Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Institut, welches den ersten beiden Lagiden seinen Ursprung verdankte, hat unter vielen Vorzügen lange auch den behauptet, daß seine Mitglieder frei nach ganz verschiedenen Richtungen27 arbeiteten und dabei doch, in einem fremden Lande angesiedelt und von vielerlei Volksstämmen umgeben, das Charakteristische hellenischer Sinnesart, hellenischen Scharfsinnes bewahrten. Wenige Beispiele mögen, nach dem Geiste und der Form dieser historischen Darstellung, genügen, um zu beweisen, wie in der Erd- und Himmelskunde unter dem schützenden Einfluß der Ptolemäer Erfahrung und Beobachtung sich als die wahren Quellen der Erkenntniß Geltung verschafften, wie in der Richtung des alexandrinischen Zeitalters neben dem stoffanhäufenden Sammelfleiße doch immer eine glückliche Verallgemeinerung der Ansichten sich offenbarte. Hatten auch die verschiedenen griechischen Philosophenschulen, nach Nieder-Aegypten verpflanzt, in ihrer orientalischen Ausartung, zu vielen mythischen Deutungen über die Natur der Dinge Anlaß gegeben, so blieb doch im Museum den platonischen Lehren28 als sicherste Stütze das mathematische Wissen. Die Fortschritte dieses Wissens umfaßten fast gleichzeitig reine Mathematik, Mechanik und Astronomie. In Plato's hoher Achtung für mathematische Gedankenentwickelung wie in den alle Organismen umfassenden morphologischen Ansichten des Stagiriten lagen gleichsam die Keime aller späteren Fortschritte der Naturwissenschaft. Sie wurden der Leitstern, welcher den menschlichen Geist durch die Verirrungen der Schwärmerei finsterer Jahrhunderte sicher hindurchgeleitet, sie haben die gesunde wissenschaftliche Geisteskraft nicht ersterben lassen. Institut, welches den ersten beiden Lagiden seinen Ursprung verdankte, hat unter vielen Vorzügen lange auch den behauptet, daß seine Mitglieder frei nach ganz verschiedenen Richtungen27 arbeiteten und dabei doch, in einem fremden Lande angesiedelt und von vielerlei Volksstämmen umgeben, das Charakteristische hellenischer Sinnesart, hellenischen Scharfsinnes bewahrten. Wenige Beispiele mögen, nach dem Geiste und der Form dieser historischen Darstellung, genügen, um zu beweisen, wie in der Erd- und Himmelskunde unter dem schützenden Einfluß der Ptolemäer Erfahrung und Beobachtung sich als die wahren Quellen der Erkenntniß Geltung verschafften, wie in der Richtung des alexandrinischen Zeitalters neben dem stoffanhäufenden Sammelfleiße doch immer eine glückliche Verallgemeinerung der Ansichten sich offenbarte. Hatten auch die verschiedenen griechischen Philosophenschulen, nach Nieder-Aegypten verpflanzt, in ihrer orientalischen Ausartung, zu vielen mythischen Deutungen über die Natur der Dinge Anlaß gegeben, so blieb doch im Museum den platonischen Lehren28 als sicherste Stütze das mathematische Wissen. Die Fortschritte dieses Wissens umfaßten fast gleichzeitig reine Mathematik, Mechanik und Astronomie. In Plato's hoher Achtung für mathematische Gedankenentwickelung wie in den alle Organismen umfassenden morphologischen Ansichten des Stagiriten lagen gleichsam die Keime aller späteren Fortschritte der Naturwissenschaft. 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Hatten auch die verschiedenen griechischen Philosophenschulen, nach Nieder-Aegypten verpflanzt, in ihrer orientalischen Ausartung, zu vielen mythischen Deutungen über die Natur der Dinge Anlaß gegeben, so blieb doch im <hi rendition="#g">Museum</hi> den platonischen Lehren<note xml:id="ftn267" next="#ftn267-text" place="end" n="28"/> als sicherste Stütze das mathematische Wissen. Die Fortschritte dieses Wissens umfaßten fast gleichzeitig reine Mathematik, Mechanik und Astronomie. In Plato's hoher Achtung für mathematische Gedankenentwickelung wie in den alle Organismen umfassenden morphologischen Ansichten des Stagiriten lagen gleichsam die Keime aller späteren Fortschritte der Naturwissenschaft. Sie wurden der Leitstern, welcher den menschlichen Geist durch die Verirrungen der Schwärmerei finsterer Jahrhunderte sicher hindurchgeleitet, sie haben die gesunde wissenschaftliche Geisteskraft nicht ersterben lassen.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0212]
Institut, welches den ersten beiden Lagiden seinen Ursprung verdankte, hat unter vielen Vorzügen lange auch den behauptet, daß seine Mitglieder frei nach ganz verschiedenen Richtungen
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arbeiteten und dabei doch, in einem fremden Lande angesiedelt und von vielerlei Volksstämmen umgeben, das Charakteristische hellenischer Sinnesart, hellenischen Scharfsinnes bewahrten.
Wenige Beispiele mögen, nach dem Geiste und der Form dieser historischen Darstellung, genügen, um zu beweisen, wie in der Erd- und Himmelskunde unter dem schützenden Einfluß der Ptolemäer Erfahrung und Beobachtung sich als die wahren Quellen der Erkenntniß Geltung verschafften, wie in der Richtung des alexandrinischen Zeitalters neben dem stoffanhäufenden Sammelfleiße doch immer eine glückliche Verallgemeinerung der Ansichten sich offenbarte. Hatten auch die verschiedenen griechischen Philosophenschulen, nach Nieder-Aegypten verpflanzt, in ihrer orientalischen Ausartung, zu vielen mythischen Deutungen über die Natur der Dinge Anlaß gegeben, so blieb doch im Museum den platonischen Lehren
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als sicherste Stütze das mathematische Wissen. Die Fortschritte dieses Wissens umfaßten fast gleichzeitig reine Mathematik, Mechanik und Astronomie. In Plato's hoher Achtung für mathematische Gedankenentwickelung wie in den alle Organismen umfassenden morphologischen Ansichten des Stagiriten lagen gleichsam die Keime aller späteren Fortschritte der Naturwissenschaft. Sie wurden der Leitstern, welcher den menschlichen Geist durch die Verirrungen der Schwärmerei finsterer Jahrhunderte sicher hindurchgeleitet, sie haben die gesunde wissenschaftliche Geisteskraft nicht ersterben lassen.
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/212>, abgerufen am 16.02.2025. |