Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich,
wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten
Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden,
da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die
Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen
Verfassungen existirt -- und gewiss zum nicht geringen Glück
für die Bildung des Menschen -- eine solche bestimmte Form
ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch
von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch
die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist,
nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu
werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan
den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl-
stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert
den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte
daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es
auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men-
schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine
bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte
vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr,
als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben
diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben
aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu
zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt
auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner
Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben
in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich-
gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.

Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be-
förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen,
will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung
der Kräfte zu begünstigen; so ist dies einmal an sich nicht
ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal

Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich,
wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten
Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden,
da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die
Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen
Verfassungen existirt — und gewiss zum nicht geringen Glück
für die Bildung des Menschen — eine solche bestimmte Form
ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch
von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch
die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist,
nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu
werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan
den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl-
stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert
den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte
daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es
auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men-
schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine
bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte
vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr,
als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben
diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben
aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu
zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt
auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner
Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben
in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich-
gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.

Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be-
förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen,
will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung
der Kräfte zu begünstigen; so ist dies einmal an sich nicht
ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0094" n="58"/>
        <p>Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich,<lb/>
wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten<lb/>
Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden,<lb/>
da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die<lb/>
Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen<lb/>
Verfassungen existirt &#x2014; und gewiss zum nicht geringen Glück<lb/>
für die Bildung des Menschen &#x2014; eine solche bestimmte Form<lb/>
ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch<lb/>
von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch<lb/>
die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist,<lb/>
nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu<lb/>
werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan<lb/>
den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl-<lb/>
stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert<lb/>
den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte<lb/>
daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es<lb/>
auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men-<lb/>
schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine<lb/>
bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte<lb/>
vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr,<lb/>
als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben<lb/>
diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben<lb/>
aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu<lb/>
zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt<lb/>
auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner<lb/>
Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben<lb/>
in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich-<lb/>
gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.</p><lb/>
        <p>Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be-<lb/>
förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen,<lb/>
will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung<lb/>
der Kräfte zu begünstigen; so ist dies einmal an sich nicht<lb/>
ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0094] Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich, wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden, da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen Verfassungen existirt — und gewiss zum nicht geringen Glück für die Bildung des Menschen — eine solche bestimmte Form ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist, nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl- stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men- schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr, als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich- gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt. Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be- förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen, will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung der Kräfte zu begünstigen; so ist dies einmal an sich nicht ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/94
Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/94>, abgerufen am 24.11.2024.