Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Bekr Arrasi) sind von den wichtigsten Folgen gewesen. Die Bereitung von Schwefel- und Salpetersäure5, von Königswasser, Quecksilber-Präparaten und anderen Metalloxyden, die Kenntniß des alkoholischen6 Gährungsprocesses bezeichnen diese Epoche. Die erste wissenschaftliche Begründung und die Fortschritte der Chemie sind für die Geschichte der Weltanschauung um so wichtiger, als nun zuerst die Heterogeneität der Stoffe und die Natur von Kräften erkannt wurden, die sich nicht durch Bewegung sichtbar verkündigen und neben der pythagoreisch-platonischen "Vollkommenheit" der Form auch der Mischung Geltung verschafften. Unterschiede der Form und Mischung sind aber die Elemente unseres ganzen Wissens von der Materie, die Abstractionen, unter denen wir glauben das allbewegte Weltganze zu erfassen, messend und zersetzend zugleich.

Was die arabischen Chemiker mögen aus ihrer Bekanntschaft mit der indischen Litteratur (den Schriften über das Rasayana7), aus den uralten technischen Künsten der Aegypter, aus den neuen alchymistischen Vorschriften des Pseudo-Democritus und des Sophisten Synesius, oder gar aus chinesischen Quellen durch Vermittelung der Mongolen geschöpft haben: ist für jetzt schwer zu entscheiden. Nach den neuesten sehr sorgfältigen Untersuchungen eines berühmten Orientalisten, Herrn Reinaud, darf wenigstens die Erfindung des Schießpulvers8 und dessen Anwendung zur Fortschleuderung von hohlen Projectilen nicht den Arabern zugeschrieben werden. Hassan Al-Rammah, welcher zwischen 1285 und 1295 schrieb, kannte diese Anwendung nicht, während daß bereits im zwölften Jahrhundert, also fast 200 Jahre vor Berthold Schwarz, im Rammelsberge

Bekr Arrasi) sind von den wichtigsten Folgen gewesen. Die Bereitung von Schwefel- und Salpetersäure5, von Königswasser, Quecksilber-Präparaten und anderen Metalloxyden, die Kenntniß des alkoholischen6 Gährungsprocesses bezeichnen diese Epoche. Die erste wissenschaftliche Begründung und die Fortschritte der Chemie sind für die Geschichte der Weltanschauung um so wichtiger, als nun zuerst die Heterogeneität der Stoffe und die Natur von Kräften erkannt wurden, die sich nicht durch Bewegung sichtbar verkündigen und neben der pythagoreisch-platonischen „Vollkommenheit" der Form auch der Mischung Geltung verschafften. Unterschiede der Form und Mischung sind aber die Elemente unseres ganzen Wissens von der Materie, die Abstractionen, unter denen wir glauben das allbewegte Weltganze zu erfassen, messend und zersetzend zugleich.

Was die arabischen Chemiker mögen aus ihrer Bekanntschaft mit der indischen Litteratur (den Schriften über das Rasayana7), aus den uralten technischen Künsten der Aegypter, aus den neuen alchymistischen Vorschriften des Pseudo-Democritus und des Sophisten Synesius, oder gar aus chinesischen Quellen durch Vermittelung der Mongolen geschöpft haben: ist für jetzt schwer zu entscheiden. Nach den neuesten sehr sorgfältigen Untersuchungen eines berühmten Orientalisten, Herrn Reinaud, darf wenigstens die Erfindung des Schießpulvers8 und dessen Anwendung zur Fortschleuderung von hohlen Projectilen nicht den Arabern zugeschrieben werden. Hassan Al-Rammah, welcher zwischen 1285 und 1295 schrieb, kannte diese Anwendung nicht, während daß bereits im zwölften Jahrhundert, also fast 200 Jahre vor Berthold Schwarz, im Rammelsberge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0262" n="257"/>
Bekr Arrasi) sind von den wichtigsten Folgen gewesen. Die Bereitung von Schwefel- und Salpetersäure<note xml:id="ftn344" next="#ftn344-text" place="end" n="5"/>, von Königswasser, Quecksilber-Präparaten und anderen Metalloxyden, die Kenntniß des alkoholischen<note xml:id="ftn345" next="#ftn345-text" place="end" n="6"/> Gährungsprocesses bezeichnen diese Epoche. Die erste wissenschaftliche Begründung und die Fortschritte der <hi rendition="#g">Chemie</hi> sind für die Geschichte der Weltanschauung um so wichtiger, als nun zuerst die Heterogeneität der Stoffe und die Natur von Kräften erkannt wurden, die sich nicht durch Bewegung sichtbar verkündigen und neben der pythagoreisch-platonischen &#x201E;Vollkommenheit" der <hi rendition="#g">Form</hi> auch der <hi rendition="#g">Mischung</hi> Geltung verschafften. Unterschiede der <hi rendition="#g">Form</hi> und <hi rendition="#g">Mischung</hi> sind aber die Elemente unseres ganzen Wissens von der Materie, die Abstractionen, unter denen wir glauben das allbewegte <hi rendition="#g">Weltganze</hi> zu <hi rendition="#g">erfassen,</hi> messend und zersetzend zugleich.</p>
              <p>Was die arabischen Chemiker mögen aus ihrer Bekanntschaft mit der indischen Litteratur (den Schriften über das Rasayana<note xml:id="ftn346" next="#ftn346-text" place="end" n="7"/>), aus den uralten technischen Künsten der Aegypter, aus den neuen alchymistischen Vorschriften des Pseudo-Democritus und des Sophisten Synesius, oder gar aus chinesischen Quellen durch Vermittelung der Mongolen geschöpft haben: ist für jetzt schwer zu entscheiden. Nach den neuesten sehr sorgfältigen Untersuchungen eines berühmten Orientalisten, Herrn Reinaud, darf wenigstens die Erfindung des <hi rendition="#g">Schießpulvers</hi><note xml:id="ftn347" next="#ftn347-text" place="end" n="8"/> und dessen Anwendung zur Fortschleuderung von hohlen Projectilen nicht den Arabern zugeschrieben werden. Hassan Al-Rammah, welcher zwischen 1285 und 1295 schrieb, kannte diese Anwendung nicht, während daß bereits im zwölften Jahrhundert, also fast 200 Jahre vor Berthold Schwarz, im Rammelsberge
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0262] Bekr Arrasi) sind von den wichtigsten Folgen gewesen. Die Bereitung von Schwefel- und Salpetersäure ⁵ , von Königswasser, Quecksilber-Präparaten und anderen Metalloxyden, die Kenntniß des alkoholischen ⁶ Gährungsprocesses bezeichnen diese Epoche. Die erste wissenschaftliche Begründung und die Fortschritte der Chemie sind für die Geschichte der Weltanschauung um so wichtiger, als nun zuerst die Heterogeneität der Stoffe und die Natur von Kräften erkannt wurden, die sich nicht durch Bewegung sichtbar verkündigen und neben der pythagoreisch-platonischen „Vollkommenheit" der Form auch der Mischung Geltung verschafften. Unterschiede der Form und Mischung sind aber die Elemente unseres ganzen Wissens von der Materie, die Abstractionen, unter denen wir glauben das allbewegte Weltganze zu erfassen, messend und zersetzend zugleich. Was die arabischen Chemiker mögen aus ihrer Bekanntschaft mit der indischen Litteratur (den Schriften über das Rasayana ⁷ ), aus den uralten technischen Künsten der Aegypter, aus den neuen alchymistischen Vorschriften des Pseudo-Democritus und des Sophisten Synesius, oder gar aus chinesischen Quellen durch Vermittelung der Mongolen geschöpft haben: ist für jetzt schwer zu entscheiden. Nach den neuesten sehr sorgfältigen Untersuchungen eines berühmten Orientalisten, Herrn Reinaud, darf wenigstens die Erfindung des Schießpulvers ⁸ und dessen Anwendung zur Fortschleuderung von hohlen Projectilen nicht den Arabern zugeschrieben werden. Hassan Al-Rammah, welcher zwischen 1285 und 1295 schrieb, kannte diese Anwendung nicht, während daß bereits im zwölften Jahrhundert, also fast 200 Jahre vor Berthold Schwarz, im Rammelsberge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/262
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/262>, abgerufen am 24.11.2024.