiten Himmelsraume sich in raschen Flügen regen", die Fische, „welche, kaum aus Laich und Schlamm entsprossen, schon das weite Meer suchen, dessen Unendlichkeit ihnen bei ihren kecken Zügen nicht zu genügen scheint. Selbst dem Bache, der im Ringelgange zwischen Blüthen hingleitet, gewährt die Flur einen freien Pfad." Und ich, ruft Sigismund verzweiflungsvoll aus, der mehr Leben hat, soll bei freierem Geiste mich in mindre Freiheit fügen! Auf ähnliche Weise, aber auch oft durch Antithesen, witzige Gleichnisse und Künsteleien aus Gongora's Schule verunstaltet, spricht im standhaften Prinzen Don Fernando zum Könige von Fez.99 Wir erinneren an diese einzelnen Beispiele, weil sie zeigen, wie in der dramatischen Dichtung, die es vornehmlich mit Begebenheiten, Leidenschaften und Charakteren zu thun hat, „die Beschreibungen nur Abbildungen des Gemüths, der Stimmung der handelnden Personen werden. Shakespeare, der in dem Drang seiner bewegten Handlung fast nie Zeit und Gelegenheit hat sich auf Naturschilderungen geflissentlich einzulassen, malt durch Vorfälle, Andeu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0068" n="63"/> immer mit allegorischen Beziehungen, und mit einem künstlichen Glanz übergossen, der uns nicht sowohl die freie Luft der Natur, die Wahrheit des Gebirges, die Schatten der Thäler fühlen läßt, als daß in harmonischen, wohlklingenden Versen eine geistvolle Beschreibung gegeben wird, die mit kleinen Nüancen immer wiederkehrt." In dem Schauspiel <hi rendition="#g">das Leben ein Traum</hi> (la <hi rendition="#g">vida es sueño)</hi> läßt Calderon den Prinzen Sigismund das Unglück seiner Gefangenschaft in anmuthigen Gegensätzen mit der Freiheit der ganzen organischen Natur beklagen. Es werden geschildert die Sitten der Vögel, „die im weiten Himmelsraume sich in raschen Flügen regen", die Fische, „welche, kaum aus Laich und Schlamm entsprossen, schon das weite Meer suchen, dessen Unendlichkeit ihnen bei ihren kecken Zügen nicht zu genügen scheint. Selbst dem Bache, der im Ringelgange zwischen Blüthen hingleitet, gewährt die Flur einen freien Pfad." Und ich, ruft Sigismund verzweiflungsvoll aus, der mehr Leben hat, soll bei freierem Geiste mich in mindre Freiheit fügen! Auf ähnliche Weise, aber auch oft durch Antithesen, witzige Gleichnisse und Künsteleien aus Gongora's Schule verunstaltet, spricht im <hi rendition="#g">standhaften Prinzen</hi> Don Fernando zum Könige von Fez.<note xml:id="ftn98" next="#ftn98-text" place="end" n="99"/> Wir erinneren an diese einzelnen Beispiele, weil sie zeigen, wie in der dramatischen Dichtung, die es vornehmlich mit Begebenheiten, Leidenschaften und Charakteren zu thun hat, „die Beschreibungen nur Abbildungen des Gemüths, der Stimmung der handelnden Personen werden. Shakespeare, der in dem Drang seiner bewegten Handlung fast nie Zeit und Gelegenheit hat sich auf Naturschilderungen geflissentlich einzulassen, malt durch Vorfälle, Andeu- </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0068]
immer mit allegorischen Beziehungen, und mit einem künstlichen Glanz übergossen, der uns nicht sowohl die freie Luft der Natur, die Wahrheit des Gebirges, die Schatten der Thäler fühlen läßt, als daß in harmonischen, wohlklingenden Versen eine geistvolle Beschreibung gegeben wird, die mit kleinen Nüancen immer wiederkehrt." In dem Schauspiel das Leben ein Traum (la vida es sueño) läßt Calderon den Prinzen Sigismund das Unglück seiner Gefangenschaft in anmuthigen Gegensätzen mit der Freiheit der ganzen organischen Natur beklagen. Es werden geschildert die Sitten der Vögel, „die im weiten Himmelsraume sich in raschen Flügen regen", die Fische, „welche, kaum aus Laich und Schlamm entsprossen, schon das weite Meer suchen, dessen Unendlichkeit ihnen bei ihren kecken Zügen nicht zu genügen scheint. Selbst dem Bache, der im Ringelgange zwischen Blüthen hingleitet, gewährt die Flur einen freien Pfad." Und ich, ruft Sigismund verzweiflungsvoll aus, der mehr Leben hat, soll bei freierem Geiste mich in mindre Freiheit fügen! Auf ähnliche Weise, aber auch oft durch Antithesen, witzige Gleichnisse und Künsteleien aus Gongora's Schule verunstaltet, spricht im standhaften Prinzen Don Fernando zum Könige von Fez.
⁹⁹
Wir erinneren an diese einzelnen Beispiele, weil sie zeigen, wie in der dramatischen Dichtung, die es vornehmlich mit Begebenheiten, Leidenschaften und Charakteren zu thun hat, „die Beschreibungen nur Abbildungen des Gemüths, der Stimmung der handelnden Personen werden. Shakespeare, der in dem Drang seiner bewegten Handlung fast nie Zeit und Gelegenheit hat sich auf Naturschilderungen geflissentlich einzulassen, malt durch Vorfälle, Andeu-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |