Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Die Empfänglichkeit für eine freiere Ausbildung des Geistes war vorhanden, als, durch viele zufällig scheinende Verhältnisse begünstigt, die griechische Litteratur, in ihren alten Wohnsitzen bedrängt, eine sichere Stelle in den Abendländern gewann. Die classischen Studien der Araber waren allem fremd geblieben, was der begeisterten Sprache angehört. Sie waren auf eine sehr geringe Anzahl von Schriftstellern des Alterthums beschränkt: nach der entschiedenen Vorliebe des Volkes für das Naturstudium vorzugsweise auf die physischen Bücher des Aristoteles, auf das Almagest des Ptolemäus, die Botanik und Chemie des Dioscorides, die cosmologischen Phantasien des Plato. Die aristotelische Dialectik wurde bei den Arabern mit der Physik, wie in den früheren Zeiten des christlichen Mittelalters mit der Theologie verschwistert. Man entlehnte den Alten, was man zu speciellen Anwendungen benutzen konnte; aber man war weit entfernt den Geist des Griechenthums im ganzen zu erfassen, in den organischen Bau der Sprache einzudringen, sich der dichterischen Schöpfungen zu erfreuen, den wundervollen Reichthum in dem Gebiet der Redekunst und der Geschichtsschreibung zu ergründen. Fast zwei Jahrhunderte vor Petrarca und Boccaccio hatten allerdings schon Johann von Salisbury und der platonisirende Abälard wohlthätig auf die Bekanntschaft mit einigen Werken des classischen Alterthums gewirkt. Beide hatten Sinn für die Anmuth von Schriften, in denen Freiheit und Maaß, Natur und Geist sich stets mit einander verschwistert finden; aber der Einfluß des in ihnen angeregten ästhetischen Gefühls schwand spurlos dahin. Der eigentliche Ruhm den geflüchteten griechischen Musen in Die Empfänglichkeit für eine freiere Ausbildung des Geistes war vorhanden, als, durch viele zufällig scheinende Verhältnisse begünstigt, die griechische Litteratur, in ihren alten Wohnsitzen bedrängt, eine sichere Stelle in den Abendländern gewann. Die classischen Studien der Araber waren allem fremd geblieben, was der begeisterten Sprache angehört. Sie waren auf eine sehr geringe Anzahl von Schriftstellern des Alterthums beschränkt: nach der entschiedenen Vorliebe des Volkes für das Naturstudium vorzugsweise auf die physischen Bücher des Aristoteles, auf das Almagest des Ptolemäus, die Botanik und Chemie des Dioscorides, die cosmologischen Phantasien des Plato. Die aristotelische Dialectik wurde bei den Arabern mit der Physik, wie in den früheren Zeiten des christlichen Mittelalters mit der Theologie verschwistert. Man entlehnte den Alten, was man zu speciellen Anwendungen benutzen konnte; aber man war weit entfernt den Geist des Griechenthums im ganzen zu erfassen, in den organischen Bau der Sprache einzudringen, sich der dichterischen Schöpfungen zu erfreuen, den wundervollen Reichthum in dem Gebiet der Redekunst und der Geschichtsschreibung zu ergründen. Fast zwei Jahrhunderte vor Petrarca und Boccaccio hatten allerdings schon Johann von Salisbury und der platonisirende Abälard wohlthätig auf die Bekanntschaft mit einigen Werken des classischen Alterthums gewirkt. Beide hatten Sinn für die Anmuth von Schriften, in denen Freiheit und Maaß, Natur und Geist sich stets mit einander verschwistert finden; aber der Einfluß des in ihnen angeregten ästhetischen Gefühls schwand spurlos dahin. Der eigentliche Ruhm den geflüchteten griechischen Musen in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0293" n="288"/> Die Empfänglichkeit für eine freiere Ausbildung des Geistes war vorhanden, als, durch viele zufällig scheinende Verhältnisse begünstigt, die griechische Litteratur, in ihren alten Wohnsitzen bedrängt, eine sichere Stelle in den Abendländern gewann. Die classischen Studien der Araber waren allem fremd geblieben, was der begeisterten Sprache angehört. Sie waren auf eine sehr geringe Anzahl von Schriftstellern des Alterthums beschränkt: nach der entschiedenen Vorliebe des Volkes für das Naturstudium vorzugsweise auf die physischen Bücher des Aristoteles, auf das Almagest des Ptolemäus, die Botanik und Chemie des Dioscorides, die cosmologischen Phantasien des Plato. Die aristotelische Dialectik wurde bei den Arabern mit der Physik, wie in den früheren Zeiten des christlichen Mittelalters mit der Theologie verschwistert. Man entlehnte den Alten, was man zu speciellen Anwendungen benutzen konnte; aber man war weit entfernt den Geist des Griechenthums im ganzen zu erfassen, in den organischen Bau der Sprache einzudringen, sich der dichterischen Schöpfungen zu erfreuen, den wundervollen Reichthum in dem Gebiet der Redekunst und der Geschichtsschreibung zu ergründen.</p> <p>Fast zwei Jahrhunderte vor Petrarca und Boccaccio hatten allerdings schon Johann von Salisbury und der platonisirende Abälard wohlthätig auf die Bekanntschaft mit einigen Werken des classischen Alterthums gewirkt. Beide hatten Sinn für die Anmuth von Schriften, in denen Freiheit und Maaß, Natur und Geist sich stets mit einander verschwistert finden; aber der Einfluß des in ihnen angeregten ästhetischen Gefühls schwand spurlos dahin. Der eigentliche Ruhm den geflüchteten griechischen Musen in </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0293]
Die Empfänglichkeit für eine freiere Ausbildung des Geistes war vorhanden, als, durch viele zufällig scheinende Verhältnisse begünstigt, die griechische Litteratur, in ihren alten Wohnsitzen bedrängt, eine sichere Stelle in den Abendländern gewann. Die classischen Studien der Araber waren allem fremd geblieben, was der begeisterten Sprache angehört. Sie waren auf eine sehr geringe Anzahl von Schriftstellern des Alterthums beschränkt: nach der entschiedenen Vorliebe des Volkes für das Naturstudium vorzugsweise auf die physischen Bücher des Aristoteles, auf das Almagest des Ptolemäus, die Botanik und Chemie des Dioscorides, die cosmologischen Phantasien des Plato. Die aristotelische Dialectik wurde bei den Arabern mit der Physik, wie in den früheren Zeiten des christlichen Mittelalters mit der Theologie verschwistert. Man entlehnte den Alten, was man zu speciellen Anwendungen benutzen konnte; aber man war weit entfernt den Geist des Griechenthums im ganzen zu erfassen, in den organischen Bau der Sprache einzudringen, sich der dichterischen Schöpfungen zu erfreuen, den wundervollen Reichthum in dem Gebiet der Redekunst und der Geschichtsschreibung zu ergründen.
Fast zwei Jahrhunderte vor Petrarca und Boccaccio hatten allerdings schon Johann von Salisbury und der platonisirende Abälard wohlthätig auf die Bekanntschaft mit einigen Werken des classischen Alterthums gewirkt. Beide hatten Sinn für die Anmuth von Schriften, in denen Freiheit und Maaß, Natur und Geist sich stets mit einander verschwistert finden; aber der Einfluß des in ihnen angeregten ästhetischen Gefühls schwand spurlos dahin. Der eigentliche Ruhm den geflüchteten griechischen Musen in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |