Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.62
Indiens constituiren, zu der einflußreichsten zu machen. Darum ist das Ramayana auch schöner, an Naturgefühl reicher; es ist auf dem Boden der Poesie geblieben, und nicht genöthigt gewesen Elemente, die diesem fremd, ja fast widersprechend sind, aufzunehmen. In beiden Dichtungen ist die Natur nicht mehr, wie in den Vedas, das ganze Gemälde, sondern nur ein Theil desselben. Zwei Punkte unterscheiden die Auffassung der Natur in dieser Epoche der Heldengedichte wesentlich von derjenigen, welche die Vedas darthun; des Abstandes in der Form nicht zu gedenken, welcher die Sprache der Verehrung von der Sprache der Erzählung trennt. Der eine Punkt ist die Localisirung der Naturschilderung (z. B. im Ramayana nach Wilhelm von Schlegel das erste Buch oder Balakanda und das zweite Buch oder Ayodhyakanda; s. auch über den Unterschied der genannten beiden großen Epen Lassen, ind. Alterthumskunde Bd. I. S. 482); der andere Punkt, mit dem ersten nahe verbunden, betrifft den Inhalt, um den sich das Naturgefühl bereichert hat. Die Sage und zumal die historische brachte es mit sich, daß Beschreibung bestimmter Oertlichkeiten an die Stelle allgemeiner Naturschilderung trat. Die Schöpfer der großen epischen Dichterformen, sei es Valmiki, der die Thaten Rama's besingt, seien es die Verfasser des Mahabharata, welche die Tradition unter dem Gesammtnamen Vyasa zusammenfaßt, alle zeigen sich beim Erzählen wie vom Naturgefühl überwältigt. Die Reise Rama's von Ayodhya nach der Residenzstadt Dschanaka's, sein Leben im Walde, sein Aufbruch nach Lanka (Ceylon), wo der wilde Ravana, der Räuber seiner Gattinn Sita, haust, bieten, wie das Einsiedlerleben der Panduiden, dem begeisterten Dichter Gelegenheit dar dem ursprünglichen Triebe des indischen Gemüthes zu folgen und an die Erzählung der Heldenthaten Bilder einer reichen Natur zu knüpfen (Ramayana ed. Schlegel lib. I cap. 26 v. 13-15, lib. II cap. 56 v. 6-11; vergl. Nalus ed. Bopp 1832 Ges. XII v. 1-10). Ein anderer Punkt, in welchem sich in Hinsicht auf das Naturgefühl diese zweite Epoche von der der Vedas unterscheidet, betrifft den reicheren Inhalt der Poesie selbst. Dieser ist nicht mehr, wie dort, die Erscheinung der himmlischen Mächte; er umfaßt vielmehr die ganze Natur, den Himmelsraum und die Erde, die Welt der Pflanzen und Thieren in ihrer üppigen Fülle und in ihrem Einfluß auf das Gemüth des Menschen. -- In der dritten Epoche der poetischen Litteratur Indiens (wenn wir die Puranen
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Indiens constituiren, zu der einflußreichsten zu machen. Darum ist das Ramayana auch schöner, an Naturgefühl reicher; es ist auf dem Boden der Poesie geblieben, und nicht genöthigt gewesen Elemente, die diesem fremd, ja fast widersprechend sind, aufzunehmen. In beiden Dichtungen ist die Natur nicht mehr, wie in den Vedas, das ganze Gemälde, sondern nur ein Theil desselben. Zwei Punkte unterscheiden die Auffassung der Natur in dieser Epoche der Heldengedichte wesentlich von derjenigen, welche die Vedas darthun; des Abstandes in der Form nicht zu gedenken, welcher die Sprache der Verehrung von der Sprache der Erzählung trennt. Der eine Punkt ist die Localisirung der Naturschilderung (z. B. im Ramayana nach Wilhelm von Schlegel das erste Buch oder Balakanda und das zweite Buch oder Ayodhyakanda; s. auch über den Unterschied der genannten beiden großen Epen Lassen, ind. Alterthumskunde Bd. I. S. 482); der andere Punkt, mit dem ersten nahe verbunden, betrifft den Inhalt, um den sich das Naturgefühl bereichert hat. Die Sage und zumal die historische brachte es mit sich, daß Beschreibung bestimmter Oertlichkeiten an die Stelle allgemeiner Naturschilderung trat. Die Schöpfer der großen epischen Dichterformen, sei es Valmiki, der die Thaten Rama's besingt, seien es die Verfasser des Mahabharata, welche die Tradition unter dem Gesammtnamen Vyasa zusammenfaßt, alle zeigen sich beim Erzählen wie vom Naturgefühl überwältigt. Die Reise Rama's von Ayodhya nach der Residenzstadt Dschanaka's, sein Leben im Walde, sein Aufbruch nach Lanka (Ceylon), wo der wilde Ravana, der Räuber seiner Gattinn Sita, haust, bieten, wie das Einsiedlerleben der Panduiden, dem begeisterten Dichter Gelegenheit dar dem ursprünglichen Triebe des indischen Gemüthes zu folgen und an die Erzählung der Heldenthaten Bilder einer reichen Natur zu knüpfen (Ramayana ed. Schlegel lib. I cap. 26 v. 13–15, lib. II cap. 56 v. 6–11; vergl. Nalus ed. Bopp 1832 Ges. XII v. 1–10). Ein anderer Punkt, in welchem sich in Hinsicht auf das Naturgefühl diese zweite Epoche von der der Vedas unterscheidet, betrifft den reicheren Inhalt der Poesie selbst. Dieser ist nicht mehr, wie dort, die Erscheinung der himmlischen Mächte; er umfaßt vielmehr die ganze Natur, den Himmelsraum und die Erde, die Welt der Pflanzen und Thieren in ihrer üppigen Fülle und in ihrem Einfluß auf das Gemüth des Menschen. — In der dritten Epoche der poetischen Litteratur Indiens (wenn wir die Puranen
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⁶² Indiens constituiren, zu der einflußreichsten zu machen. Darum ist das Ramayana auch schöner, an Naturgefühl reicher; es ist auf dem Boden der Poesie geblieben, und nicht genöthigt gewesen Elemente, die diesem fremd, ja fast widersprechend sind, aufzunehmen. In beiden Dichtungen ist die Natur nicht mehr, wie in den Vedas, das ganze Gemälde, sondern nur ein Theil desselben. Zwei Punkte unterscheiden die Auffassung der Natur in dieser Epoche der Heldengedichte wesentlich von derjenigen, welche die Vedas darthun; des Abstandes in der Form nicht zu gedenken, welcher die Sprache der Verehrung von der Sprache der Erzählung trennt. Der eine Punkt ist die Localisirung der Naturschilderung (z. B. im Ramayana nach Wilhelm von Schlegel das erste Buch oder Balakanda und das zweite Buch oder Ayodhyakanda; s. auch über den Unterschied der genannten beiden großen Epen Lassen, ind. Alterthumskunde Bd. I. S. 482); der andere Punkt, mit dem ersten nahe verbunden, betrifft den Inhalt, um den sich das Naturgefühl bereichert hat. Die Sage und zumal die historische brachte es mit sich, daß Beschreibung bestimmter Oertlichkeiten an die Stelle allgemeiner Naturschilderung trat. Die Schöpfer der großen epischen Dichterformen, sei es Valmiki, der die Thaten Rama's besingt, seien es die Verfasser des Mahabharata, welche die Tradition unter dem Gesammtnamen Vyasa zusammenfaßt, alle zeigen sich beim Erzählen wie vom Naturgefühl überwältigt. Die Reise Rama's von Ayodhya nach der Residenzstadt Dschanaka's, sein Leben im Walde, sein Aufbruch nach Lanka (Ceylon), wo der wilde Ravana, der Räuber seiner Gattinn Sita, haust, bieten, wie das Einsiedlerleben der Panduiden, dem begeisterten Dichter Gelegenheit dar dem ursprünglichen Triebe des indischen Gemüthes zu folgen und an die Erzählung der Heldenthaten Bilder einer reichen Natur zu knüpfen (Ramayana ed. Schlegel lib. I cap. 26 v. 13–15, lib. II cap. 56 v. 6–11; vergl. Nalus ed. Bopp 1832 Ges. XII v. 1–10). Ein anderer Punkt, in welchem sich in Hinsicht auf das Naturgefühl diese zweite Epoche von der der Vedas unterscheidet, betrifft den reicheren Inhalt der Poesie selbst. Dieser ist nicht mehr, wie dort, die Erscheinung der himmlischen Mächte; er umfaßt vielmehr die ganze Natur, den Himmelsraum und die Erde, die Welt der Pflanzen und Thieren in ihrer üppigen Fülle und in ihrem Einfluß auf das Gemüth des Menschen. — In der dritten Epoche der poetischen Litteratur Indiens (wenn wir die Puranen
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