Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.weltbekannt, daß der berühmte Lactantius, den man freilich nicht zu den Mathematikern zählen könne, recht kindisch (pueriliter) von der Gestalt der Erde gesprochen und diejenigen verhöhnt habe, welche sie für kugelförmig halten. Ueber mathematische Gegenstände dürfe man nur für Mathematiker schreiben. Um zu beweisen, daß er, von der Richtigkeit seiner Resultate tief durchdrungen, kein Urtheil zu scheuen habe, wende er sich aus einem fernen Erdwinkel an das Oberhaupt der Kirche, auf daß es ihn vor dem Biß der Verläumder schütze, da die Kirche selbst von seinen Untersuchungen über die Jahreslänge und Mondbewegungen Vortheil ziehen werde." Astrologie und Calender-Verbesserung verschafften der Sternkunde lange allein Schutz bei der weltlichen und geistlichen Macht, wie Chemie und Botanik zuerst nur der Arzneimittellehre dienten. Die kräftige, aus der innersten Ueberzeugung hervorbrechende, freie Sprache des Copernicus widerlegt hinlänglich die alte Behauptung, er habe das System, das seinen unsterblichen Namen führt, als eine dem rechnenden Astronomen bequeme Hypothese, als eine solche, die wohl auch unbegründet sein könne, vorgetragen. "Durch keine andere Anordnung", sagt er begeistert, "habe ich eine so bewundernswürdige Symmetrie des Universums, eine so harmonische Verbindung der Bahnen finden können, als da ich die Weltleuchte (lucernam mundi), die Sonne, die ganze Familie kreisender Gestirne lenkend (circumagentem gubernans astrorum familiam) wie in die Mitte des schönen Naturtempels auf einen königlichen Thron gesetzt."25 Auch die Idee von der allgemeinen Schwere oder Anziehung (appetentia quaedam naturalis partibus indita) gegen den weltbekannt, daß der berühmte Lactantius, den man freilich nicht zu den Mathematikern zählen könne, recht kindisch (pueriliter) von der Gestalt der Erde gesprochen und diejenigen verhöhnt habe, welche sie für kugelförmig halten. Ueber mathematische Gegenstände dürfe man nur für Mathematiker schreiben. Um zu beweisen, daß er, von der Richtigkeit seiner Resultate tief durchdrungen, kein Urtheil zu scheuen habe, wende er sich aus einem fernen Erdwinkel an das Oberhaupt der Kirche, auf daß es ihn vor dem Biß der Verläumder schütze, da die Kirche selbst von seinen Untersuchungen über die Jahreslänge und Mondbewegungen Vortheil ziehen werde." Astrologie und Calender-Verbesserung verschafften der Sternkunde lange allein Schutz bei der weltlichen und geistlichen Macht, wie Chemie und Botanik zuerst nur der Arzneimittellehre dienten. Die kräftige, aus der innersten Ueberzeugung hervorbrechende, freie Sprache des Copernicus widerlegt hinlänglich die alte Behauptung, er habe das System, das seinen unsterblichen Namen führt, als eine dem rechnenden Astronomen bequeme Hypothese, als eine solche, die wohl auch unbegründet sein könne, vorgetragen. „Durch keine andere Anordnung", sagt er begeistert, „habe ich eine so bewundernswürdige Symmetrie des Universums, eine so harmonische Verbindung der Bahnen finden können, als da ich die Weltleuchte (lucernam mundi), die Sonne, die ganze Familie kreisender Gestirne lenkend (circumagentem gubernans astrorum familiam) wie in die Mitte des schönen Naturtempels auf einen königlichen Thron gesetzt."25 Auch die Idee von der allgemeinen Schwere oder Anziehung (appetentia quaedam naturalis partibus indita) gegen den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0352" n="347"/> weltbekannt, daß der berühmte Lactantius, den man freilich nicht zu den Mathematikern zählen könne, recht kindisch (pueriliter) von der Gestalt der Erde gesprochen und diejenigen verhöhnt habe, welche sie für kugelförmig halten. Ueber mathematische Gegenstände dürfe man nur für Mathematiker schreiben. Um zu beweisen, daß er, von der Richtigkeit seiner Resultate tief durchdrungen, kein Urtheil zu scheuen habe, wende er sich aus einem fernen Erdwinkel an das Oberhaupt der Kirche, auf daß es ihn vor dem Biß der Verläumder schütze, da die Kirche selbst von seinen Untersuchungen über die Jahreslänge und Mondbewegungen Vortheil ziehen werde." Astrologie und Calender-Verbesserung verschafften der Sternkunde lange allein Schutz bei der weltlichen und geistlichen Macht, wie Chemie und Botanik zuerst nur der Arzneimittellehre dienten.</p> <p>Die kräftige, aus der innersten Ueberzeugung hervorbrechende, freie Sprache des Copernicus widerlegt hinlänglich die alte Behauptung, er habe das System, das seinen unsterblichen Namen führt, als eine dem rechnenden Astronomen bequeme Hypothese, als eine solche, die wohl auch unbegründet sein könne, vorgetragen. „Durch keine andere Anordnung", sagt er begeistert, „habe ich eine so bewundernswürdige Symmetrie des Universums, eine so harmonische Verbindung der Bahnen finden können, als da ich die <hi rendition="#g">Weltleuchte</hi> (lucernam mundi), die <hi rendition="#g">Sonne,</hi> die ganze Familie kreisender Gestirne lenkend (circumagentem gubernans astrorum familiam) wie in die Mitte des schönen Naturtempels auf einen königlichen Thron gesetzt."<note xml:id="ftn464" next="#ftn464-text" place="end" n="25"/> Auch die Idee von der allgemeinen Schwere oder Anziehung (appetentia quaedam naturalis partibus indita) gegen den </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0352]
weltbekannt, daß der berühmte Lactantius, den man freilich nicht zu den Mathematikern zählen könne, recht kindisch (pueriliter) von der Gestalt der Erde gesprochen und diejenigen verhöhnt habe, welche sie für kugelförmig halten. Ueber mathematische Gegenstände dürfe man nur für Mathematiker schreiben. Um zu beweisen, daß er, von der Richtigkeit seiner Resultate tief durchdrungen, kein Urtheil zu scheuen habe, wende er sich aus einem fernen Erdwinkel an das Oberhaupt der Kirche, auf daß es ihn vor dem Biß der Verläumder schütze, da die Kirche selbst von seinen Untersuchungen über die Jahreslänge und Mondbewegungen Vortheil ziehen werde." Astrologie und Calender-Verbesserung verschafften der Sternkunde lange allein Schutz bei der weltlichen und geistlichen Macht, wie Chemie und Botanik zuerst nur der Arzneimittellehre dienten.
Die kräftige, aus der innersten Ueberzeugung hervorbrechende, freie Sprache des Copernicus widerlegt hinlänglich die alte Behauptung, er habe das System, das seinen unsterblichen Namen führt, als eine dem rechnenden Astronomen bequeme Hypothese, als eine solche, die wohl auch unbegründet sein könne, vorgetragen. „Durch keine andere Anordnung", sagt er begeistert, „habe ich eine so bewundernswürdige Symmetrie des Universums, eine so harmonische Verbindung der Bahnen finden können, als da ich die Weltleuchte (lucernam mundi), die Sonne, die ganze Familie kreisender Gestirne lenkend (circumagentem gubernans astrorum familiam) wie in die Mitte des schönen Naturtempels auf einen königlichen Thron gesetzt."
²⁵
Auch die Idee von der allgemeinen Schwere oder Anziehung (appetentia quaedam naturalis partibus indita) gegen den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |