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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Verfassers. Lob und bitterer Tadel sind darin wunderbar gemischt. Man sieht den Haß und den Verdacht des Betruges zunehmen, je mehr der Ruf des florentinischen Seefahrers sich verbreitet. In der Vorrede (Prologo), die zuerst geschrieben worden ist, heißt es: "Amerigo erzählt, was er in zwei Reisen nach unseren Indien unternommen; doch scheint er manche Umstände verschwiegen zu haben, sei es geflissentlich (a saviendas) oder weil er sie nicht beachtete. Deshalb haben ihm Einige zugeschrieben, was Anderen gehört, denen es nicht entzogen werden sollte." Eben so gemäßigt ist noch das Urtheil Lib. I cap. 140: "Hier muß ich des Unrechts erwähnen, welches Amerigo scheint dem Admiral gethan zu haben oder vielleicht die, welche seine Quatuor Navigationes drucken ließen (o los que imprimieron). Es wird ihm allein, ohne Andere zu nennen, die Entdeckung des Festlandes zugeschrieben. Auf Carten soll er den Namen America gesetzt und so gegen den Admiral sündlich gefehlt haben. Da Amerigo sprachgewandt war und zierlich zu schreiben wußte (era latino y eloquente), so hat er sich für den Anführer der Expedition des Hojeda in dem Briefe an den König Renatus ausgegeben. Er war jedoch nur einer der Steuerleute, wenn gleich erfahren im Seewesen und gelehrt in der Cosmographie (hombre entendido en las cosas de la mar y docto en Cosmographia) ..... In der Welt ist verbreitet worden, er sei der Erste gewesen am festen Lande. Hat er dies mit Absicht verbreitet, so ist es große Bosheit; und war auch keine wirkliche Absicht da, so sieht es doch danach aus (clara pareze la falsedad: y si fue de industria hecha, maldad grande fue; y ya que no lo fuese, al menos parezelo) ..... Amerigo soll im Jahr 7 (1497) abgereist sein: eine Angabe, die freilich nur ein Schreibversehen zu sein scheint, nicht eine böswillige (pareze aver avido yerro de pendola y no malicia), weil er nach 18 Monaten will zurückgekommen sein. Die fremden Schriftsteller nennen das Land America. Es sollte Columba heißen." Diese Stelle zeigt deutlich, daß Casas bis dahin den Amerigo selbst nicht beschuldigt den Namen America in Umlauf gebracht zu haben. Er sagt: an tomado los escriptores extrangeros de nombrar la nuestra Tierra firme America, como si Americo solo y no otro con el y antes que todos la oviera descubierto. In Lib. I cap. 164-169 und Lib. II cap. 2 bricht aber der ganze Haß auf einmal aus. Es wird nichts mehr einem bloßen Versehen in der
Verfassers. Lob und bitterer Tadel sind darin wunderbar gemischt. Man sieht den Haß und den Verdacht des Betruges zunehmen, je mehr der Ruf des florentinischen Seefahrers sich verbreitet. In der Vorrede (Prologo), die zuerst geschrieben worden ist, heißt es: „Amerigo erzählt, was er in zwei Reisen nach unseren Indien unternommen; doch scheint er manche Umstände verschwiegen zu haben, sei es geflissentlich (á saviendas) oder weil er sie nicht beachtete. Deshalb haben ihm Einige zugeschrieben, was Anderen gehört, denen es nicht entzogen werden sollte." Eben so gemäßigt ist noch das Urtheil Lib. I cap. 140: „Hier muß ich des Unrechts erwähnen, welches Amerigo scheint dem Admiral gethan zu haben oder vielleicht die, welche seine Quatuor Navigationes drucken ließen (ó los que imprimiéron). Es wird ihm allein, ohne Andere zu nennen, die Entdeckung des Festlandes zugeschrieben. Auf Carten soll er den Namen America gesetzt und so gegen den Admiral sündlich gefehlt haben. Da Amerigo sprachgewandt war und zierlich zu schreiben wußte (era latino y eloquente), so hat er sich für den Anführer der Expedition des Hojeda in dem Briefe an den König Renatus ausgegeben. Er war jedoch nur einer der Steuerleute, wenn gleich erfahren im Seewesen und gelehrt in der Cosmographie (hombre entendido en las cosas de la mar y docto en Cosmographia) ..... In der Welt ist verbreitet worden, er sei der Erste gewesen am festen Lande. Hat er dies mit Absicht verbreitet, so ist es große Bosheit; und war auch keine wirkliche Absicht da, so sieht es doch danach aus (clara pareze la falsedad: y si fué de industria hecha, maldad grande fué; y ya que no lo fuese, al menos parezelo) ..... Amerigo soll im Jahr 7 (1497) abgereist sein: eine Angabe, die freilich nur ein Schreibversehen zu sein scheint, nicht eine böswillige (pareze aver avido yerro de pendola y no malicia), weil er nach 18 Monaten will zurückgekommen sein. Die fremden Schriftsteller nennen das Land America. Es sollte Columba heißen." Diese Stelle zeigt deutlich, daß Casas bis dahin den Amerigo selbst nicht beschuldigt den Namen America in Umlauf gebracht zu haben. Er sagt: an tomado los escriptores extrangeros de nombrar la nuestra Tierra firme America, como si Americo solo y no otro con él y antes que todos la oviera descubierto. In Lib. I cap. 164–169 und Lib. II cap. 2 bricht aber der ganze Haß auf einmal aus. Es wird nichts mehr einem bloßen Versehen in der
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[494/0499] ¹⁷ Verfassers. Lob und bitterer Tadel sind darin wunderbar gemischt. Man sieht den Haß und den Verdacht des Betruges zunehmen, je mehr der Ruf des florentinischen Seefahrers sich verbreitet. In der Vorrede (Prologo), die zuerst geschrieben worden ist, heißt es: „Amerigo erzählt, was er in zwei Reisen nach unseren Indien unternommen; doch scheint er manche Umstände verschwiegen zu haben, sei es geflissentlich (á saviendas) oder weil er sie nicht beachtete. Deshalb haben ihm Einige zugeschrieben, was Anderen gehört, denen es nicht entzogen werden sollte." Eben so gemäßigt ist noch das Urtheil Lib. I cap. 140: „Hier muß ich des Unrechts erwähnen, welches Amerigo scheint dem Admiral gethan zu haben oder vielleicht die, welche seine Quatuor Navigationes drucken ließen (ó los que imprimiéron). Es wird ihm allein, ohne Andere zu nennen, die Entdeckung des Festlandes zugeschrieben. Auf Carten soll er den Namen America gesetzt und so gegen den Admiral sündlich gefehlt haben. Da Amerigo sprachgewandt war und zierlich zu schreiben wußte (era latino y eloquente), so hat er sich für den Anführer der Expedition des Hojeda in dem Briefe an den König Renatus ausgegeben. Er war jedoch nur einer der Steuerleute, wenn gleich erfahren im Seewesen und gelehrt in der Cosmographie (hombre entendido en las cosas de la mar y docto en Cosmographia) ..... In der Welt ist verbreitet worden, er sei der Erste gewesen am festen Lande. Hat er dies mit Absicht verbreitet, so ist es große Bosheit; und war auch keine wirkliche Absicht da, so sieht es doch danach aus (clara pareze la falsedad: y si fué de industria hecha, maldad grande fué; y ya que no lo fuese, al menos parezelo) ..... Amerigo soll im Jahr 7 (1497) abgereist sein: eine Angabe, die freilich nur ein Schreibversehen zu sein scheint, nicht eine böswillige (pareze aver avido yerro de pendola y no malicia), weil er nach 18 Monaten will zurückgekommen sein. Die fremden Schriftsteller nennen das Land America. Es sollte Columba heißen." Diese Stelle zeigt deutlich, daß Casas bis dahin den Amerigo selbst nicht beschuldigt den Namen America in Umlauf gebracht zu haben. Er sagt: an tomado los escriptores extrangeros de nombrar la nuestra Tierra firme America, como si Americo solo y no otro con él y antes que todos la oviera descubierto. In Lib. I cap. 164–169 und Lib. II cap. 2 bricht aber der ganze Haß auf einmal aus. Es wird nichts mehr einem bloßen Versehen in der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/499>, abgerufen am 22.11.2024.