Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.besang, an denen er rühmlichst Theil genommen. In dem ganzen Epos der Araucana des Don Alonso de Ercilla hat die unmittelbare Anschauung, der Anblick mit ewigem Schnee bedeckter Vulkane, heißer Waldthäler und weit in das Land eindringender Meeresarme fast nichts hervorgebracht, was man darstellend nennen könnte. Das übermäßige Lob, das Cervantes, bei Gelegenheit der geistreich satirischen Bücherschau des Quixote, dem Ercilla gespendet, ist wohl nur durch leidenschaftliche Rivalität zwischen der spanischen und italiänischen Poesie hervorgerufen worden. Man möchte fast sagen, es habe Voltaire'n und viele neuere Kritiker irre geführt. Die Araucana ist allerdings ein Werk, welches ein edles Nationalgefühl durchdringt; die Schilderung der Sitten eines wilden Volksstammes, der im Kampf für die Freiheit des Vaterlandes erliegt, ist darin nicht ohne Leben: aber die Diction des Ercilla ist schleppend, mit Eigennamen überhäuft, ohne alle Spur dichterischer Begeisterung.96 Diese Begeisterung findet sich in mehreren Strophen des Romancero caballeresco97; in der religiösen Melancholie des Fray Luis de Leon, z. B. in seiner "heiteren Nacht", wenn er die ewigen Lichter (resplandores eternales) des gestirnten Himmels besingt98; und in den großen Schöpfungen des Calderon. "Als sich die Comödie der Spanier bis zu einer hohen Vollendung ausgearbeitet hatte", sagt der tiefste Forscher aller dramatischen Litteratur, mein edler Freund Ludwig Tieck, "finden wir oft beim Calderon und bei seinen Zeitgenossen, in romanzen- und canzonartigen Sylbenmaaßen, blendend schöne Schilderungen vom Meere, von Gebirgen, Gärten und waldigen Thälern: doch fast besang, an denen er rühmlichst Theil genommen. In dem ganzen Epos der Araucana des Don Alonso de Ercilla hat die unmittelbare Anschauung, der Anblick mit ewigem Schnee bedeckter Vulkane, heißer Waldthäler und weit in das Land eindringender Meeresarme fast nichts hervorgebracht, was man darstellend nennen könnte. Das übermäßige Lob, das Cervantes, bei Gelegenheit der geistreich satirischen Bücherschau des Quixote, dem Ercilla gespendet, ist wohl nur durch leidenschaftliche Rivalität zwischen der spanischen und italiänischen Poesie hervorgerufen worden. Man möchte fast sagen, es habe Voltaire'n und viele neuere Kritiker irre geführt. Die Araucana ist allerdings ein Werk, welches ein edles Nationalgefühl durchdringt; die Schilderung der Sitten eines wilden Volksstammes, der im Kampf für die Freiheit des Vaterlandes erliegt, ist darin nicht ohne Leben: aber die Diction des Ercilla ist schleppend, mit Eigennamen überhäuft, ohne alle Spur dichterischer Begeisterung.96 Diese Begeisterung findet sich in mehreren Strophen des Romancero caballeresco97; in der religiösen Melancholie des Fray Luis de Leon, z. B. in seiner „heiteren Nacht", wenn er die ewigen Lichter (resplandores eternales) des gestirnten Himmels besingt98; und in den großen Schöpfungen des Calderon. „Als sich die Comödie der Spanier bis zu einer hohen Vollendung ausgearbeitet hatte", sagt der tiefste Forscher aller dramatischen Litteratur, mein edler Freund Ludwig Tieck, „finden wir oft beim Calderon und bei seinen Zeitgenossen, in romanzen- und canzonartigen Sylbenmaaßen, blendend schöne Schilderungen vom Meere, von Gebirgen, Gärten und waldigen Thälern: doch fast <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0067" n="62"/> besang, an denen er rühmlichst Theil genommen. In dem ganzen Epos der <hi rendition="#g">Araucana</hi> des Don Alonso de Ercilla hat die unmittelbare Anschauung, der Anblick mit ewigem Schnee bedeckter Vulkane, heißer Waldthäler und weit in das Land eindringender Meeresarme fast nichts hervorgebracht, was man darstellend nennen könnte. 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besang, an denen er rühmlichst Theil genommen. In dem ganzen Epos der Araucana des Don Alonso de Ercilla hat die unmittelbare Anschauung, der Anblick mit ewigem Schnee bedeckter Vulkane, heißer Waldthäler und weit in das Land eindringender Meeresarme fast nichts hervorgebracht, was man darstellend nennen könnte. Das übermäßige Lob, das Cervantes, bei Gelegenheit der geistreich satirischen Bücherschau des Quixote, dem Ercilla gespendet, ist wohl nur durch leidenschaftliche Rivalität zwischen der spanischen und italiänischen Poesie hervorgerufen worden. Man möchte fast sagen, es habe Voltaire'n und viele neuere Kritiker irre geführt. Die Araucana ist allerdings ein Werk, welches ein edles Nationalgefühl durchdringt; die Schilderung der Sitten eines wilden Volksstammes, der im Kampf für die Freiheit des Vaterlandes erliegt, ist darin nicht ohne Leben: aber die Diction des Ercilla ist schleppend, mit Eigennamen überhäuft, ohne alle Spur dichterischer Begeisterung.
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Diese Begeisterung findet sich in mehreren Strophen des Romancero caballeresco
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; in der religiösen Melancholie des Fray Luis de Leon, z. B. in seiner „heiteren Nacht", wenn er die ewigen Lichter (resplandores eternales) des gestirnten Himmels besingt
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; und in den großen Schöpfungen des Calderon. „Als sich die Comödie der Spanier bis zu einer hohen Vollendung ausgearbeitet hatte", sagt der tiefste Forscher aller dramatischen Litteratur, mein edler Freund Ludwig Tieck, „finden wir oft beim Calderon und bei seinen Zeitgenossen, in romanzen- und canzonartigen Sylbenmaaßen, blendend schöne Schilderungen vom Meere, von Gebirgen, Gärten und waldigen Thälern: doch fast
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