Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.politischen Zustand der ungeheuren Länderstrecke, die sich zwischen dem vulkanischen Himmelsgebirge (Thian-schan) und der Kette des nördlichen Tübet (dem Kuen-lün) hinzieht. Eine chinesische Kriegsmacht bedrängte die Hiungnu, machte zinsbar die kleinen Reiche von Khotan und Kaschgar, und trug ihre siegreichen Waffen bis an die östliche Küste des caspischen Meeres. Das ist die große Expedition des Feldherrn Pantschab unter dem Kaiser Mingti aus der Dynastie der Han. Sie fällt in die Zeiten des Vespasian und Domitianus. Chinesische Schriftsteller schreiben sogar dem kühnen und glücklichen Feldherrn einen großartigeren Plan zu; sie behaupten, er habe das Reich der Römer (Tathsin) angreifen wollen, aber die Perser hätten ihn abgemahnt.46 So entstanden Verbindungen zwischen den Küsten des stillen Meeres, dem Schensi und jenem Oxus-Gebiete, in welchem von früher Zeit her ein lebhafter Handel mit dem schwarzen Meere getrieben wurde. Die Richtung der großen Völkerfluthen in Asien war von Osten nach Westen, in dem Neuen Continente von Norden gegen Süden. Anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, fast zur Zeit der Zerstörung von Korinth und Carthago, gab der Anfall der Hiungnu (eines türkischen Stammes, den Deguignes und Johannes Müller mit den finnischen Hunnen verwechseln) auf die blonde und blauäugige, wahrscheinlich indogermanische Race47 der Yueti (Geten?) und Usün, nahe an der chinesischen Mauer, den ersten Anstoß zu der Völkerwanderung, welche die Grenzen von Europa erst um ein halbes Jahrtausend später berührte. So hat sich langsam die Völkerwelle vom oberen Flußthal des Huangho nach Westen bis zum Don und zur politischen Zustand der ungeheuren Länderstrecke, die sich zwischen dem vulkanischen Himmelsgebirge (Thian-schan) und der Kette des nördlichen Tübet (dem Kuen-lün) hinzieht. Eine chinesische Kriegsmacht bedrängte die Hiungnu, machte zinsbar die kleinen Reiche von Khotan und Kaschgar, und trug ihre siegreichen Waffen bis an die östliche Küste des caspischen Meeres. Das ist die große Expedition des Feldherrn Pantschab unter dem Kaiser Mingti aus der Dynastie der Han. Sie fällt in die Zeiten des Vespasian und Domitianus. Chinesische Schriftsteller schreiben sogar dem kühnen und glücklichen Feldherrn einen großartigeren Plan zu; sie behaupten, er habe das Reich der Römer (Tathsin) angreifen wollen, aber die Perser hätten ihn abgemahnt.46 So entstanden Verbindungen zwischen den Küsten des stillen Meeres, dem Schensi und jenem Oxus-Gebiete, in welchem von früher Zeit her ein lebhafter Handel mit dem schwarzen Meere getrieben wurde. Die Richtung der großen Völkerfluthen in Asien war von Osten nach Westen, in dem Neuen Continente von Norden gegen Süden. Anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, fast zur Zeit der Zerstörung von Korinth und Carthago, gab der Anfall der Hiungnu (eines türkischen Stammes, den Deguignes und Johannes Müller mit den finnischen Hunnen verwechseln) auf die blonde und blauäugige, wahrscheinlich indogermanische Race47 der Yueti (Geten?) und Usün, nahe an der chinesischen Mauer, den ersten Anstoß zu der Völkerwanderung, welche die Grenzen von Europa erst um ein halbes Jahrtausend später berührte. So hat sich langsam die Völkerwelle vom oberen Flußthal des Huangho nach Westen bis zum Don und zur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0225" n="220"/> politischen Zustand der ungeheuren Länderstrecke, die sich zwischen dem vulkanischen Himmelsgebirge (Thian-schan) und der Kette des nördlichen Tübet (dem Kuen-lün) hinzieht. Eine chinesische Kriegsmacht bedrängte die Hiungnu, machte zinsbar die kleinen Reiche von Khotan und Kaschgar, und trug ihre siegreichen Waffen bis an die östliche Küste des caspischen Meeres. Das ist die große Expedition des Feldherrn Pantschab unter dem Kaiser Mingti aus der Dynastie der Han. Sie fällt in die Zeiten des Vespasian und Domitianus. Chinesische Schriftsteller schreiben sogar dem kühnen und glücklichen Feldherrn einen großartigeren Plan zu; sie behaupten, er habe das Reich der Römer (Tathsin) angreifen wollen, aber die Perser hätten ihn abgemahnt.<note xml:id="ftn285" next="#ftn285-text" place="end" n="46"/> So entstanden Verbindungen zwischen den Küsten des stillen Meeres, dem Schensi und jenem Oxus-Gebiete, in welchem von früher Zeit her ein lebhafter Handel mit dem schwarzen Meere getrieben wurde.</p> <p>Die Richtung der großen Völkerfluthen in Asien war von Osten nach Westen, in dem Neuen Continente von Norden gegen Süden. Anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, fast zur Zeit der Zerstörung von Korinth und Carthago, gab der Anfall der Hiungnu (eines türkischen Stammes, den Deguignes und Johannes Müller mit den finnischen Hunnen verwechseln) auf die blonde und blauäugige, wahrscheinlich indogermanische Race<note xml:id="ftn286" next="#ftn286-text" place="end" n="47"/> der Yueti (Geten?) und Usün, nahe an der chinesischen Mauer, den ersten Anstoß zu der <hi rendition="#g">Völkerwanderung,</hi> welche die Grenzen von Europa erst um ein halbes Jahrtausend später berührte. So hat sich langsam die Völkerwelle vom oberen Flußthal des Huangho nach Westen bis zum Don und zur </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0225]
politischen Zustand der ungeheuren Länderstrecke, die sich zwischen dem vulkanischen Himmelsgebirge (Thian-schan) und der Kette des nördlichen Tübet (dem Kuen-lün) hinzieht. Eine chinesische Kriegsmacht bedrängte die Hiungnu, machte zinsbar die kleinen Reiche von Khotan und Kaschgar, und trug ihre siegreichen Waffen bis an die östliche Küste des caspischen Meeres. Das ist die große Expedition des Feldherrn Pantschab unter dem Kaiser Mingti aus der Dynastie der Han. Sie fällt in die Zeiten des Vespasian und Domitianus. Chinesische Schriftsteller schreiben sogar dem kühnen und glücklichen Feldherrn einen großartigeren Plan zu; sie behaupten, er habe das Reich der Römer (Tathsin) angreifen wollen, aber die Perser hätten ihn abgemahnt.
⁴⁶
So entstanden Verbindungen zwischen den Küsten des stillen Meeres, dem Schensi und jenem Oxus-Gebiete, in welchem von früher Zeit her ein lebhafter Handel mit dem schwarzen Meere getrieben wurde.
Die Richtung der großen Völkerfluthen in Asien war von Osten nach Westen, in dem Neuen Continente von Norden gegen Süden. Anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, fast zur Zeit der Zerstörung von Korinth und Carthago, gab der Anfall der Hiungnu (eines türkischen Stammes, den Deguignes und Johannes Müller mit den finnischen Hunnen verwechseln) auf die blonde und blauäugige, wahrscheinlich indogermanische Race
⁴⁷
der Yueti (Geten?) und Usün, nahe an der chinesischen Mauer, den ersten Anstoß zu der Völkerwanderung, welche die Grenzen von Europa erst um ein halbes Jahrtausend später berührte. So hat sich langsam die Völkerwelle vom oberen Flußthal des Huangho nach Westen bis zum Don und zur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/225 |
Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/225>, abgerufen am 16.02.2025. |