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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

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durchstrichen ist, Hutton's Zweifel theilen müsse. Ich bin Einer von denen, die den westlichen Theil unsrer mächtigen Gebirgskette am meisten besucht haben. Ich war durch den Borendo-Paß in das Buspa-Thal und das untere Kunawur-Land gekommen, und durch den hohen Rupin-Paß in die Rewaien-Berge von Gurwal zurückgekehrt. Ich drang vor zu den Quellen des Jumna bis Jumnotri, wendete mich von da zu den Ganges-Zuflüssen von Mundakni und Wischnu-Aluknunda nach Kadarnath und dem berühmten Schneegipfel von Nundidevi. Mehrmals wanderte ich über den Niti-Paß nach dem tübetischen Hochlande. Die Ansiedelung von Bhote-Mehals habe ich selbst gestiftet. Mein Wohnsitz mitten im Gebirge hat mich seit sechs Jahren ununterbrochen mit europäischen und eingebornen Reisenden in Verkehr gesetzt, mit solchen, die ich auf das sorgfältigste über den Anblick des Landes habe befragen können. Nach allen auf diese Weise eingesammelten Erfahrungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, und bereit dieselbe überall zu vertheidigen, daß in dem Himalaya die Grenze des ewigen Schnees an dem nördlichen (tübetischen) Abhange höher liegt als an dem südlichen (indischen) Abhange. Herr Hutton verunstaltet das Problem, indem er Humboldt's allgemeine Ansicht der Erscheinung zu widerlegen glaubt; er ficht gegen ein von ihm selbst geschaffenes Phantasiebild, er sucht zu beweisen, was wir ihm gern zugeben, daß an einzelnen Bergen des Himalaya der Schnee länger auf der nördlichen als auf der südlichen Seite liegen geblieben ist." (Vergl. auch oben die Note 5 zu Seite 11.) Wenn die mittlere Höhe des tübetischen Hochlandes 1800 Toisen (10800 Fuß) ist, so kann man dasselbe mit dem lieblich fruchtbaren peruanischen Plateau von Caxamarca vergleichen. Es ist nach dieser Ansicht aber noch 1200 Fuß niedriger als die Hochebene von Bolivia um den See von Titicaca und als das Straßenpflaster der Stadt Potosi. Ladak liegt nach Vigne's Messung mittelst der Bestimmung des Siedepunkts 1563 Toisen hoch. Wahrscheinlich ist dies auch die Höhe von H'Lassa (Yul-sung), einer Mönchsstadt, welche chinesische Schriftsteller das Reich der Freude nennen und welche mit Weinbergen umgeben ist. Sollten diese nicht in tief eingeschnittenen Thälern liegen?
74 (S. 359.) Vergl. Dove, Meteorologische Vergleichung von Nordamerika und Europa, in Schumacher's
durchstrichen ist, Hutton's Zweifel theilen müsse. Ich bin Einer von denen, die den westlichen Theil unsrer mächtigen Gebirgskette am meisten besucht haben. Ich war durch den Borendo-Paß in das Buspa-Thal und das untere Kunawur-Land gekommen, und durch den hohen Rupin-Paß in die Rewaien-Berge von Gurwal zurückgekehrt. Ich drang vor zu den Quellen des Jumna bis Jumnotri, wendete mich von da zu den Ganges-Zuflüssen von Mundakni und Wischnu-Aluknunda nach Kadarnath und dem berühmten Schneegipfel von Nundidevi. Mehrmals wanderte ich über den Niti-Paß nach dem tübetischen Hochlande. Die Ansiedelung von Bhote-Mehals habe ich selbst gestiftet. Mein Wohnsitz mitten im Gebirge hat mich seit sechs Jahren ununterbrochen mit europäischen und eingebornen Reisenden in Verkehr gesetzt, mit solchen, die ich auf das sorgfältigste über den Anblick des Landes habe befragen können. Nach allen auf diese Weise eingesammelten Erfahrungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, und bereit dieselbe überall zu vertheidigen, daß in dem Himalaya die Grenze des ewigen Schnees an dem nördlichen (tübetischen) Abhange höher liegt als an dem südlichen (indischen) Abhange. Herr Hutton verunstaltet das Problem, indem er Humboldt's allgemeine Ansicht der Erscheinung zu widerlegen glaubt; er ficht gegen ein von ihm selbst geschaffenes Phantasiebild, er sucht zu beweisen, was wir ihm gern zugeben, daß an einzelnen Bergen des Himalaya der Schnee länger auf der nördlichen als auf der südlichen Seite liegen geblieben ist.“ (Vergl. auch oben die Note 5 zu Seite 11.) Wenn die mittlere Höhe des tübetischen Hochlandes 1800 Toisen (10800 Fuß) ist, so kann man dasselbe mit dem lieblich fruchtbaren peruanischen Plateau von Caxamarca vergleichen. Es ist nach dieser Ansicht aber noch 1200 Fuß niedriger als die Hochebene von Bolivia um den See von Titicaca und als das Straßenpflaster der Stadt Potosi. Ladak liegt nach Vigne's Messung mittelst der Bestimmung des Siedepunkts 1563 Toisen hoch. Wahrscheinlich ist dies auch die Höhe von H'Lassa (Yul-sung), einer Mönchsstadt, welche chinesische Schriftsteller das Reich der Freude nennen und welche mit Weinbergen umgeben ist. Sollten diese nicht in tief eingeschnittenen Thälern liegen?
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durchstrichen ist, Hutton's Zweifel theilen müsse. Ich bin Einer von denen, die den westlichen Theil unsrer mächtigen Gebirgskette am meisten besucht haben. Ich war durch den Borendo-Paß in das Buspa-Thal und das untere Kunawur-Land gekommen, und durch den hohen Rupin-Paß in die Rewaien-Berge von Gurwal zurückgekehrt. Ich drang vor zu den Quellen des Jumna bis Jumnotri, wendete mich von da zu den Ganges-Zuflüssen von Mundakni und Wischnu-Aluknunda nach Kadarnath und dem berühmten Schneegipfel von Nundidevi. Mehrmals wanderte ich über den Niti-Paß nach dem tübetischen Hochlande. Die Ansiedelung von Bhote-Mehals habe ich selbst gestiftet. Mein Wohnsitz mitten im Gebirge hat mich seit sechs Jahren ununterbrochen mit europäischen und eingebornen Reisenden in Verkehr gesetzt, mit solchen, die ich auf das sorgfältigste über den Anblick des Landes habe befragen können. Nach allen auf diese Weise eingesammelten Erfahrungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, und bereit dieselbe überall zu vertheidigen, <hi rendition="#g">daß in dem Himalaya die Grenze des ewigen Schnees an dem nördlichen (tübetischen) Abhange höher liegt als an dem südlichen (indischen) Abhange.</hi> Herr Hutton verunstaltet das Problem, indem er Humboldt's allgemeine Ansicht der Erscheinung zu widerlegen glaubt; er ficht gegen ein von ihm selbst geschaffenes Phantasiebild, er sucht zu beweisen, was wir ihm gern zugeben, daß <hi rendition="#g">an einzelnen Bergen</hi> des Himalaya der Schnee länger auf der nördlichen als auf der südlichen Seite liegen geblieben ist.&#x201C; (Vergl. auch oben die Note 5 zu Seite 11.) Wenn die <hi rendition="#g">mittlere Höhe</hi> des tübetischen Hochlandes 1800 Toisen (10800 Fuß) ist, so kann man dasselbe mit dem lieblich fruchtbaren peruanischen Plateau von Caxamarca vergleichen. Es ist nach dieser Ansicht aber noch 1200 Fuß niedriger als die Hochebene von Bolivia um den See von Titicaca und als das Straßenpflaster der Stadt Potosi. Ladak liegt nach Vigne's Messung mittelst der Bestimmung des Siedepunkts 1563 Toisen hoch. Wahrscheinlich ist dies auch die Höhe von H'Lassa (Yul-sung), einer Mönchsstadt, welche chinesische Schriftsteller das <hi rendition="#g">Reich der Freude</hi> nennen und welche mit Weinbergen umgeben ist. Sollten diese nicht in tief eingeschnittenen Thälern liegen?</note>
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[484/0503] ⁷³ durchstrichen ist, Hutton's Zweifel theilen müsse. Ich bin Einer von denen, die den westlichen Theil unsrer mächtigen Gebirgskette am meisten besucht haben. Ich war durch den Borendo-Paß in das Buspa-Thal und das untere Kunawur-Land gekommen, und durch den hohen Rupin-Paß in die Rewaien-Berge von Gurwal zurückgekehrt. Ich drang vor zu den Quellen des Jumna bis Jumnotri, wendete mich von da zu den Ganges-Zuflüssen von Mundakni und Wischnu-Aluknunda nach Kadarnath und dem berühmten Schneegipfel von Nundidevi. Mehrmals wanderte ich über den Niti-Paß nach dem tübetischen Hochlande. Die Ansiedelung von Bhote-Mehals habe ich selbst gestiftet. Mein Wohnsitz mitten im Gebirge hat mich seit sechs Jahren ununterbrochen mit europäischen und eingebornen Reisenden in Verkehr gesetzt, mit solchen, die ich auf das sorgfältigste über den Anblick des Landes habe befragen können. Nach allen auf diese Weise eingesammelten Erfahrungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, und bereit dieselbe überall zu vertheidigen, daß in dem Himalaya die Grenze des ewigen Schnees an dem nördlichen (tübetischen) Abhange höher liegt als an dem südlichen (indischen) Abhange. Herr Hutton verunstaltet das Problem, indem er Humboldt's allgemeine Ansicht der Erscheinung zu widerlegen glaubt; er ficht gegen ein von ihm selbst geschaffenes Phantasiebild, er sucht zu beweisen, was wir ihm gern zugeben, daß an einzelnen Bergen des Himalaya der Schnee länger auf der nördlichen als auf der südlichen Seite liegen geblieben ist.“ (Vergl. auch oben die Note 5 zu Seite 11.) Wenn die mittlere Höhe des tübetischen Hochlandes 1800 Toisen (10800 Fuß) ist, so kann man dasselbe mit dem lieblich fruchtbaren peruanischen Plateau von Caxamarca vergleichen. Es ist nach dieser Ansicht aber noch 1200 Fuß niedriger als die Hochebene von Bolivia um den See von Titicaca und als das Straßenpflaster der Stadt Potosi. Ladak liegt nach Vigne's Messung mittelst der Bestimmung des Siedepunkts 1563 Toisen hoch. Wahrscheinlich ist dies auch die Höhe von H'Lassa (Yul-sung), einer Mönchsstadt, welche chinesische Schriftsteller das Reich der Freude nennen und welche mit Weinbergen umgeben ist. Sollten diese nicht in tief eingeschnittenen Thälern liegen? ⁷⁴ (S. 359.) Vergl. Dove, Meteorologische Vergleichung von Nordamerika und Europa, in Schumacher's

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/503>, abgerufen am 22.11.2024.