Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.nie die Begeistrung des Dichters, der Schmuck der Rede und die süßen Laute der Schwermuth der Genauigkeit in der Darstellung physischer Erscheinungen hinderlich werden. Sie haben vielmehr, wie dies immer der Fall ist, wenn die Kunst aus ungetrübter Quelle schöpft, den belebenden Eindruck der Größe und Wahrheit der Naturbilder erhöht. Unnachahmlich sind in Camoens die Schilderungen des ewigen Verkehrs zwischen Luft und Meer, zwischen der vielfach gestalteten Wolkendecke, ihren meteorologischen Processen und den verschiedenen Zuständen der Oberfläche des Oceans. Er zeigt uns diese Oberfläche, bald wenn milde Winde sie kräuseln und die kurzen Wellen im Spiel des zurückgeworfenen Lichtstrahls funkelnd leuchten, bald wenn Coelho's und Paul de Gama's Schiffe in einem furchtbaren Sturme gegen die tief aufgeregten Elemente ankämpfen.89 Camoens ist im eigentlichsten Sinne des Worts ein großer Seemaler. Als Kriegsmann hatte er gefochten an dem Fuße des Atlas im marokkanischen Gebiete, im rothen Meere und im persischen Meerbusen; zweimal hatte er das Cap umschifft und, mit tiefem Naturgefühl begabt, 16 Jahre lang an dem indischen und chinesischen Gestade alle Phänomene des Weltmeers belauscht. Er beschreibt das electrische St. Elmsfeuer (Castor und Pollux der alten griechischen Seefahrer), "das lebende Licht90 dem Seevolke heilig"; er beschreibt die gefahrdrohende Trombe in ihrer allmäligen Entwickelung: "wie der Dunst, aus feinem Duft gewoben, sich im Kreise dreht, ein dünnes Rohr herabläßt und die Fluth dürstend aufpumpt; wie er, wenn das schwarze Gewölk sich satt gesogen, den Fuß des Trichters zurückzieht und, zum Himmel fliegend, auf der Flucht als süßes Wasser den Wogen nie die Begeistrung des Dichters, der Schmuck der Rede und die süßen Laute der Schwermuth der Genauigkeit in der Darstellung physischer Erscheinungen hinderlich werden. Sie haben vielmehr, wie dies immer der Fall ist, wenn die Kunst aus ungetrübter Quelle schöpft, den belebenden Eindruck der Größe und Wahrheit der Naturbilder erhöht. Unnachahmlich sind in Camoens die Schilderungen des ewigen Verkehrs zwischen Luft und Meer, zwischen der vielfach gestalteten Wolkendecke, ihren meteorologischen Processen und den verschiedenen Zuständen der Oberfläche des Oceans. Er zeigt uns diese Oberfläche, bald wenn milde Winde sie kräuseln und die kurzen Wellen im Spiel des zurückgeworfenen Lichtstrahls funkelnd leuchten, bald wenn Coelho's und Paul de Gama's Schiffe in einem furchtbaren Sturme gegen die tief aufgeregten Elemente ankämpfen.89 Camoens ist im eigentlichsten Sinne des Worts ein großer Seemaler. Als Kriegsmann hatte er gefochten an dem Fuße des Atlas im marokkanischen Gebiete, im rothen Meere und im persischen Meerbusen; zweimal hatte er das Cap umschifft und, mit tiefem Naturgefühl begabt, 16 Jahre lang an dem indischen und chinesischen Gestade alle Phänomene des Weltmeers belauscht. Er beschreibt das electrische St. Elmsfeuer (Castor und Pollux der alten griechischen Seefahrer), „das lebende Licht90 dem Seevolke heilig"; er beschreibt die gefahrdrohende Trombe in ihrer allmäligen Entwickelung: „wie der Dunst, aus feinem Duft gewoben, sich im Kreise dreht, ein dünnes Rohr herabläßt und die Fluth dürstend aufpumpt; wie er, wenn das schwarze Gewölk sich satt gesogen, den Fuß des Trichters zurückzieht und, zum Himmel fliegend, auf der Flucht als süßes Wasser den Wogen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="59"/> nie die Begeistrung des Dichters, der Schmuck der Rede und die süßen Laute der Schwermuth der Genauigkeit in der Darstellung physischer Erscheinungen hinderlich werden. Sie haben vielmehr, wie dies immer der Fall ist, wenn die Kunst aus ungetrübter Quelle schöpft, den belebenden Eindruck der Größe und Wahrheit der Naturbilder erhöht. Unnachahmlich sind in Camoens die Schilderungen des ewigen Verkehrs zwischen Luft und Meer, zwischen der vielfach gestalteten Wolkendecke, ihren meteorologischen Processen und den verschiedenen Zuständen der Oberfläche des Oceans. Er zeigt uns diese Oberfläche, bald wenn milde Winde sie kräuseln und die kurzen Wellen im Spiel des zurückgeworfenen Lichtstrahls funkelnd leuchten, bald wenn Coelho's und Paul de Gama's Schiffe in einem furchtbaren Sturme gegen die tief aufgeregten Elemente ankämpfen.<note xml:id="ftn88" next="#ftn88-text" place="end" n="89"/> Camoens ist im eigentlichsten Sinne des Worts ein großer Seemaler. Als Kriegsmann hatte er gefochten an dem Fuße des Atlas im marokkanischen Gebiete, im rothen Meere und im persischen Meerbusen; zweimal hatte er das Cap umschifft und, mit tiefem Naturgefühl begabt, 16 Jahre lang an dem indischen und chinesischen Gestade alle Phänomene des Weltmeers belauscht. Er beschreibt das electrische St. Elmsfeuer (Castor und Pollux der alten griechischen Seefahrer), „das lebende Licht<note xml:id="ftn89" next="#ftn89-text" place="end" n="90"/> dem Seevolke heilig"; er beschreibt die gefahrdrohende Trombe in ihrer allmäligen Entwickelung: „wie der Dunst, aus feinem Duft gewoben, sich im Kreise dreht, ein dünnes Rohr herabläßt und die Fluth dürstend aufpumpt; wie er, wenn das schwarze Gewölk sich satt gesogen, den Fuß des Trichters zurückzieht und, zum Himmel fliegend, auf der Flucht als süßes Wasser den Wogen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0064]
nie die Begeistrung des Dichters, der Schmuck der Rede und die süßen Laute der Schwermuth der Genauigkeit in der Darstellung physischer Erscheinungen hinderlich werden. Sie haben vielmehr, wie dies immer der Fall ist, wenn die Kunst aus ungetrübter Quelle schöpft, den belebenden Eindruck der Größe und Wahrheit der Naturbilder erhöht. Unnachahmlich sind in Camoens die Schilderungen des ewigen Verkehrs zwischen Luft und Meer, zwischen der vielfach gestalteten Wolkendecke, ihren meteorologischen Processen und den verschiedenen Zuständen der Oberfläche des Oceans. Er zeigt uns diese Oberfläche, bald wenn milde Winde sie kräuseln und die kurzen Wellen im Spiel des zurückgeworfenen Lichtstrahls funkelnd leuchten, bald wenn Coelho's und Paul de Gama's Schiffe in einem furchtbaren Sturme gegen die tief aufgeregten Elemente ankämpfen.
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Camoens ist im eigentlichsten Sinne des Worts ein großer Seemaler. Als Kriegsmann hatte er gefochten an dem Fuße des Atlas im marokkanischen Gebiete, im rothen Meere und im persischen Meerbusen; zweimal hatte er das Cap umschifft und, mit tiefem Naturgefühl begabt, 16 Jahre lang an dem indischen und chinesischen Gestade alle Phänomene des Weltmeers belauscht. Er beschreibt das electrische St. Elmsfeuer (Castor und Pollux der alten griechischen Seefahrer), „das lebende Licht
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dem Seevolke heilig"; er beschreibt die gefahrdrohende Trombe in ihrer allmäligen Entwickelung: „wie der Dunst, aus feinem Duft gewoben, sich im Kreise dreht, ein dünnes Rohr herabläßt und die Fluth dürstend aufpumpt; wie er, wenn das schwarze Gewölk sich satt gesogen, den Fuß des Trichters zurückzieht und, zum Himmel fliegend, auf der Flucht als süßes Wasser den Wogen
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