Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.objectiver Sinnesart geleitet, durch Dichtung und Kunst phantasiereich verschönert, hat das ionische Leben überall, wo es in den Pflanzstädten verbreitet war, die wohlthätigen Keime fortschreitender Bildung ausgestreut. War dem Charakter der griechischen Landschaft54 der eigenthümliche Reiz einer innigen Verschmelzung des Festen und Flüssigen gegeben, so mußte die Gliederung der Länderform, welche diese Verschmelzung begründet, auch früh die Griechen zu Schifffahrt, zu thätigem Handelsverkehr und zu der Berührung mit Fremden anreizen. Auf die Seeherrschaft der Creter und Rhodier folgten die, freilich anfangs auf Menschenraub und Plünderung gerichteten Expeditionen der Samier, Phocäer, Taphier und Thesproten. Die Hesiodische Abneigung gegen das Seeleben bezeugt wohl nur eine individuelle Ansicht oder die schüchterne Unkunde in der Nautik bei anfangender Gesittung im Festlande von Hellas. Dagegen haben die ältesten Sagengeschichten und Mythen Bezug auf weite Wanderungen, auf eine weite Schifffahrt, eben als erfreue sich die jugendliche Phantasie des Menschengeschlechts an dem Contraste zwischen den idealen Schöpfungen und einer beschränkten Wirklichkeit; so die Züge des Dionysus und Hercules (Melkarth im Tempel zu Gadeira), die Wanderung der Jo55, des oft wieder erstandenen Aristeas, des hyperboreischen Wundermannes Abaris, in dessen leitendem Pfeile56 man einen Compaß zu erkennen gewähnt hat. In solchen Wanderungen spiegeln sich gegenseitig Begebenheiten und alte Weltansichten; ja die fortschreitende Veränderlichkeit der letzteren wirkt auf das Mythisch-Geschichtliche zurück. In den Irrfahrten der von Troja zurückkehrenden Helden ließ Aristonikus den objectiver Sinnesart geleitet, durch Dichtung und Kunst phantasiereich verschönert, hat das ionische Leben überall, wo es in den Pflanzstädten verbreitet war, die wohlthätigen Keime fortschreitender Bildung ausgestreut. War dem Charakter der griechischen Landschaft54 der eigenthümliche Reiz einer innigen Verschmelzung des Festen und Flüssigen gegeben, so mußte die Gliederung der Länderform, welche diese Verschmelzung begründet, auch früh die Griechen zu Schifffahrt, zu thätigem Handelsverkehr und zu der Berührung mit Fremden anreizen. Auf die Seeherrschaft der Creter und Rhodier folgten die, freilich anfangs auf Menschenraub und Plünderung gerichteten Expeditionen der Samier, Phocäer, Taphier und Thesproten. Die Hesiodische Abneigung gegen das Seeleben bezeugt wohl nur eine individuelle Ansicht oder die schüchterne Unkunde in der Nautik bei anfangender Gesittung im Festlande von Hellas. Dagegen haben die ältesten Sagengeschichten und Mythen Bezug auf weite Wanderungen, auf eine weite Schifffahrt, eben als erfreue sich die jugendliche Phantasie des Menschengeschlechts an dem Contraste zwischen den idealen Schöpfungen und einer beschränkten Wirklichkeit; so die Züge des Dionysus und Hercules (Melkarth im Tempel zu Gadeira), die Wanderung der Jo55, des oft wieder erstandenen Aristeas, des hyperboreischen Wundermannes Abaris, in dessen leitendem Pfeile56 man einen Compaß zu erkennen gewähnt hat. In solchen Wanderungen spiegeln sich gegenseitig Begebenheiten und alte Weltansichten; ja die fortschreitende Veränderlichkeit der letzteren wirkt auf das Mythisch-Geschichtliche zurück. In den Irrfahrten der von Troja zurückkehrenden Helden ließ Aristonikus den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0178" n="173"/> objectiver Sinnesart geleitet, durch Dichtung und Kunst phantasiereich verschönert, hat das <hi rendition="#g">ionische Leben</hi> überall, wo es in den Pflanzstädten verbreitet war, die wohlthätigen Keime fortschreitender Bildung ausgestreut.</p> <p>War dem Charakter der <hi rendition="#g">griechischen Landschaft</hi><note xml:id="ftn193" next="#ftn193-text" place="end" n="54"/> der eigenthümliche Reiz einer innigen Verschmelzung des Festen und Flüssigen gegeben, so mußte die Gliederung der Länderform, welche diese Verschmelzung begründet, auch früh die Griechen zu Schifffahrt, zu thätigem Handelsverkehr und zu der Berührung mit Fremden anreizen. Auf die Seeherrschaft der Creter und Rhodier folgten die, freilich anfangs auf Menschenraub und Plünderung gerichteten Expeditionen der Samier, Phocäer, Taphier und Thesproten. Die Hesiodische Abneigung gegen das Seeleben bezeugt wohl nur eine individuelle Ansicht oder die schüchterne Unkunde in der Nautik bei anfangender Gesittung im Festlande von Hellas. Dagegen haben die ältesten Sagengeschichten und Mythen Bezug auf weite Wanderungen, auf eine weite Schifffahrt, eben als erfreue sich die jugendliche Phantasie des Menschengeschlechts an dem Contraste zwischen den idealen Schöpfungen und einer beschränkten Wirklichkeit; so die Züge des Dionysus und Hercules (Melkarth im Tempel zu Gadeira), die Wanderung der Jo<note xml:id="ftn194" next="#ftn194-text" place="end" n="55"/>, des oft wieder erstandenen Aristeas, des hyperboreischen Wundermannes Abaris, in dessen leitendem Pfeile<note xml:id="ftn195" next="#ftn195-text" place="end" n="56"/> man einen Compaß zu erkennen gewähnt hat. In solchen Wanderungen spiegeln sich gegenseitig Begebenheiten und alte Weltansichten; ja die fortschreitende Veränderlichkeit der letzteren wirkt auf das Mythisch-Geschichtliche zurück. In den Irrfahrten der von Troja zurückkehrenden Helden ließ Aristonikus den </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0178]
objectiver Sinnesart geleitet, durch Dichtung und Kunst phantasiereich verschönert, hat das ionische Leben überall, wo es in den Pflanzstädten verbreitet war, die wohlthätigen Keime fortschreitender Bildung ausgestreut.
War dem Charakter der griechischen Landschaft
⁵⁴
der eigenthümliche Reiz einer innigen Verschmelzung des Festen und Flüssigen gegeben, so mußte die Gliederung der Länderform, welche diese Verschmelzung begründet, auch früh die Griechen zu Schifffahrt, zu thätigem Handelsverkehr und zu der Berührung mit Fremden anreizen. Auf die Seeherrschaft der Creter und Rhodier folgten die, freilich anfangs auf Menschenraub und Plünderung gerichteten Expeditionen der Samier, Phocäer, Taphier und Thesproten. Die Hesiodische Abneigung gegen das Seeleben bezeugt wohl nur eine individuelle Ansicht oder die schüchterne Unkunde in der Nautik bei anfangender Gesittung im Festlande von Hellas. Dagegen haben die ältesten Sagengeschichten und Mythen Bezug auf weite Wanderungen, auf eine weite Schifffahrt, eben als erfreue sich die jugendliche Phantasie des Menschengeschlechts an dem Contraste zwischen den idealen Schöpfungen und einer beschränkten Wirklichkeit; so die Züge des Dionysus und Hercules (Melkarth im Tempel zu Gadeira), die Wanderung der Jo
⁵⁵
, des oft wieder erstandenen Aristeas, des hyperboreischen Wundermannes Abaris, in dessen leitendem Pfeile
⁵⁶
man einen Compaß zu erkennen gewähnt hat. In solchen Wanderungen spiegeln sich gegenseitig Begebenheiten und alte Weltansichten; ja die fortschreitende Veränderlichkeit der letzteren wirkt auf das Mythisch-Geschichtliche zurück. In den Irrfahrten der von Troja zurückkehrenden Helden ließ Aristonikus den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |