Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich, wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden, da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen Verfassungen existirt -- und gewiss zum nicht geringen Glück für die Bildung des Menschen -- eine solche bestimmte Form ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist, nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl- stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men- schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr, als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich- gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.
Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be- förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen, will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung der Kräfte zu begünstigen; so ist dies einmal an sich nicht ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal
Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich, wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden, da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen Verfassungen existirt — und gewiss zum nicht geringen Glück für die Bildung des Menschen — eine solche bestimmte Form ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist, nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl- stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men- schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr, als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich- gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.
Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be- förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen, will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung der Kräfte zu begünstigen; so ist dies einmal an sich nicht ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal
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Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich,
wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten
Staaten, und vielleicht noch jetzt in mancher Republik finden,
da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die
Sache selbst minder schädlich. Allein in unsern monarchischen
Verfassungen existirt — und gewiss zum nicht geringen Glück
für die Bildung des Menschen — eine solche bestimmte Form
ganz und gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch
von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch
die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist,
nicht soviel Kräfte der Individuen auf dies Mittel verwandt zu
werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan
den Gesetzen gehorcht, und sich und die seinigen im Wohl-
stande und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert
den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte
daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es
auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Men-
schen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine
bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte
vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr,
als gerade dies, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben
diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben
aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu
zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt
auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner
Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben
in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleich-
gewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.
Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Be-
förderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen,
will man es ihr zur Pflicht machen, blos die eigene Entwickelung
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/94>, abgerufen am 27.07.2024.
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