Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.enthalten, schien es mir wichtig, in dieser Anmerkung alles zusammenzustellen, was ich sicheres über die größten absoluten und relativen Tiefen der Grubenbaue und Bohrlöcher habe auffinden können. Wenn man von Jerusalem östlich gegen das todte Meer hinabsteigt, so genießt man einen Anblick, den, nach unseren jetzigen hypsometrischen Kenntnissen der Oberfläche unsres Planeten, keine andere Erdgegend darbieten kann; man schreitet, indem man sich dem Spalte naht, in welchem der Jordan fließt, an hellem Tage auf Gesteinschichten, die nach Bertou's und Rußegger's barometrischem Nivellement 1300 Fuß in senkrechter Tiefe unter dem Spiegel des Mittelmeers liegen (Humboldt, Asie centrale T. II. p. 323). 95 (S. 167.) Muldenförmig gekrümmte Schichten, die man sich einsenken und in einer zu messenden Entfernung wieder aufsteigen sieht, geben, wenn sie auch in den tiefsten Punkten nicht durch bergmännische Arbeiten erreicht werden, doch sinnliche Kenntniß von der Beschaffenheit der Erdrinde in großen Abständen von der Oberfläche. Angaben dieser Art gewähren demnach ein großes geognostisches Interesse. Ich verdanke die folgenden dem vortrefflichen Geognosten Herrn von Dechen. Er schreibt: "Die Tiefe der Steinkohlen-Mulde zu Lüttich am Mont St. Gilles, welche ich gemeinschaftlich mit unserm Freunde Herrn von Oeynhausen zu 3650 Fuß unter der Oberfläche ermittelt habe, liegt, da der Mont St. Gilles gewiß nicht 400 Fuß absolute Höhe hat, an 3250 Fuß unter dem Meeresspiegel; die Steinkohlen-Mulde zu Mons liegt sogar noch volle 1750 Fuß tiefer. Alle diese Tiefen sind aber nur als gering gegen die zu betrachten, welche die Lagerungsverhältnisse der Steinkohlenflöze in dem Saar-Revier (Saarbrücken) offenbaren. Ich habe nach wiederholten Aufnahmen gefunden, daß das unterste Kohlenflöz, welches in der Gegend von Duttweiler bekannt ist, bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis, bis 19406 und 20656 Fuß (9/10 geogr. Meile) unter dem Meeresspiegel herabgeht." Dieses Resultat übertrifft noch um 8000 Fuß die Annahme, welche ich im Texte des Kosmos für eine Mulde devonischer Schichten gegeben. Jene Steinkohlenflöze liegen also so tief unter dem Niveau des Meeres, als der Chimborazo über demselben sich erhebt: in einer Tiefe, in welcher die Erdwärme an 224° betragen muß. Von den höchsten Gipfeln des Himalaya bis zu jenen Mulden, welche enthalten, schien es mir wichtig, in dieser Anmerkung alles zusammenzustellen, was ich sicheres über die größten absoluten und relativen Tiefen der Grubenbaue und Bohrlöcher habe auffinden können. Wenn man von Jerusalem östlich gegen das todte Meer hinabsteigt, so genießt man einen Anblick, den, nach unseren jetzigen hypsometrischen Kenntnissen der Oberfläche unsres Planeten, keine andere Erdgegend darbieten kann; man schreitet, indem man sich dem Spalte naht, in welchem der Jordan fließt, an hellem Tage auf Gesteinschichten, die nach Bertou's und Rußegger's barometrischem Nivellement 1300 Fuß in senkrechter Tiefe unter dem Spiegel des Mittelmeers liegen (Humboldt, Asie centrale T. II. p. 323). 95 (S. 167.) Muldenförmig gekrümmte Schichten, die man sich einsenken und in einer zu messenden Entfernung wieder aufsteigen sieht, geben, wenn sie auch in den tiefsten Punkten nicht durch bergmännische Arbeiten erreicht werden, doch sinnliche Kenntniß von der Beschaffenheit der Erdrinde in großen Abständen von der Oberfläche. Angaben dieser Art gewähren demnach ein großes geognostisches Interesse. Ich verdanke die folgenden dem vortrefflichen Geognosten Herrn von Dechen. Er schreibt: „Die Tiefe der Steinkohlen-Mulde zu Lüttich am Mont St. Gilles, welche ich gemeinschaftlich mit unserm Freunde Herrn von Oeynhausen zu 3650 Fuß unter der Oberfläche ermittelt habe, liegt, da der Mont St. Gilles gewiß nicht 400 Fuß absolute Höhe hat, an 3250 Fuß unter dem Meeresspiegel; die Steinkohlen-Mulde zu Mons liegt sogar noch volle 1750 Fuß tiefer. Alle diese Tiefen sind aber nur als gering gegen die zu betrachten, welche die Lagerungsverhältnisse der Steinkohlenflöze in dem Saar-Revier (Saarbrücken) offenbaren. Ich habe nach wiederholten Aufnahmen gefunden, daß das unterste Kohlenflöz, welches in der Gegend von Duttweiler bekannt ist, bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis, bis 19406 und 20656 Fuß (9/10 geogr. Meile) unter dem Meeresspiegel herabgeht.“ Dieses Resultat übertrifft noch um 8000 Fuß die Annahme, welche ich im Texte des Kosmos für eine Mulde devonischer Schichten gegeben. Jene Steinkohlenflöze liegen also so tief unter dem Niveau des Meeres, als der Chimborazo über demselben sich erhebt: in einer Tiefe, in welcher die Erdwärme an 224° betragen muß. Von den höchsten Gipfeln des Himalaya bis zu jenen Mulden, welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <note place="end" n="94" xml:id="ftn124-text" prev="#ftn124"><pb facs="#f0438" n="419"/> enthalten, schien es mir wichtig, in dieser Anmerkung alles zusammenzustellen, was ich sicheres über die größten absoluten und relativen Tiefen der Grubenbaue und Bohrlöcher habe auffinden können. Wenn man von Jerusalem östlich gegen das todte Meer hinabsteigt, so genießt man einen Anblick, den, nach unseren jetzigen hypsometrischen Kenntnissen der Oberfläche unsres Planeten, keine andere Erdgegend darbieten kann; man schreitet, indem man sich dem Spalte naht, in welchem der Jordan fließt, <hi rendition="#g">an hellem Tage</hi> auf Gesteinschichten, die nach Bertou's und Rußegger's barometrischem Nivellement 1300 Fuß in senkrechter Tiefe unter dem Spiegel des Mittelmeers liegen <hi rendition="#g">(Humboldt, Asie centrale</hi> T. II. p. 323).</note> <note place="end" n="95" xml:id="ftn125-text" prev="#ftn125">(S. 167.) <hi rendition="#g">Muldenförmig</hi> gekrümmte Schichten, die man sich einsenken und in einer zu messenden Entfernung wieder aufsteigen sieht, geben, wenn sie auch in den tiefsten Punkten nicht durch bergmännische Arbeiten erreicht werden, doch sinnliche Kenntniß von der Beschaffenheit der Erdrinde in großen Abständen von der Oberfläche. Angaben dieser Art gewähren demnach ein großes geognostisches Interesse. Ich verdanke die folgenden dem vortrefflichen Geognosten Herrn <hi rendition="#g">von Dechen.</hi> Er schreibt: „Die Tiefe der Steinkohlen-Mulde zu Lüttich am Mont St. Gilles, welche ich gemeinschaftlich mit unserm Freunde Herrn von Oeynhausen zu 3650 Fuß unter der Oberfläche ermittelt habe, liegt, da der Mont St. Gilles gewiß nicht 400 Fuß absolute Höhe hat, an 3250 Fuß unter dem Meeresspiegel; die Steinkohlen-Mulde zu Mons liegt sogar noch volle 1750 Fuß tiefer. Alle diese Tiefen sind aber nur als gering gegen die zu betrachten, welche die Lagerungsverhältnisse der Steinkohlenflöze in dem Saar-Revier (Saarbrücken) offenbaren. Ich habe nach wiederholten Aufnahmen gefunden, daß das unterste Kohlenflöz, welches in der Gegend von Duttweiler bekannt ist, bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis, bis 19406 und 20656 Fuß (9/10 geogr. Meile) unter dem Meeresspiegel herabgeht.“ Dieses Resultat übertrifft noch um 8000 Fuß die Annahme, welche ich im Texte des <hi rendition="#g">Kosmos</hi> für eine Mulde devonischer Schichten gegeben. Jene Steinkohlenflöze liegen also so tief unter dem Niveau des Meeres, als der Chimborazo über demselben sich erhebt: in einer Tiefe, in welcher die Erdwärme an 224° betragen muß. Von den höchsten Gipfeln des Himalaya bis zu jenen Mulden, welche </note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0438]
⁹⁴ enthalten, schien es mir wichtig, in dieser Anmerkung alles zusammenzustellen, was ich sicheres über die größten absoluten und relativen Tiefen der Grubenbaue und Bohrlöcher habe auffinden können. Wenn man von Jerusalem östlich gegen das todte Meer hinabsteigt, so genießt man einen Anblick, den, nach unseren jetzigen hypsometrischen Kenntnissen der Oberfläche unsres Planeten, keine andere Erdgegend darbieten kann; man schreitet, indem man sich dem Spalte naht, in welchem der Jordan fließt, an hellem Tage auf Gesteinschichten, die nach Bertou's und Rußegger's barometrischem Nivellement 1300 Fuß in senkrechter Tiefe unter dem Spiegel des Mittelmeers liegen (Humboldt, Asie centrale T. II. p. 323).
⁹⁵ (S. 167.) Muldenförmig gekrümmte Schichten, die man sich einsenken und in einer zu messenden Entfernung wieder aufsteigen sieht, geben, wenn sie auch in den tiefsten Punkten nicht durch bergmännische Arbeiten erreicht werden, doch sinnliche Kenntniß von der Beschaffenheit der Erdrinde in großen Abständen von der Oberfläche. Angaben dieser Art gewähren demnach ein großes geognostisches Interesse. Ich verdanke die folgenden dem vortrefflichen Geognosten Herrn von Dechen. Er schreibt: „Die Tiefe der Steinkohlen-Mulde zu Lüttich am Mont St. Gilles, welche ich gemeinschaftlich mit unserm Freunde Herrn von Oeynhausen zu 3650 Fuß unter der Oberfläche ermittelt habe, liegt, da der Mont St. Gilles gewiß nicht 400 Fuß absolute Höhe hat, an 3250 Fuß unter dem Meeresspiegel; die Steinkohlen-Mulde zu Mons liegt sogar noch volle 1750 Fuß tiefer. Alle diese Tiefen sind aber nur als gering gegen die zu betrachten, welche die Lagerungsverhältnisse der Steinkohlenflöze in dem Saar-Revier (Saarbrücken) offenbaren. Ich habe nach wiederholten Aufnahmen gefunden, daß das unterste Kohlenflöz, welches in der Gegend von Duttweiler bekannt ist, bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis, bis 19406 und 20656 Fuß (9/10 geogr. Meile) unter dem Meeresspiegel herabgeht.“ Dieses Resultat übertrifft noch um 8000 Fuß die Annahme, welche ich im Texte des Kosmos für eine Mulde devonischer Schichten gegeben. Jene Steinkohlenflöze liegen also so tief unter dem Niveau des Meeres, als der Chimborazo über demselben sich erhebt: in einer Tiefe, in welcher die Erdwärme an 224° betragen muß. Von den höchsten Gipfeln des Himalaya bis zu jenen Mulden, welche
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