Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806].

Bild:
<< vorherige Seite

Parasitisch wie bei uns Moose und Flechten,
überziehen in der Tropenwelt außer den Orchi-
deen auch die Pothosgewächse den altern-
den Stamm der Waldbäume. Saftige, krautartige
Stengel mit großen, bald pfeilförmigen, bald ge-
fingerten, bald länglichen aber stets dik-adrigen
Blättern. Blumen in Scheiden. Pothos, Dra-
contium, Arum
, leztere dem Norden fehlend, aber
in Spanien und Italien mit saftvollem Huflattig,
hohen Distelstauden und Acanthus, die Ueppig-
keit des südlichen Pflanzenwuchses bezeichnend.

Zu dieser Arumform gesellt sich die Form
der Lianen, beide in heißen Erdstrichen von
Süd-Amerika in vorzüglicher Kraft der Vegeta-
tion. Paullinia, Banisteria, Bignonien. Unser ran-
kender Hopfen und unsere Weinreben erinnern an
diese Pflanzengestalt der Tropenwelt. Am Ori-
noco
haben die blattlosen Zweige der Bauhinien
oft 40 Fuß Länge. Sie fallen theils senkrecht aus
dem Gipfel hoher Swietenien herab; theils sind
sie schräg wie Masttaue ausgespannt, und die
Tigerkatze hat eine bewundernswürdige Geschik-
lichkeit, daran auf- und abzuk[le]ttern.

Mit den biegsamen sich rankenden Lianen,
mit ihrem frischen und leichten Grün, kontrastirt
die selbstständige Form der bläulichen Aloege-
wächse
; Stämme, wenn sie vorhanden sind, fast
ungetheilt, enggeringelt und schlangenartig gewun-
den. An dem Gipfel sind saftreiche, fleischige,
lang-zugespitzte Blätter stralenartig zusammen-
gehäuft. Die hochstämmigen Aloegewächse bil-

Parasitisch wie bei uns Moose und Flechten,
überziehen in der Tropenwelt außer den Orchi-
deen auch die Pothosgewächse den altern-
den Stamm der Waldbäume. Saftige, krautartige
Stengel mit großen, bald pfeilförmigen, bald ge-
fingerten, bald länglichen aber stets dik-adrigen
Blättern. Blumen in Scheiden. Pothos, Dra-
contium, Arum
, leztere dem Norden fehlend, aber
in Spanien und Italien mit saftvollem Huflattig,
hohen Distelstauden und Acanthus, die Ueppig-
keit des südlichen Pflanzenwuchses bezeichnend.

Zu dieser Arumform gesellt sich die Form
der Lianen, beide in heißen Erdstrichen von
Süd-Amerika in vorzüglicher Kraft der Vegeta-
tion. Paullinia, Banisteria, Bignonien. Unser ran-
kender Hopfen und unsere Weinreben erinnern an
diese Pflanzengestalt der Tropenwelt. Am Ori-
noco
haben die blattlosen Zweige der Bauhinien
oft 40 Fuß Länge. Sie fallen theils senkrecht aus
dem Gipfel hoher Swietenien herab; theils sind
sie schräg wie Masttaue ausgespannt, und die
Tigerkatze hat eine bewundernswürdige Geschik-
lichkeit, daran auf- und abzuk[le]ttern.

Mit den biegsamen sich rankenden Lianen,
mit ihrem frischen und leichten Grün, kontrastirt
die selbstständige Form der bläulichen Aloege-
wächse
; Stämme, wenn sie vorhanden sind, fast
ungetheilt, enggeringelt und schlangenartig gewun-
den. An dem Gipfel sind saftreiche, fleischige,
lang-zugespitzte Blätter stralenartig zusammen-
gehäuft. Die hochstämmigen Aloegewächse bil-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0023" n="24"/>
      <p>Parasitisch wie bei uns Moose und Flechten,<lb/>
überziehen in der Tropenwelt außer den Orchi-<lb/>
deen auch die <hi rendition="#g">Pothosgewächse</hi> den altern-<lb/>
den Stamm der Waldbäume. Saftige, krautartige<lb/>
Stengel mit großen, bald pfeilförmigen, bald ge-<lb/>
fingerten, bald länglichen aber stets dik-adrigen<lb/>
Blättern. Blumen in Scheiden. <hi rendition="#i">Pothos, Dra-<lb/>
contium, Arum</hi>, leztere dem Norden fehlend, aber<lb/>
in <placeName>Spanien</placeName> und <placeName>Italien</placeName> mit saftvollem Huflattig,<lb/>
hohen Distelstauden und <hi rendition="#i">Acanthus</hi>, die Ueppig-<lb/>
keit des südlichen Pflanzenwuchses bezeichnend.</p><lb/>
      <p>Zu dieser <hi rendition="#g">Arumform</hi> gesellt sich die Form<lb/>
der <hi rendition="#g">Lianen</hi>, beide in heißen Erdstrichen von<lb/><placeName>Süd-Amerika</placeName> in vorzüglicher Kraft der Vegeta-<lb/>
tion. <hi rendition="#i">Paullinia, Banisteria, Bignonien</hi>. Unser ran-<lb/>
kender Hopfen und unsere Weinreben erinnern an<lb/>
diese Pflanzengestalt der Tropenwelt. Am <placeName>Ori-<lb/>
noco</placeName> haben die blattlosen Zweige der <hi rendition="#i">Bauhinien</hi><lb/>
oft 40 Fuß Länge. Sie fallen theils senkrecht aus<lb/>
dem Gipfel hoher Swietenien herab; theils sind<lb/>
sie schräg wie Masttaue ausgespannt, und die<lb/>
Tigerkatze hat eine bewundernswürdige Geschik-<lb/>
lichkeit, daran auf- und abzuk<supplied reason="damage">le</supplied>ttern.</p><lb/>
      <p>Mit den biegsamen sich rankenden Lianen,<lb/>
mit ihrem frischen und leichten Grün, kontrastirt<lb/>
die selbstständige Form der bläulichen <hi rendition="#g">Aloege-<lb/>
wächse</hi>; Stämme, wenn sie vorhanden sind, fast<lb/>
ungetheilt, enggeringelt und schlangenartig gewun-<lb/>
den. An dem Gipfel sind saftreiche, fleischige,<lb/>
lang-zugespitzte Blätter stralenartig zusammen-<lb/>
gehäuft. Die hochstämmigen Aloegewächse bil-<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0023] Parasitisch wie bei uns Moose und Flechten, überziehen in der Tropenwelt außer den Orchi- deen auch die Pothosgewächse den altern- den Stamm der Waldbäume. Saftige, krautartige Stengel mit großen, bald pfeilförmigen, bald ge- fingerten, bald länglichen aber stets dik-adrigen Blättern. Blumen in Scheiden. Pothos, Dra- contium, Arum, leztere dem Norden fehlend, aber in Spanien und Italien mit saftvollem Huflattig, hohen Distelstauden und Acanthus, die Ueppig- keit des südlichen Pflanzenwuchses bezeichnend. Zu dieser Arumform gesellt sich die Form der Lianen, beide in heißen Erdstrichen von Süd-Amerika in vorzüglicher Kraft der Vegeta- tion. Paullinia, Banisteria, Bignonien. Unser ran- kender Hopfen und unsere Weinreben erinnern an diese Pflanzengestalt der Tropenwelt. Am Ori- noco haben die blattlosen Zweige der Bauhinien oft 40 Fuß Länge. Sie fallen theils senkrecht aus dem Gipfel hoher Swietenien herab; theils sind sie schräg wie Masttaue ausgespannt, und die Tigerkatze hat eine bewundernswürdige Geschik- lichkeit, daran auf- und abzuklettern. Mit den biegsamen sich rankenden Lianen, mit ihrem frischen und leichten Grün, kontrastirt die selbstständige Form der bläulichen Aloege- wächse; Stämme, wenn sie vorhanden sind, fast ungetheilt, enggeringelt und schlangenartig gewun- den. An dem Gipfel sind saftreiche, fleischige, lang-zugespitzte Blätter stralenartig zusammen- gehäuft. Die hochstämmigen Aloegewächse bil-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ideen_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ideen_1806/23
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806], S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ideen_1806/23>, abgerufen am 04.12.2024.