Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Mondes suchen? Schon Galilei war in seinem berühmten Dialogo geneigt, die parallele Richtung der Erdachse einem magnetischen Anziehungspunkte im Weltraume zuzuschreiben.

Wenn man sich das Innere des Erdkörpers als geschmolzen und einen ungeheuren Druck erleidend, als zu einer Temperatur erhoben denkt, für die wir kein Maaß haben, so muß man wohl auf einen magnetischen Kern der Erde verzichten. Allerdings geht erst bei der Weißglühhitze aller Magnetismus verloren34; er äußert sich noch, wenn das Eisen dunkelrothglühend ist; und so verschieden auch die Modificationen sein mögen, welche der Molecular-Zustand und die davon abhängige Coercitivkraft der Stoffe in den Versuchen erzeugen, so bleibt immer noch eine beträchtliche Dicke der Erdschicht über, die man als Sitz der magnetischen Ströme annehmen möchte. Was die alte Erklärung der stündlichen Variationen der Abweichung durch die progressive Erwärmung der Erde im scheinbaren Sonnenlauf von Osten nach Westen anbetrifft, so muß man sich dabei freilich auf die äußerste Oberfläche beschränken: da die in den Erdboden eingesenkten, jetzt an so vielen Orten genau beobachteten Thermometer zeigen, wie langsam die Sonnenwärme selbst auf die geringe Tiefe von einigen Fußen eindringt. Dazu ist der thermische Zustand der Meeresfläche, welche 2/3 des Planeten bedeckt, solchen Erklärungen wenig günstig; wenn von unmittelbarer Einwirkung die Rede ist, nicht von Induction aus der Luft- und Dunsthülle des Planeten.

Auf alle Fragen nach den letzten physischen Ursachen so complicirter Erscheinungen ist in dem jetzigen Zustande

Mondes suchen? Schon Galilei war in seinem berühmten Dialogo geneigt, die parallele Richtung der Erdachse einem magnetischen Anziehungspunkte im Weltraume zuzuschreiben.

Wenn man sich das Innere des Erdkörpers als geschmolzen und einen ungeheuren Druck erleidend, als zu einer Temperatur erhoben denkt, für die wir kein Maaß haben, so muß man wohl auf einen magnetischen Kern der Erde verzichten. Allerdings geht erst bei der Weißglühhitze aller Magnetismus verloren34; er äußert sich noch, wenn das Eisen dunkelrothglühend ist; und so verschieden auch die Modificationen sein mögen, welche der Molecular-Zustand und die davon abhängige Coercitivkraft der Stoffe in den Versuchen erzeugen, so bleibt immer noch eine beträchtliche Dicke der Erdschicht über, die man als Sitz der magnetischen Ströme annehmen möchte. Was die alte Erklärung der stündlichen Variationen der Abweichung durch die progressive Erwärmung der Erde im scheinbaren Sonnenlauf von Osten nach Westen anbetrifft, so muß man sich dabei freilich auf die äußerste Oberfläche beschränken: da die in den Erdboden eingesenkten, jetzt an so vielen Orten genau beobachteten Thermometer zeigen, wie langsam die Sonnenwärme selbst auf die geringe Tiefe von einigen Fußen eindringt. Dazu ist der thermische Zustand der Meeresfläche, welche ⅔ des Planeten bedeckt, solchen Erklärungen wenig günstig; wenn von unmittelbarer Einwirkung die Rede ist, nicht von Induction aus der Luft- und Dunsthülle des Planeten.

Auf alle Fragen nach den letzten physischen Ursachen so complicirter Erscheinungen ist in dem jetzigen Zustande

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0215" n="196"/>
Mondes suchen? Schon <hi rendition="#g">Galilei</hi> war in seinem berühmten <hi rendition="#g">Dialogo</hi> geneigt, die parallele Richtung der Erdachse einem magnetischen Anziehungspunkte im Weltraume zuzuschreiben.</p>
          <p>Wenn man sich das Innere des Erdkörpers als geschmolzen und einen ungeheuren <hi rendition="#g">Druck</hi> erleidend, als zu einer Temperatur erhoben denkt, für die wir kein Maaß haben, so muß man wohl auf einen magnetischen Kern der Erde verzichten. Allerdings geht erst bei der Weißglühhitze aller Magnetismus verloren<note place="end" n="34" xml:id="ftn164" next="#ftn164-text"/>; er äußert sich noch, wenn das Eisen dunkelrothglühend ist; und so verschieden auch die Modificationen sein mögen, welche der Molecular-Zustand und die davon abhängige Coercitivkraft der Stoffe in den Versuchen erzeugen, so bleibt immer noch eine beträchtliche Dicke der Erdschicht über, die man als Sitz der magnetischen Ströme annehmen möchte. Was die alte Erklärung der stündlichen Variationen der Abweichung durch die progressive Erwärmung der Erde im scheinbaren Sonnenlauf von Osten nach Westen anbetrifft, so muß man sich dabei freilich auf die äußerste Oberfläche beschränken: da die in den Erdboden eingesenkten, jetzt an so vielen Orten genau beobachteten Thermometer zeigen, wie langsam die Sonnenwärme selbst auf die geringe Tiefe von einigen Fußen eindringt. Dazu ist der thermische Zustand der Meeresfläche, welche &#x2154; des Planeten bedeckt, solchen Erklärungen wenig günstig; wenn von unmittelbarer Einwirkung die Rede ist, nicht von <hi rendition="#g">Induction</hi> aus der Luft- und Dunsthülle des Planeten.</p>
          <p>Auf alle Fragen nach den letzten <hi rendition="#g">physischen Ursachen</hi> so complicirter Erscheinungen ist in dem jetzigen Zustande
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0215] Mondes suchen? Schon Galilei war in seinem berühmten Dialogo geneigt, die parallele Richtung der Erdachse einem magnetischen Anziehungspunkte im Weltraume zuzuschreiben. Wenn man sich das Innere des Erdkörpers als geschmolzen und einen ungeheuren Druck erleidend, als zu einer Temperatur erhoben denkt, für die wir kein Maaß haben, so muß man wohl auf einen magnetischen Kern der Erde verzichten. Allerdings geht erst bei der Weißglühhitze aller Magnetismus verloren ³⁴ ; er äußert sich noch, wenn das Eisen dunkelrothglühend ist; und so verschieden auch die Modificationen sein mögen, welche der Molecular-Zustand und die davon abhängige Coercitivkraft der Stoffe in den Versuchen erzeugen, so bleibt immer noch eine beträchtliche Dicke der Erdschicht über, die man als Sitz der magnetischen Ströme annehmen möchte. Was die alte Erklärung der stündlichen Variationen der Abweichung durch die progressive Erwärmung der Erde im scheinbaren Sonnenlauf von Osten nach Westen anbetrifft, so muß man sich dabei freilich auf die äußerste Oberfläche beschränken: da die in den Erdboden eingesenkten, jetzt an so vielen Orten genau beobachteten Thermometer zeigen, wie langsam die Sonnenwärme selbst auf die geringe Tiefe von einigen Fußen eindringt. Dazu ist der thermische Zustand der Meeresfläche, welche ⅔ des Planeten bedeckt, solchen Erklärungen wenig günstig; wenn von unmittelbarer Einwirkung die Rede ist, nicht von Induction aus der Luft- und Dunsthülle des Planeten. Auf alle Fragen nach den letzten physischen Ursachen so complicirter Erscheinungen ist in dem jetzigen Zustande

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/215
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/215>, abgerufen am 24.11.2024.