Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.Entwickelte sich Hydrogen bei dem Ausbruch der Lava, wie groß müßte nicht dessen Masse sein, wenn bei einer sehr niedrigen Lage des Eruptionspunktes die ausfließende Lava, wie in dem denkwürdigen von Mackenzie und Soemund Magnussen beschriebenen Ausbruch am Fuß des Skaptar-Jökul in Island (11 Junius bis 3 August 1783), viele Quadratmeilen Landes bedeckt, und angedämmt mehrere hundert Fuß Dicke erreicht! Eben solche Schwierigkeiten zeigen sich bei der geringen Menge ausströmenden Stickgases, wenn man das Eindringen der atmosphärischen Luft in den Krater, oder, wie man bildlich sich ausdrückt, ein Einathmen des Erdkörpers, annimmt. Eine so allgemeine, so tief wirkende, sich im Inneren so weit fortpflanzende Thätigkeit, als die der Vulkane, kann wohl nicht ihren Urquell in der chemischen Verwandtschaft, in dem Contact einzelner nur örtlich verbreiteter Stoffe haben. Die neuere Geognosie sucht diesen Urquell lieber in der unter jeglichem Breitengrade mit der Tiefe zunehmenden Temperatur, in der mächtigen inneren Wärme, welche der Planet seinem ersten Erstarren, seiner Bildung im Weltraume, der kugelförmigen Zusammenziehung dunstförmiger elliptisch kreisender Stoffe verdankt. Neben dem sicheren Wissen steht das Vermuthen und Meinen. Eine philosophische Naturkunde strebt sich über das enge Bedürfniß einer bloßen Naturbeschreibung zu erheben. Sie besteht, wie wir mehrmals erinnert haben, nicht in der sterilen Anhäufung isolirter Thatsachen. Dem neugierig regsamen Geiste des Menschen muß es erlaubt sein, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzuschweifen, zu ahnden, was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich Entwickelte sich Hydrogen bei dem Ausbruch der Lava, wie groß müßte nicht dessen Masse sein, wenn bei einer sehr niedrigen Lage des Eruptionspunktes die ausfließende Lava, wie in dem denkwürdigen von Mackenzie und Soemund Magnussen beschriebenen Ausbruch am Fuß des Skaptar-Jökul in Island (11 Junius bis 3 August 1783), viele Quadratmeilen Landes bedeckt, und angedämmt mehrere hundert Fuß Dicke erreicht! Eben solche Schwierigkeiten zeigen sich bei der geringen Menge ausströmenden Stickgases, wenn man das Eindringen der atmosphärischen Luft in den Krater, oder, wie man bildlich sich ausdrückt, ein Einathmen des Erdkörpers, annimmt. Eine so allgemeine, so tief wirkende, sich im Inneren so weit fortpflanzende Thätigkeit, als die der Vulkane, kann wohl nicht ihren Urquell in der chemischen Verwandtschaft, in dem Contact einzelner nur örtlich verbreiteter Stoffe haben. Die neuere Geognosie sucht diesen Urquell lieber in der unter jeglichem Breitengrade mit der Tiefe zunehmenden Temperatur, in der mächtigen inneren Wärme, welche der Planet seinem ersten Erstarren, seiner Bildung im Weltraume, der kugelförmigen Zusammenziehung dunstförmiger elliptisch kreisender Stoffe verdankt. Neben dem sicheren Wissen steht das Vermuthen und Meinen. Eine philosophische Naturkunde strebt sich über das enge Bedürfniß einer bloßen Naturbeschreibung zu erheben. Sie besteht, wie wir mehrmals erinnert haben, nicht in der sterilen Anhäufung isolirter Thatsachen. Dem neugierig regsamen Geiste des Menschen muß es erlaubt sein, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzuschweifen, zu ahnden, was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0267" n="248"/> Entwickelte sich Hydrogen bei dem Ausbruch der Lava, wie groß müßte nicht dessen Masse sein, wenn bei einer sehr niedrigen Lage des Eruptionspunktes die ausfließende Lava, wie in dem denkwürdigen von Mackenzie und Soemund Magnussen beschriebenen Ausbruch am Fuß des Skaptar-Jökul in Island (11 Junius bis 3 August 1783), viele Quadratmeilen Landes bedeckt, und angedämmt mehrere hundert Fuß Dicke erreicht! Eben solche Schwierigkeiten zeigen sich bei der geringen Menge ausströmenden Stickgases, wenn man das Eindringen der atmosphärischen Luft in den Krater, oder, wie man bildlich sich ausdrückt, ein Einathmen des Erdkörpers, annimmt. Eine so allgemeine, so tief wirkende, sich im Inneren so weit fortpflanzende Thätigkeit, als die der Vulkane, kann wohl nicht ihren Urquell in der chemischen Verwandtschaft, in dem Contact einzelner nur örtlich verbreiteter Stoffe haben. Die neuere Geognosie sucht diesen Urquell lieber in der unter jeglichem Breitengrade mit der Tiefe zunehmenden Temperatur, in der mächtigen inneren Wärme, welche der Planet seinem ersten Erstarren, seiner Bildung im Weltraume, der kugelförmigen Zusammenziehung dunstförmiger elliptisch kreisender Stoffe verdankt. Neben dem sicheren <hi rendition="#g">Wissen</hi> steht das <hi rendition="#g">Vermuthen</hi> und <hi rendition="#g">Meinen.</hi> Eine philosophische Naturkunde strebt sich über das enge Bedürfniß einer bloßen Naturbeschreibung zu erheben. Sie besteht, wie wir mehrmals erinnert haben, nicht in der sterilen Anhäufung isolirter Thatsachen. Dem neugierig regsamen Geiste des Menschen muß es erlaubt sein, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzuschweifen, zu ahnden, was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0267]
Entwickelte sich Hydrogen bei dem Ausbruch der Lava, wie groß müßte nicht dessen Masse sein, wenn bei einer sehr niedrigen Lage des Eruptionspunktes die ausfließende Lava, wie in dem denkwürdigen von Mackenzie und Soemund Magnussen beschriebenen Ausbruch am Fuß des Skaptar-Jökul in Island (11 Junius bis 3 August 1783), viele Quadratmeilen Landes bedeckt, und angedämmt mehrere hundert Fuß Dicke erreicht! Eben solche Schwierigkeiten zeigen sich bei der geringen Menge ausströmenden Stickgases, wenn man das Eindringen der atmosphärischen Luft in den Krater, oder, wie man bildlich sich ausdrückt, ein Einathmen des Erdkörpers, annimmt. Eine so allgemeine, so tief wirkende, sich im Inneren so weit fortpflanzende Thätigkeit, als die der Vulkane, kann wohl nicht ihren Urquell in der chemischen Verwandtschaft, in dem Contact einzelner nur örtlich verbreiteter Stoffe haben. Die neuere Geognosie sucht diesen Urquell lieber in der unter jeglichem Breitengrade mit der Tiefe zunehmenden Temperatur, in der mächtigen inneren Wärme, welche der Planet seinem ersten Erstarren, seiner Bildung im Weltraume, der kugelförmigen Zusammenziehung dunstförmiger elliptisch kreisender Stoffe verdankt. Neben dem sicheren Wissen steht das Vermuthen und Meinen. Eine philosophische Naturkunde strebt sich über das enge Bedürfniß einer bloßen Naturbeschreibung zu erheben. Sie besteht, wie wir mehrmals erinnert haben, nicht in der sterilen Anhäufung isolirter Thatsachen. Dem neugierig regsamen Geiste des Menschen muß es erlaubt sein, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzuschweifen, zu ahnden, was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich
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