Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.so reichen Naturbildes, der concisen und rein wissenschaftlichen Darstellungsweise des Stagiriten völlig unähnlich, ist selbst als eines der vielen Zeichen der Unächtheit jener Schrift über den Kosmos erkannt worden. Mag sie immerhin dem Appulejus18 oder dem Chrysippus19 oder wem sonst zugehören! Die naturbeschreibende Stelle, die wir als aristotelisch entbehren, wird uns gleichsam durch eine andere ächte ersetzt, welche Cicero uns erhalten hat. Aus einem verlorenen Werke des Aristoteles führt dieser in wörtlicher Uebertragung20 folgendes an: "Wenn es Wesen gäbe, die in den Tiefen der Erde immerfort in Wohnungen lebten, welche mit Statuen und Gemälden und allem dem verziert wären, was die für glücklich Gehaltenen in reicher Fülle besitzen; wenn dann diese Wesen Kunde erhielten von dem Walten und der Macht der Götter, und durch die geöffneten Erdspalten aus jenen verborgenen Sitzen herausträten an die Orte, die wir bewohnen; wenn sie urplötzlich Erde und Meer und das Himmelsgewölbe erblickten, den Umfang der Wolken und die Kraft der Winde erkennten, die Sonne bewunderten in ihrer Größe, Schönheit und lichtausströmenden Wirkung; wenn sie endlich, sobald die einbrechende Nacht die Erde in Finsterniß hüllt, den Sternenhimmel, den lichtwechselnden Mond, den Auf- und Untergang der Gestirne und ihren von Ewigkeit her geordneten unveränderlichen Lauf erblickten: so würden sie wahrlich aussprechen, es gebe Götter und so große Dinge seien ihr Werk." Man hat mit Recht gesagt, daß diese Worte allein schon hinreichen Cicero's Ausspruch über "den goldenen Strom der Aristotelischen Rede" zu bewähren21, daß in ihnen etwas von der begeisternden Kraft des Platonischen Genius weht. so reichen Naturbildes, der concisen und rein wissenschaftlichen Darstellungsweise des Stagiriten völlig unähnlich, ist selbst als eines der vielen Zeichen der Unächtheit jener Schrift über den Kosmos erkannt worden. Mag sie immerhin dem Appulejus18 oder dem Chrysippus19 oder wem sonst zugehören! Die naturbeschreibende Stelle, die wir als aristotelisch entbehren, wird uns gleichsam durch eine andere ächte ersetzt, welche Cicero uns erhalten hat. Aus einem verlorenen Werke des Aristoteles führt dieser in wörtlicher Uebertragung20 folgendes an: „Wenn es Wesen gäbe, die in den Tiefen der Erde immerfort in Wohnungen lebten, welche mit Statuen und Gemälden und allem dem verziert wären, was die für glücklich Gehaltenen in reicher Fülle besitzen; wenn dann diese Wesen Kunde erhielten von dem Walten und der Macht der Götter, und durch die geöffneten Erdspalten aus jenen verborgenen Sitzen herausträten an die Orte, die wir bewohnen; wenn sie urplötzlich Erde und Meer und das Himmelsgewölbe erblickten, den Umfang der Wolken und die Kraft der Winde erkennten, die Sonne bewunderten in ihrer Größe, Schönheit und lichtausströmenden Wirkung; wenn sie endlich, sobald die einbrechende Nacht die Erde in Finsterniß hüllt, den Sternenhimmel, den lichtwechselnden Mond, den Auf- und Untergang der Gestirne und ihren von Ewigkeit her geordneten unveränderlichen Lauf erblickten: so würden sie wahrlich aussprechen, es gebe Götter und so große Dinge seien ihr Werk." Man hat mit Recht gesagt, daß diese Worte allein schon hinreichen Cicero's Ausspruch über „den goldenen Strom der Aristotelischen Rede" zu bewähren21, daß in ihnen etwas von der begeisternden Kraft des Platonischen Genius weht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0020" n="15"/> so reichen Naturbildes, der concisen und rein wissenschaftlichen Darstellungsweise des Stagiriten völlig unähnlich, ist selbst als eines der vielen Zeichen der Unächtheit jener Schrift <hi rendition="#g">über den Kosmos</hi> erkannt worden. Mag sie immerhin dem Appulejus<note xml:id="ftn17" next="ftn17-text" place="end" n="18"/> oder dem Chrysippus<note xml:id="ftn18" next="ftn18-text" place="end" n="19"/> oder wem sonst zugehören! Die naturbeschreibende Stelle, die wir als aristotelisch entbehren, wird uns gleichsam durch eine andere ächte ersetzt, welche Cicero uns erhalten hat. 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so reichen Naturbildes, der concisen und rein wissenschaftlichen Darstellungsweise des Stagiriten völlig unähnlich, ist selbst als eines der vielen Zeichen der Unächtheit jener Schrift über den Kosmos erkannt worden. Mag sie immerhin dem Appulejus
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oder wem sonst zugehören! Die naturbeschreibende Stelle, die wir als aristotelisch entbehren, wird uns gleichsam durch eine andere ächte ersetzt, welche Cicero uns erhalten hat. Aus einem verlorenen Werke des Aristoteles führt dieser in wörtlicher Uebertragung
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folgendes an: „Wenn es Wesen gäbe, die in den Tiefen der Erde immerfort in Wohnungen lebten, welche mit Statuen und Gemälden und allem dem verziert wären, was die für glücklich Gehaltenen in reicher Fülle besitzen; wenn dann diese Wesen Kunde erhielten von dem Walten und der Macht der Götter, und durch die geöffneten Erdspalten aus jenen verborgenen Sitzen herausträten an die Orte, die wir bewohnen; wenn sie urplötzlich Erde und Meer und das Himmelsgewölbe erblickten, den Umfang der Wolken und die Kraft der Winde erkennten, die Sonne bewunderten in ihrer Größe, Schönheit und lichtausströmenden Wirkung; wenn sie endlich, sobald die einbrechende Nacht die Erde in Finsterniß hüllt, den Sternenhimmel, den lichtwechselnden Mond, den Auf- und Untergang der Gestirne und ihren von Ewigkeit her geordneten unveränderlichen Lauf erblickten: so würden sie wahrlich aussprechen, es gebe Götter und so große Dinge seien ihr Werk." Man hat mit Recht gesagt, daß diese Worte allein schon hinreichen Cicero's Ausspruch über „den goldenen Strom der Aristotelischen Rede" zu bewähren
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/20>, abgerufen am 16.07.2024. |