Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
Namen Kadmos , wie bei dem Hesychius kosmoskadmos eine kretische Waffenrüstung bedeutet. -- Die Römer haben, bei Einführung der philosophischen Kunstsprache der Griechen, ganz wie diese das, mit kosmos (Frauenschmuck) ursprünglich gleichbedeutende Wort mundus zur Welt und zum Weltall umgestempelt. Ennius scheint zuerst diese Neuerung gewagt zu haben; er sagt nach einem Fragmente, das uns Macrobius (Sat. VI, 2.) in seinem Hader mit Virgil aufbewahrt hat: "Mundus coeli vastus constitit silentio", wie Cicero: "quem nos lucentem mundum vocamus" (Timaeus s. de univ. cap. 10.). Die Sanscrit-Wurzel mand, von der Pott (Etym. Forsch. Th. I. S. 240) das lateinische mundus ableitet, vereinigt beide Bedeutungen von glänzen und schmücken. Loka ist im Sanscrit Welt und Menschen, wie das französische monde, und stammt, nach Bopp, von lok, sehen und leuchten, her; auf ähnliche Weise bedeutet das slavische swjet (Grimm, Deutsche Gramm. Bd. III. S. 394) Licht und Welt. Das letzte Wort, dessen wir uns heute bedienen, althochdeutsch weralt, altsächsisch worold, angelsächsisch veruld, bezeichnet nach Jacob Grimm ursprünglich bloß "den Zeitbegriff, saeculum (Menschenalter), nicht den räumlichen mundus". Bei den Tuskern war der offene mundus ein umgekehrtes Gewölbe, das seine Kuppel nach unten, gegen die Unterwelt hin, kehrte und dem oberen Himmelsgewölbe nachgebildet war (Otfr. Müller, Etrusker Th. II. S. 96, 98 und 143). Die Welt im engeren tellurischen Sinne erscheint im Gothischen als der vom Meer (marei, meri) umgürtete Erdkreis, als merigard, ein Meergarten.
10 (S. 63.) Ueber den Ennius s. die scharfsinnigen Untersuchungen von Leopold Krahner in dessen Grundlinien zur Geschichte des Verfalls der römischen Staats-Religion 1837 S. 41-45. Wahrscheinlich schöpfte Ennius nicht aus den Epicharmischen Stücken selbst, sondern aus Gedichten, die unter dem Namen des Epicharmus und im Sinne seines Systems geschrieben waren.
11 (S. 64.) Gell. Noct. att. V, 18.
12 (S. 71.) Schelling's Bruno über das göttliche und natürliche Princip der Dinge, S. 181.


Namen Κάδμος , wie bei dem Hesychius κόσμοςκάδμος eine kretische Waffenrüstung bedeutet. — Die Römer haben, bei Einführung der philosophischen Kunstsprache der Griechen, ganz wie diese das, mit κόσμος (Frauenschmuck) ursprünglich gleichbedeutende Wort mundus zur Welt und zum Weltall umgestempelt. Ennius scheint zuerst diese Neuerung gewagt zu haben; er sagt nach einem Fragmente, das uns Macrobius (Sat. VI, 2.) in seinem Hader mit Virgil aufbewahrt hat: „Mundus coeli vastus constitit silentio“, wie Cicero: „quem nos lucentem mundum vocamus“ (Timaeus s. de univ. cap. 10.). Die Sanscrit-Wurzel mand, von der Pott (Etym. Forsch. Th. I. S. 240) das lateinische mundus ableitet, vereinigt beide Bedeutungen von glänzen und schmücken. Lôka ist im Sanscrit Welt und Menschen, wie das französische monde, und stammt, nach Bopp, von lôk, sehen und leuchten, her; auf ähnliche Weise bedeutet das slavische swjet (Grimm, Deutsche Gramm. Bd. III. S. 394) Licht und Welt. Das letzte Wort, dessen wir uns heute bedienen, althochdeutsch wëralt, altsächsisch worold, angelsächsisch vëruld, bezeichnet nach Jacob Grimm ursprünglich bloß „den Zeitbegriff, saeculum (Menschenalter), nicht den räumlichen mundus“. Bei den Tuskern war der offene mundus ein umgekehrtes Gewölbe, das seine Kuppel nach unten, gegen die Unterwelt hin, kehrte und dem oberen Himmelsgewölbe nachgebildet war (Otfr. Müller, Etrusker Th. II. S. 96, 98 und 143). Die Welt im engeren tellurischen Sinne erscheint im Gothischen als der vom Meer (marei, meri) umgürtete Erdkreis, als merigard, ein Meergarten.
10 (S. 63.) Ueber den Ennius s. die scharfsinnigen Untersuchungen von Leopold Krahner in dessen Grundlinien zur Geschichte des Verfalls der römischen Staats-Religion 1837 S. 41–45. Wahrscheinlich schöpfte Ennius nicht aus den Epicharmischen Stücken selbst, sondern aus Gedichten, die unter dem Namen des Epicharmus und im Sinne seines Systems geschrieben waren.
11 (S. 64.) Gell. Noct. att. V, 18.
12 (S. 71.) Schelling's Bruno über das göttliche und natürliche Princip der Dinge, S. 181.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note place="end" n="9" xml:id="ftn27-text" prev="#ftn27"><pb facs="#f0097" n="78"/>
Namen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x039A;&#x03AC;&#x03B4;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi> <hi rendition="#g">,</hi> wie bei dem Hesychius <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x03CC;&#x03C3;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2;</foreign>&#x03BA;&#x03AC;&#x03B4;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2;</hi> eine kretische Waffenrüstung bedeutet. &#x2014; Die <hi rendition="#g">Römer</hi> haben, bei Einführung der philosophischen Kunstsprache der Griechen, ganz wie diese das, mit <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x03CC;&#x03C3;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi> (Frauenschmuck) ursprünglich gleichbedeutende Wort <hi rendition="#g">mundus</hi> zur <hi rendition="#g">Welt</hi> und zum <hi rendition="#g">Weltall</hi> umgestempelt. Ennius scheint zuerst diese Neuerung gewagt zu haben; er sagt nach einem Fragmente, das uns Macrobius (Sat. VI, 2.) in seinem Hader mit Virgil aufbewahrt hat: <hi rendition="#g">&#x201E;Mundus coel</hi>i vastus constitit silentio&#x201C;, wie Cicero: &#x201E;quem nos <hi rendition="#g">lucentem mundum</hi> vocamus&#x201C; (Timaeus s. de univ. cap. 10.). Die Sanscrit-Wurzel <hi rendition="#g">mand,</hi> von der Pott (Etym. Forsch. Th. I. S. 240) das lateinische <hi rendition="#g">mundus</hi> ableitet, vereinigt beide Bedeutungen von <hi rendition="#g">glänzen</hi> und <hi rendition="#g">schmücken. Lôka</hi> ist im Sanscrit <hi rendition="#g">Welt</hi> und <hi rendition="#g">Menschen,</hi> wie das französische <hi rendition="#g">monde,</hi> und stammt, nach Bopp, von <hi rendition="#g">lôk,</hi> sehen und leuchten, her; auf ähnliche Weise bedeutet das slavische <hi rendition="#g">swjet (Grimm, Deutsche Gramm.</hi> Bd. III. S. 394) <hi rendition="#g">Licht</hi> und <hi rendition="#g">Welt.</hi> Das letzte Wort, dessen wir uns heute bedienen, althochdeutsch <hi rendition="#g">wëralt,</hi> altsächsisch <hi rendition="#g">worold,</hi> angelsächsisch <hi rendition="#g">vëruld,</hi> bezeichnet nach Jacob Grimm ursprünglich bloß &#x201E;den Zeitbegriff, saeculum (Menschenalter), nicht den räumlichen mundus&#x201C;. Bei den Tuskern war der <hi rendition="#g">offene mundus</hi> ein umgekehrtes Gewölbe, das seine Kuppel nach unten, gegen die Unterwelt hin, kehrte und dem oberen <hi rendition="#g">Himmelsgewölbe</hi> nachgebildet war <hi rendition="#g">(Otfr. Müller, Etrusker</hi> Th. II. S. 96, 98 und 143). Die Welt im engeren tellurischen Sinne erscheint im Gothischen als der vom Meer <hi rendition="#g">(marei, meri)</hi> umgürtete Erdkreis, als <hi rendition="#g">merigard,</hi> ein <hi rendition="#g">Meergarten.</hi></note>
            <note place="end" n="10" xml:id="ftn28-text" prev="#ftn28">(S. 63.) Ueber den Ennius s. die scharfsinnigen Untersuchungen von Leopold <hi rendition="#g">Krahner</hi> in dessen <hi rendition="#g">Grundlinien zur Geschichte des Verfalls der römischen Staats-Religion</hi> 1837 S. 41&#x2013;45. Wahrscheinlich schöpfte Ennius nicht aus den Epicharmischen Stücken selbst, sondern aus Gedichten, die unter dem Namen des Epicharmus und im Sinne seines Systems geschrieben waren.</note>
            <note place="end" n="11" xml:id="ftn29-text" prev="#ftn29">(S. 64.) <hi rendition="#g">Gell. Noct. att.</hi> V, 18.</note>
            <note place="end" n="12" xml:id="ftn30-text" prev="#ftn30">(S. 71.) Schelling's Bruno über das göttliche und natürliche Princip der Dinge, S. 181.</note>
          </div>
          <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0097] ⁹ Namen Κάδμος , wie bei dem Hesychius κόσμοςκάδμος eine kretische Waffenrüstung bedeutet. — Die Römer haben, bei Einführung der philosophischen Kunstsprache der Griechen, ganz wie diese das, mit κόσμος (Frauenschmuck) ursprünglich gleichbedeutende Wort mundus zur Welt und zum Weltall umgestempelt. Ennius scheint zuerst diese Neuerung gewagt zu haben; er sagt nach einem Fragmente, das uns Macrobius (Sat. VI, 2.) in seinem Hader mit Virgil aufbewahrt hat: „Mundus coeli vastus constitit silentio“, wie Cicero: „quem nos lucentem mundum vocamus“ (Timaeus s. de univ. cap. 10.). Die Sanscrit-Wurzel mand, von der Pott (Etym. Forsch. Th. I. S. 240) das lateinische mundus ableitet, vereinigt beide Bedeutungen von glänzen und schmücken. Lôka ist im Sanscrit Welt und Menschen, wie das französische monde, und stammt, nach Bopp, von lôk, sehen und leuchten, her; auf ähnliche Weise bedeutet das slavische swjet (Grimm, Deutsche Gramm. Bd. III. S. 394) Licht und Welt. Das letzte Wort, dessen wir uns heute bedienen, althochdeutsch wëralt, altsächsisch worold, angelsächsisch vëruld, bezeichnet nach Jacob Grimm ursprünglich bloß „den Zeitbegriff, saeculum (Menschenalter), nicht den räumlichen mundus“. Bei den Tuskern war der offene mundus ein umgekehrtes Gewölbe, das seine Kuppel nach unten, gegen die Unterwelt hin, kehrte und dem oberen Himmelsgewölbe nachgebildet war (Otfr. Müller, Etrusker Th. II. S. 96, 98 und 143). Die Welt im engeren tellurischen Sinne erscheint im Gothischen als der vom Meer (marei, meri) umgürtete Erdkreis, als merigard, ein Meergarten. ¹⁰ (S. 63.) Ueber den Ennius s. die scharfsinnigen Untersuchungen von Leopold Krahner in dessen Grundlinien zur Geschichte des Verfalls der römischen Staats-Religion 1837 S. 41–45. Wahrscheinlich schöpfte Ennius nicht aus den Epicharmischen Stücken selbst, sondern aus Gedichten, die unter dem Namen des Epicharmus und im Sinne seines Systems geschrieben waren. ¹¹ (S. 64.) Gell. Noct. att. V, 18. ¹² (S. 71.) Schelling's Bruno über das göttliche und natürliche Princip der Dinge, S. 181.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/97
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/97>, abgerufen am 12.12.2024.