Vielleicht ist es nirgends so sehr, als hier, der Fall, dass mit der Ausbildung der Theorie der menschlichen Unterneh- mungen, der Nutzen derselben für diejenigen sinkt, welche sich mit ihnen beschäftigen. Unläugbar hat die Kriegskunst unter den Neueren unglaubliche Fortschritte gemacht, aber ebenso unläugbar ist der edle Charakter der Krieger seltner geworden, seine höchste Schönheit existirt nur noch in der Geschichte des Alterthums, wenigstens -- wenn man dies für übertrieben halten sollte -- hat der kriegerische Geist bei uns sehr oft blos schädliche Folgen für die Nationen, da wir ihn im Alterthum so oft von so heilsamen begleitet sehen. Allein unsere stehende Armeen bringen, wenn ich so sagen darf, den Krieg mitten in den Schooss des Friedens. Kriegsmuth ist nur in Verbindung mit den schönsten friedlichen Tugenden, Kriegs- zucht nur in Verbindung mit dem höchsten Freiheitsgefühle ehrwürdig. Beides getrennt -- und wie sehr wird eine solche Trennung durch den im Frieden bewaffneten Krieger begünstigt? -- artet diese sehr leicht in Sklaverei, jener in Wildheit und Zügellosigkeit aus.
Bei diesem Tadel der stehenden Armeen sei mir die Erin- nerung erlaubt, dass ich hier nicht weiter von ihnen rede, als mein gegenwärtiger Gesichtspunkt erfordert. Ihren gros- sen, unbestrittenen Nutzen -- wodurch sie dem Zuge das Gleich- gewicht halten, mit dem sonst ihre Fehler sie, wie jedes irdische Wesen, unaufhaltbar zum Untergange dahinreissen würden -- zu verkennen, sei fern von mir. Sie sind ein Theil des Ganzen, welches nicht Plane eitler menschlicher Vernunft, sondern die sichere Hand des Schicksals gebildet hat. Wie sie in alles Andere, unserem Zeitalter Eigenthümliche, eingreifen, wie sie mit diesem die Schuld und das Verdienst des Guten und Bösen theilen, das uns auszeichnen mag, müsste das Gemälde schil- dern, welches uns, treffend und vollständig gezeichnet, der Vorwelt an die Seite zu stellen wagte.
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Vielleicht ist es nirgends so sehr, als hier, der Fall, dass mit der Ausbildung der Theorie der menschlichen Unterneh- mungen, der Nutzen derselben für diejenigen sinkt, welche sich mit ihnen beschäftigen. Unläugbar hat die Kriegskunst unter den Neueren unglaubliche Fortschritte gemacht, aber ebenso unläugbar ist der edle Charakter der Krieger seltner geworden, seine höchste Schönheit existirt nur noch in der Geschichte des Alterthums, wenigstens — wenn man dies für übertrieben halten sollte — hat der kriegerische Geist bei uns sehr oft blos schädliche Folgen für die Nationen, da wir ihn im Alterthum so oft von so heilsamen begleitet sehen. Allein unsere stehende Armeen bringen, wenn ich so sagen darf, den Krieg mitten in den Schooss des Friedens. Kriegsmuth ist nur in Verbindung mit den schönsten friedlichen Tugenden, Kriegs- zucht nur in Verbindung mit dem höchsten Freiheitsgefühle ehrwürdig. Beides getrennt — und wie sehr wird eine solche Trennung durch den im Frieden bewaffneten Krieger begünstigt? — artet diese sehr leicht in Sklaverei, jener in Wildheit und Zügellosigkeit aus.
Bei diesem Tadel der stehenden Armeen sei mir die Erin- nerung erlaubt, dass ich hier nicht weiter von ihnen rede, als mein gegenwärtiger Gesichtspunkt erfordert. Ihren gros- sen, unbestrittenen Nutzen — wodurch sie dem Zuge das Gleich- gewicht halten, mit dem sonst ihre Fehler sie, wie jedes irdische Wesen, unaufhaltbar zum Untergange dahinreissen würden — zu verkennen, sei fern von mir. Sie sind ein Theil des Ganzen, welches nicht Plane eitler menschlicher Vernunft, sondern die sichere Hand des Schicksals gebildet hat. Wie sie in alles Andere, unserem Zeitalter Eigenthümliche, eingreifen, wie sie mit diesem die Schuld und das Verdienst des Guten und Bösen theilen, das uns auszeichnen mag, müsste das Gemälde schil- dern, welches uns, treffend und vollständig gezeichnet, der Vorwelt an die Seite zu stellen wagte.
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Vielleicht ist es nirgends so sehr, als hier, der Fall, dass
mit der Ausbildung der Theorie der menschlichen Unterneh-
mungen, der Nutzen derselben für diejenigen sinkt, welche sich
mit ihnen beschäftigen. Unläugbar hat die Kriegskunst unter
den Neueren unglaubliche Fortschritte gemacht, aber ebenso
unläugbar ist der edle Charakter der Krieger seltner geworden,
seine höchste Schönheit existirt nur noch in der Geschichte des
Alterthums, wenigstens — wenn man dies für übertrieben
halten sollte — hat der kriegerische Geist bei uns sehr oft
blos schädliche Folgen für die Nationen, da wir ihn im
Alterthum so oft von so heilsamen begleitet sehen. Allein
unsere stehende Armeen bringen, wenn ich so sagen darf, den
Krieg mitten in den Schooss des Friedens. Kriegsmuth ist nur
in Verbindung mit den schönsten friedlichen Tugenden, Kriegs-
zucht nur in Verbindung mit dem höchsten Freiheitsgefühle
ehrwürdig. Beides getrennt — und wie sehr wird eine solche
Trennung durch den im Frieden bewaffneten Krieger begünstigt?
— artet diese sehr leicht in Sklaverei, jener in Wildheit und
Zügellosigkeit aus.
Bei diesem Tadel der stehenden Armeen sei mir die Erin-
nerung erlaubt, dass ich hier nicht weiter von ihnen rede,
als mein gegenwärtiger Gesichtspunkt erfordert. Ihren gros-
sen, unbestrittenen Nutzen — wodurch sie dem Zuge das Gleich-
gewicht halten, mit dem sonst ihre Fehler sie, wie jedes irdische
Wesen, unaufhaltbar zum Untergange dahinreissen würden —
zu verkennen, sei fern von mir. Sie sind ein Theil des Ganzen,
welches nicht Plane eitler menschlicher Vernunft, sondern die
sichere Hand des Schicksals gebildet hat. Wie sie in alles
Andere, unserem Zeitalter Eigenthümliche, eingreifen, wie sie
mit diesem die Schuld und das Verdienst des Guten und Bösen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/87>, abgerufen am 27.07.2024.
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