Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

mächtige Reiche zu theilen, ohne es zu wissen, gleichzeitig wesentliche Dienste der astronomischen Nautik und der physikalischen Lehre vom Erdmagnetismus. Auch wurden die Seemächte von da an mit einer Unzahl unausführbarer Vorschläge bedrängt. Sebastian Cabot (so berichtet sein Freund Richard Eden) rühmte sich noch auf seinem Sterbebette, daß ihm "durch göttliche Offenbarung eine untrügliche Methode mitgetheilt worden sei die geographische Länge zu finden". Diese Offenbarung war der feste Glaube an die mit den Meridianen sich regelmäßig und schnell verändernde magnetische Abweichung. Der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, einer der Lehrer des Kaisers Carls V, unternahm es die erste allgemeine Variations-Carte93 zu entwerfen: schon um das Jahr 1530, also anderthalb Jahrhunderte vor Halley, freilich nach sehr unvollständigen Beobachtungen.

Von dem Fortschreiten, d. h. der Bewegung der magnetischen Linien, deren Kenntniß man gewöhnlich dem Gassendi zuschreibt, hatte selbst William Gilbert noch keine Ahndung, während früher Acosta, "durch portugiesische Seefahrer unterrichtet", auf dem ganzen Erdboden vier Linien ohne Abweichung annahm94. Kaum war in England durch Robert Norman 1576 die Inclinations-Boussole erfunden, so rühmte sich Gilbert mittelst dieses Instruments in dunkler, sternloser Nacht (aere caliginoso) den Ort des Schiffes zu bestimmen95. Ich habe, auf eigene Beobachtungen in der Südsee gestützt, gleich nach meiner Rückkehr nach Europa gezeigt, wie unter gewissen Localverhältnissen, z. B. an den Küsten von Peru in der Jahreszeit der beständigen Nebel (garua), aus der Inclination die Breite mit einer

mächtige Reiche zu theilen, ohne es zu wissen, gleichzeitig wesentliche Dienste der astronomischen Nautik und der physikalischen Lehre vom Erdmagnetismus. Auch wurden die Seemächte von da an mit einer Unzahl unausführbarer Vorschläge bedrängt. Sebastian Cabot (so berichtet sein Freund Richard Eden) rühmte sich noch auf seinem Sterbebette, daß ihm „durch göttliche Offenbarung eine untrügliche Methode mitgetheilt worden sei die geographische Länge zu finden". Diese Offenbarung war der feste Glaube an die mit den Meridianen sich regelmäßig und schnell verändernde magnetische Abweichung. Der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, einer der Lehrer des Kaisers Carls V, unternahm es die erste allgemeine Variations-Carte93 zu entwerfen: schon um das Jahr 1530, also anderthalb Jahrhunderte vor Halley, freilich nach sehr unvollständigen Beobachtungen.

Von dem Fortschreiten, d. h. der Bewegung der magnetischen Linien, deren Kenntniß man gewöhnlich dem Gassendi zuschreibt, hatte selbst William Gilbert noch keine Ahndung, während früher Acosta, „durch portugiesische Seefahrer unterrichtet", auf dem ganzen Erdboden vier Linien ohne Abweichung annahm94. Kaum war in England durch Robert Norman 1576 die Inclinations-Boussole erfunden, so rühmte sich Gilbert mittelst dieses Instruments in dunkler, sternloser Nacht (aëre caliginoso) den Ort des Schiffes zu bestimmen95. Ich habe, auf eigene Beobachtungen in der Südsee gestützt, gleich nach meiner Rückkehr nach Europa gezeigt, wie unter gewissen Localverhältnissen, z. B. an den Küsten von Peru in der Jahreszeit der beständigen Nebel (garua), aus der Inclination die Breite mit einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0326" n="321"/>
mächtige Reiche zu theilen, ohne es zu wissen, gleichzeitig wesentliche Dienste der astronomischen Nautik und der physikalischen Lehre vom Erdmagnetismus. Auch wurden die Seemächte von da an mit einer Unzahl unausführbarer Vorschläge bedrängt. Sebastian Cabot (so berichtet sein Freund Richard Eden) rühmte sich noch auf seinem Sterbebette, daß ihm &#x201E;durch <hi rendition="#g">göttliche Offenbarung</hi> eine untrügliche Methode mitgetheilt worden sei die geographische Länge zu finden". Diese Offenbarung war der feste Glaube an die mit den Meridianen sich regelmäßig und schnell verändernde magnetische Abweichung. Der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, einer der Lehrer des Kaisers Carls V, unternahm es die erste allgemeine <hi rendition="#g">Variations-Carte</hi><note xml:id="ftn432" next="#ftn432-text" place="end" n="93"/> zu entwerfen: schon um das Jahr 1530, also anderthalb Jahrhunderte vor Halley, freilich nach sehr unvollständigen Beobachtungen.</p>
              <p>Von dem Fortschreiten, d. h. der <hi rendition="#g">Bewegung</hi> der magnetischen Linien, deren Kenntniß man gewöhnlich dem Gassendi zuschreibt, hatte selbst William Gilbert noch keine Ahndung, während früher Acosta, &#x201E;durch portugiesische Seefahrer unterrichtet", auf dem ganzen Erdboden vier Linien ohne Abweichung annahm<note xml:id="ftn433" next="#ftn433-text" place="end" n="94"/>. Kaum war in England durch Robert Norman 1576 die Inclinations-Boussole erfunden, so rühmte sich Gilbert mittelst dieses Instruments in dunkler, sternloser Nacht (aëre caliginoso) den Ort des Schiffes zu bestimmen<note xml:id="ftn434" next="#ftn434-text" place="end" n="95"/>. Ich habe, auf eigene Beobachtungen in der Südsee gestützt, gleich nach meiner Rückkehr nach Europa gezeigt, wie unter gewissen Localverhältnissen, z. B. an den Küsten von Peru in der Jahreszeit der beständigen Nebel (garua), aus der Inclination die <hi rendition="#g">Breite</hi> mit einer
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0326] mächtige Reiche zu theilen, ohne es zu wissen, gleichzeitig wesentliche Dienste der astronomischen Nautik und der physikalischen Lehre vom Erdmagnetismus. Auch wurden die Seemächte von da an mit einer Unzahl unausführbarer Vorschläge bedrängt. Sebastian Cabot (so berichtet sein Freund Richard Eden) rühmte sich noch auf seinem Sterbebette, daß ihm „durch göttliche Offenbarung eine untrügliche Methode mitgetheilt worden sei die geographische Länge zu finden". Diese Offenbarung war der feste Glaube an die mit den Meridianen sich regelmäßig und schnell verändernde magnetische Abweichung. Der Cosmograph Alonso de Santa Cruz, einer der Lehrer des Kaisers Carls V, unternahm es die erste allgemeine Variations-Carte ⁹³ zu entwerfen: schon um das Jahr 1530, also anderthalb Jahrhunderte vor Halley, freilich nach sehr unvollständigen Beobachtungen. Von dem Fortschreiten, d. h. der Bewegung der magnetischen Linien, deren Kenntniß man gewöhnlich dem Gassendi zuschreibt, hatte selbst William Gilbert noch keine Ahndung, während früher Acosta, „durch portugiesische Seefahrer unterrichtet", auf dem ganzen Erdboden vier Linien ohne Abweichung annahm ⁹⁴ . Kaum war in England durch Robert Norman 1576 die Inclinations-Boussole erfunden, so rühmte sich Gilbert mittelst dieses Instruments in dunkler, sternloser Nacht (aëre caliginoso) den Ort des Schiffes zu bestimmen ⁹⁵ . Ich habe, auf eigene Beobachtungen in der Südsee gestützt, gleich nach meiner Rückkehr nach Europa gezeigt, wie unter gewissen Localverhältnissen, z. B. an den Küsten von Peru in der Jahreszeit der beständigen Nebel (garua), aus der Inclination die Breite mit einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/326
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/326>, abgerufen am 28.11.2024.