Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.des Uebels, der Sitz der bewegenden Kraft liegt tief unter der Erdrinde; wie tief, wissen wir eben so wenig, als welches die chemische Natur so hochgespannter Dämpfe sei. An zwei Kraterrändern gelagert, am Vesuv und auf dem thurmartigen Fels, welcher den ungeheuren Schlund des Pichincha bei Quito überragt, habe ich periodisch und sehr regelmäßig Erdstöße empfunden, jedesmal 20-30 Secunden früher als brennende Schlacken oder Dämpfe ausgestoßen wurden. Die Erschütterung war um so stärker, als die Explosionen später eintraten und also die Dämpfe länger angehäuft blieben. In dieser einfachen, von so vielen Reisenden bestätigten Erfahrung liegt die allgemeine Lösung des Phänomens. Die thätigen Vulkane sind als Schutz- und Sicherheits-Ventile für die nächste Umgegend zu betrachten. Die Gefahr des Erdbebens wächst, wenn die Oeffnungen der Vulkane verstopft, ohne freien Verkehr mit der Atmosphäre sind; doch lehrt der Umsturz von Lissabon, Caracas, Lima, Caschmir (1554)62, und so vieler Städte von Calabrien, Syrien und Kleinasien, daß im Ganzen doch nicht in der Nähe noch brennender Vulkane die Kraft der Erdstöße am größten ist. Wie die gehemmte Thätigkeit der Vulkane auf die Erschütterung des Bodens wirkt, so reagirt diese wiederum auf die vulkanischen Erscheinungen selbst. Eröffnung von Spalten begünstigt das Aufsteigen der Eruptions-Kegel und die Processe, welche in diesen Kegeln in freiem Contact mit dem Luftkreise vorgehen. Eine Rauchsäule, die man Monate lang in Südamerika aus dem Vulkan von Pasto aufsteigen sah, verschwand plötzlich, als 48 Meilen weit in Süden (am 4 Februar 1797) die Provinz Quito des Uebels, der Sitz der bewegenden Kraft liegt tief unter der Erdrinde; wie tief, wissen wir eben so wenig, als welches die chemische Natur so hochgespannter Dämpfe sei. An zwei Kraterrändern gelagert, am Vesuv und auf dem thurmartigen Fels, welcher den ungeheuren Schlund des Pichincha bei Quito überragt, habe ich periodisch und sehr regelmäßig Erdstöße empfunden, jedesmal 20–30 Secunden früher als brennende Schlacken oder Dämpfe ausgestoßen wurden. Die Erschütterung war um so stärker, als die Explosionen später eintraten und also die Dämpfe länger angehäuft blieben. In dieser einfachen, von so vielen Reisenden bestätigten Erfahrung liegt die allgemeine Lösung des Phänomens. Die thätigen Vulkane sind als Schutz- und Sicherheits-Ventile für die nächste Umgegend zu betrachten. Die Gefahr des Erdbebens wächst, wenn die Oeffnungen der Vulkane verstopft, ohne freien Verkehr mit der Atmosphäre sind; doch lehrt der Umsturz von Lissabon, Caracas, Lima, Caschmir (1554)62, und so vieler Städte von Calabrien, Syrien und Kleinasien, daß im Ganzen doch nicht in der Nähe noch brennender Vulkane die Kraft der Erdstöße am größten ist. Wie die gehemmte Thätigkeit der Vulkane auf die Erschütterung des Bodens wirkt, so reagirt diese wiederum auf die vulkanischen Erscheinungen selbst. Eröffnung von Spalten begünstigt das Aufsteigen der Eruptions-Kegel und die Processe, welche in diesen Kegeln in freiem Contact mit dem Luftkreise vorgehen. 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Die thätigen Vulkane sind als Schutz- und Sicherheits-Ventile für die nächste Umgegend zu betrachten. Die Gefahr des Erdbebens wächst, wenn die Oeffnungen der Vulkane verstopft, ohne freien Verkehr mit der Atmosphäre sind; doch lehrt der Umsturz von Lissabon, Caracas, Lima, Caschmir (1554)<note place="end" n="62" xml:id="ftn192" next="#ftn192-text"/>, und so vieler Städte von Calabrien, Syrien und Kleinasien, daß im Ganzen doch nicht in der Nähe noch brennender Vulkane die Kraft der Erdstöße am größten ist.</p> <p>Wie die gehemmte Thätigkeit der Vulkane auf die Erschütterung des Bodens wirkt, so reagirt diese wiederum auf die vulkanischen Erscheinungen selbst. Eröffnung von Spalten begünstigt das Aufsteigen der Eruptions-Kegel und die Processe, welche in diesen Kegeln in freiem Contact mit dem Luftkreise vorgehen. 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des Uebels, der Sitz der bewegenden Kraft liegt tief unter der Erdrinde; wie tief, wissen wir eben so wenig, als welches die chemische Natur so hochgespannter Dämpfe sei. An zwei Kraterrändern gelagert, am Vesuv und auf dem thurmartigen Fels, welcher den ungeheuren Schlund des Pichincha bei Quito überragt, habe ich periodisch und sehr regelmäßig Erdstöße empfunden, jedesmal 20–30 Secunden früher als brennende Schlacken oder Dämpfe ausgestoßen wurden. Die Erschütterung war um so stärker, als die Explosionen später eintraten und also die Dämpfe länger angehäuft blieben. In dieser einfachen, von so vielen Reisenden bestätigten Erfahrung liegt die allgemeine Lösung des Phänomens. Die thätigen Vulkane sind als Schutz- und Sicherheits-Ventile für die nächste Umgegend zu betrachten. Die Gefahr des Erdbebens wächst, wenn die Oeffnungen der Vulkane verstopft, ohne freien Verkehr mit der Atmosphäre sind; doch lehrt der Umsturz von Lissabon, Caracas, Lima, Caschmir (1554)
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, und so vieler Städte von Calabrien, Syrien und Kleinasien, daß im Ganzen doch nicht in der Nähe noch brennender Vulkane die Kraft der Erdstöße am größten ist.
Wie die gehemmte Thätigkeit der Vulkane auf die Erschütterung des Bodens wirkt, so reagirt diese wiederum auf die vulkanischen Erscheinungen selbst. Eröffnung von Spalten begünstigt das Aufsteigen der Eruptions-Kegel und die Processe, welche in diesen Kegeln in freiem Contact mit dem Luftkreise vorgehen. Eine Rauchsäule, die man Monate lang in Südamerika aus dem Vulkan von Pasto aufsteigen sah, verschwand plötzlich, als 48 Meilen weit in Süden (am 4 Februar 1797) die Provinz Quito
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(2013-01-09T11:04:31Z)
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