Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806].hältnissen ab. Wie mächtig hat der griechische hältnissen ab. Wie mächtig hat der griechische <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0013" n="14"/> hältnissen ab. Wie mächtig hat der griechische<lb/> Himmel auf seine Bewohner gewirkt! Wie sind<lb/> nicht in dem schönen und glüklichen Erdstriche<lb/> zwischen dem <placeName>Oxus</placeName>, dem <placeName>Tigris</placeName>, und dem <placeName>ägei-<lb/> schen Meere</placeName>, die sich ansiedelnden Völker zu-<lb/> erst zu sittlicher Anmuth und zarteren Gefühlen<lb/> erwacht? Und haben nicht, als <placeName>Europa</placeName> in neue<lb/> Barbarei versank, und religiöse Begeisterung<lb/> plözlich den heiligen <placeName>Orient</placeName> öfnete, unsere Vor-<lb/> ältern aus jenen milden Thälern von neuem mil-<lb/> dere Sitten heimgebracht! Die Dichterwerke der<lb/> Griechen und die rauheren Gesänge der nordi-<lb/> schen Urvölker verdankten größtentheils ihren<lb/> eigenthümlichen Charakter der Gestalt der Pflan-<lb/> zen und Thiere, den Gebirgsthälern, die den<lb/> Dichter umgaben, und der Luft, die ihn umwehte.<lb/> Wer fühlt sich nicht, um selbst nur an nahe Ge-<lb/> genstände zu erinnern, anders gestimmt, in dem<lb/> dunkeln Schatten der Buchen, oder auf Hügeln,<lb/> die mit einzeln stehenden Tannen bekränzt sind;<lb/> oder auf der Grasflur, wo der Wind in dem zit-<lb/> ternden Laube der Birken säuselt! Melancholi-<lb/> sche, ernsterhebende, oder fröhliche Bilder ru-<lb/> fen diese vaterländischen Pflanzengestalten in uns<lb/> hervor. Der Einfluß der physischen Welt auf<lb/> die moralische, dies geheimnißvolle Ineinander-<lb/> Wirken des Sinnlichen und Außersinnlichen,<lb/> giebt dem Naturstudium, wenn man es zu höhe-<lb/> ren Gesichtspunkten erhebt, einen eigenen, noch<lb/> zu wenig gekannten Reiz.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [14/0013]
hältnissen ab. Wie mächtig hat der griechische
Himmel auf seine Bewohner gewirkt! Wie sind
nicht in dem schönen und glüklichen Erdstriche
zwischen dem Oxus, dem Tigris, und dem ägei-
schen Meere, die sich ansiedelnden Völker zu-
erst zu sittlicher Anmuth und zarteren Gefühlen
erwacht? Und haben nicht, als Europa in neue
Barbarei versank, und religiöse Begeisterung
plözlich den heiligen Orient öfnete, unsere Vor-
ältern aus jenen milden Thälern von neuem mil-
dere Sitten heimgebracht! Die Dichterwerke der
Griechen und die rauheren Gesänge der nordi-
schen Urvölker verdankten größtentheils ihren
eigenthümlichen Charakter der Gestalt der Pflan-
zen und Thiere, den Gebirgsthälern, die den
Dichter umgaben, und der Luft, die ihn umwehte.
Wer fühlt sich nicht, um selbst nur an nahe Ge-
genstände zu erinnern, anders gestimmt, in dem
dunkeln Schatten der Buchen, oder auf Hügeln,
die mit einzeln stehenden Tannen bekränzt sind;
oder auf der Grasflur, wo der Wind in dem zit-
ternden Laube der Birken säuselt! Melancholi-
sche, ernsterhebende, oder fröhliche Bilder ru-
fen diese vaterländischen Pflanzengestalten in uns
hervor. Der Einfluß der physischen Welt auf
die moralische, dies geheimnißvolle Ineinander-
Wirken des Sinnlichen und Außersinnlichen,
giebt dem Naturstudium, wenn man es zu höhe-
ren Gesichtspunkten erhebt, einen eigenen, noch
zu wenig gekannten Reiz.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |