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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Adonien waren also ein Trauerfest der Weiber, eines jener Feste, durch welche das Alterthum die hinsterbende Natur betrauerte. Wie wir von Treibhauspflanzen reden im Gegensatze des Naturwüchsigen, so haben die Alten oft sprichwörtlich das Wort Adonisgarten gebraucht, um damit schnell Emporgesprossenes, aber nicht zu tüchtiger Reife und Dauer Gediehenes zu bezeichnen. Die Pflanzen, nicht vielfarbige Blumen, nur Lattich, Fenchel, Gerste und Weizen, wurden mit emsiger Pflege zu schnellem Wachsthum gebracht; auch nicht im Winter, sondern im vollen Sommer, und in einer Zeit von acht Tagen." Creuzer (Symbolik und Mythologie Th. II. 1841 S. 427, 430, 479 und 481) glaubt indeß, daß zur Beschleunigung des Wachsthums der Pflanzen in den Adonisgärtchen "starke natürliche, und auch wohl künstliche Wärme im Zimmer angewendet wurde". -- Der Klostergarten des Dominicauer-Klosters in Cöln erinnert übrigens an ein grönländisches oder isländisches Kloster des heil. Thomas, dessen immer schneeloser Garten durch natürliche heiße Quellen erwärmt war, wie die Fratelli Zeni in ihren, freilich der geographischen Oertlichkeit nach sehr problematischen Reisen (1388-1404) berichten. (Vergl. Zurla, Viaggiatori Veneziani T. II. p. 63-69 und Humboldt, Examen crit. de l'hist. de la Geographie T. II. p. 127.) -- In unseren botanischen Gärten scheint die Anlage eigentlicher Treibhäuser viel neuer zu sein, als man gewöhnlich glaubt. Reife Ananas wurden erst am Ende des 17ten Jahrhunderts erzielt (Beckmann, Geschichte der Erfindungen Bd. IV. S. 287); ja Linne behauptet sogar in der Musa Cliffortiana florens Hartecampi, daß man Pisang in Europa zum ersten Male zu Wien im Garten des Prinzen Eugen 1731 habe blühen sehen.
25 (S. 86.) Diese Ansichten der Tropen-Vegetation, welche die Physiognomik der Gewächse charakterisiren, bilden in dem Königl. Museum zu Berlin (Abtheilung der Miniaturen, Handzeichnungen und Kupferstiche) einen Kunstschatz, der seiner Eigenthümlichkeit und malerischen Mannigfaltigkeit nach bisher mit keiner anderen Sammlung verglichen werden kann. Des Freiherrn von Kittlitz edirte Blätter führen den Titel: Vegetations-Ansichten der Küstenländer und Inseln des stillen Oceans, aufgenommen 1827-1829 auf der Entdeckungsreise der kais. russ. Corvette Senjäwin (Siegen 1844).
Adonien waren also ein Trauerfest der Weiber, eines jener Feste, durch welche das Alterthum die hinsterbende Natur betrauerte. Wie wir von Treibhauspflanzen reden im Gegensatze des Naturwüchsigen, so haben die Alten oft sprichwörtlich das Wort Adonisgarten gebraucht, um damit schnell Emporgesprossenes, aber nicht zu tüchtiger Reife und Dauer Gediehenes zu bezeichnen. Die Pflanzen, nicht vielfarbige Blumen, nur Lattich, Fenchel, Gerste und Weizen, wurden mit emsiger Pflege zu schnellem Wachsthum gebracht; auch nicht im Winter, sondern im vollen Sommer, und in einer Zeit von acht Tagen." Creuzer (Symbolik und Mythologie Th. II. 1841 S. 427, 430, 479 und 481) glaubt indeß, daß zur Beschleunigung des Wachsthums der Pflanzen in den Adonisgärtchen „starke natürliche, und auch wohl künstliche Wärme im Zimmer angewendet wurde". — Der Klostergarten des Dominicauer-Klosters in Cöln erinnert übrigens an ein grönländisches oder isländisches Kloster des heil. Thomas, dessen immer schneeloser Garten durch natürliche heiße Quellen erwärmt war, wie die Fratelli Zeni in ihren, freilich der geographischen Oertlichkeit nach sehr problematischen Reisen (1388–1404) berichten. (Vergl. Zurla, Viaggiatori Veneziani T. II. p. 63–69 und Humboldt, Examen crit. de l'hist. de la Géographie T. II. p. 127.) — In unseren botanischen Gärten scheint die Anlage eigentlicher Treibhäuser viel neuer zu sein, als man gewöhnlich glaubt. Reife Ananas wurden erst am Ende des 17ten Jahrhunderts erzielt (Beckmann, Geschichte der Erfindungen Bd. IV. S. 287); ja Linné behauptet sogar in der Musa Cliffortiana florens Hartecampi, daß man Pisang in Europa zum ersten Male zu Wien im Garten des Prinzen Eugen 1731 habe blühen sehen.
25 (S. 86.) Diese Ansichten der Tropen-Vegetation, welche die Physiognomik der Gewächse charakterisiren, bilden in dem Königl. Museum zu Berlin (Abtheilung der Miniaturen, Handzeichnungen und Kupferstiche) einen Kunstschatz, der seiner Eigenthümlichkeit und malerischen Mannigfaltigkeit nach bisher mit keiner anderen Sammlung verglichen werden kann. Des Freiherrn von Kittlitz edirte Blätter führen den Titel: Vegetations-Ansichten der Küstenländer und Inseln des stillen Oceans, aufgenommen 1827–1829 auf der Entdeckungsreise der kais. russ. Corvette Senjäwin (Siegen 1844).
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[131/0136] ²⁴ Adonien waren also ein Trauerfest der Weiber, eines jener Feste, durch welche das Alterthum die hinsterbende Natur betrauerte. Wie wir von Treibhauspflanzen reden im Gegensatze des Naturwüchsigen, so haben die Alten oft sprichwörtlich das Wort Adonisgarten gebraucht, um damit schnell Emporgesprossenes, aber nicht zu tüchtiger Reife und Dauer Gediehenes zu bezeichnen. Die Pflanzen, nicht vielfarbige Blumen, nur Lattich, Fenchel, Gerste und Weizen, wurden mit emsiger Pflege zu schnellem Wachsthum gebracht; auch nicht im Winter, sondern im vollen Sommer, und in einer Zeit von acht Tagen." Creuzer (Symbolik und Mythologie Th. II. 1841 S. 427, 430, 479 und 481) glaubt indeß, daß zur Beschleunigung des Wachsthums der Pflanzen in den Adonisgärtchen „starke natürliche, und auch wohl künstliche Wärme im Zimmer angewendet wurde". — Der Klostergarten des Dominicauer-Klosters in Cöln erinnert übrigens an ein grönländisches oder isländisches Kloster des heil. Thomas, dessen immer schneeloser Garten durch natürliche heiße Quellen erwärmt war, wie die Fratelli Zeni in ihren, freilich der geographischen Oertlichkeit nach sehr problematischen Reisen (1388–1404) berichten. (Vergl. Zurla, Viaggiatori Veneziani T. II. p. 63–69 und Humboldt, Examen crit. de l'hist. de la Géographie T. II. p. 127.) — In unseren botanischen Gärten scheint die Anlage eigentlicher Treibhäuser viel neuer zu sein, als man gewöhnlich glaubt. Reife Ananas wurden erst am Ende des 17ten Jahrhunderts erzielt (Beckmann, Geschichte der Erfindungen Bd. IV. S. 287); ja Linné behauptet sogar in der Musa Cliffortiana florens Hartecampi, daß man Pisang in Europa zum ersten Male zu Wien im Garten des Prinzen Eugen 1731 habe blühen sehen. ²⁵ (S. 86.) Diese Ansichten der Tropen-Vegetation, welche die Physiognomik der Gewächse charakterisiren, bilden in dem Königl. Museum zu Berlin (Abtheilung der Miniaturen, Handzeichnungen und Kupferstiche) einen Kunstschatz, der seiner Eigenthümlichkeit und malerischen Mannigfaltigkeit nach bisher mit keiner anderen Sammlung verglichen werden kann. Des Freiherrn von Kittlitz edirte Blätter führen den Titel: Vegetations-Ansichten der Küstenländer und Inseln des stillen Oceans, aufgenommen 1827–1829 auf der Entdeckungsreise der kais. russ. Corvette Senjäwin (Siegen 1844).

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/136>, abgerufen am 22.11.2024.