bar allein in eine Theorie der eigentlichen Politik. Ich begnüge mich nur an folgenden kurzen Bemerkungen, welche wenigstens die Möglichkeit einer solchen Verfassung deutlicher zeigen. Das System, das ich vorgetragen habe, verstärkt und verviel- facht das Privatinteresse der Bürger, und es scheint daher, dass eben dadurch das öffentliche geschwächt werde. Allein es ver- bindet auch dieses so genau mit jenem, dass dasselbe vielmehr nur auf jenes, und zwar, wie es jeder Bürger -- da doch jeder sicher und frei sein will -- anerkennt, gegründet ist. So dürfte also doch, gerade bei diesem System, die Liebe der Konstitution am besten erhalten werden, die man sonst oft durch sehr künstliche Mittel vergebens hervorzubringen strebt. Dann trifft auch hier ein, dass der Staat, der weniger wirken soll, auch eine geringere Macht, und die geringere Macht eine geringere Wehr braucht. Endlich versteht sich noch von selbst, dass, so wie überhaupt manchmal Kraft oder Genuss den Resultaten aufgeopfert wer- den müssen, um beide vor einem grösseren Verlust zu bewah- ren, eben dies auch hier immer angewendet werden müsste.
So hätte ich denn jetzt die vorgelegte Frage, nach dem Maasse meiner gegenwärtigen Kräfte, vollständig beantwortet, die Wirksamkeit des Staats von allen Seiten her mit den Grän- zen umschlossen, welche mir zugleich erspriesslich und noth- wendig schienen. Ich habe indess dabei nur den Gesichtspunkt des Besten gewählt; der des Rechts könnte noch neben dem- selben nicht uninteressant scheinen. Allein wo eine Staatsge- sellschaft wirklich einen gewissen Zweck, sichere Gränzen der Wirksamkeit freiwillig bestimmt hat; da sind natürlich dieser Zweck und diese Gränzen -- sobald sie nur von der Art sind, dass ihre Bestimmung in der Macht der Bestimmenden lag -- rechtmässig. Wo eine solche ausdrückliche Bestimmung nicht geschehen ist, da muss der Staat natürlich seine Wirksamkeit auf diejenigen Gränzen zurückzubringen suchen, welche die reine Theorie vorschreibt, aber sich auch von den Hindernissen
bar allein in eine Theorie der eigentlichen Politik. Ich begnüge mich nur an folgenden kurzen Bemerkungen, welche wenigstens die Möglichkeit einer solchen Verfassung deutlicher zeigen. Das System, das ich vorgetragen habe, verstärkt und verviel- facht das Privatinteresse der Bürger, und es scheint daher, dass eben dadurch das öffentliche geschwächt werde. Allein es ver- bindet auch dieses so genau mit jenem, dass dasselbe vielmehr nur auf jenes, und zwar, wie es jeder Bürger — da doch jeder sicher und frei sein will — anerkennt, gegründet ist. So dürfte also doch, gerade bei diesem System, die Liebe der Konstitution am besten erhalten werden, die man sonst oft durch sehr künstliche Mittel vergebens hervorzubringen strebt. Dann trifft auch hier ein, dass der Staat, der weniger wirken soll, auch eine geringere Macht, und die geringere Macht eine geringere Wehr braucht. Endlich versteht sich noch von selbst, dass, so wie überhaupt manchmal Kraft oder Genuss den Resultaten aufgeopfert wer- den müssen, um beide vor einem grösseren Verlust zu bewah- ren, eben dies auch hier immer angewendet werden müsste.
So hätte ich denn jetzt die vorgelegte Frage, nach dem Maasse meiner gegenwärtigen Kräfte, vollständig beantwortet, die Wirksamkeit des Staats von allen Seiten her mit den Grän- zen umschlossen, welche mir zugleich erspriesslich und noth- wendig schienen. Ich habe indess dabei nur den Gesichtspunkt des Besten gewählt; der des Rechts könnte noch neben dem- selben nicht uninteressant scheinen. Allein wo eine Staatsge- sellschaft wirklich einen gewissen Zweck, sichere Gränzen der Wirksamkeit freiwillig bestimmt hat; da sind natürlich dieser Zweck und diese Gränzen — sobald sie nur von der Art sind, dass ihre Bestimmung in der Macht der Bestimmenden lag — rechtmässig. Wo eine solche ausdrückliche Bestimmung nicht geschehen ist, da muss der Staat natürlich seine Wirksamkeit auf diejenigen Gränzen zurückzubringen suchen, welche die reine Theorie vorschreibt, aber sich auch von den Hindernissen
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[174/0210]
bar allein in eine Theorie der eigentlichen Politik. Ich begnüge
mich nur an folgenden kurzen Bemerkungen, welche wenigstens
die Möglichkeit einer solchen Verfassung deutlicher zeigen.
Das System, das ich vorgetragen habe, verstärkt und verviel-
facht das Privatinteresse der Bürger, und es scheint daher, dass
eben dadurch das öffentliche geschwächt werde. Allein es ver-
bindet auch dieses so genau mit jenem, dass dasselbe vielmehr
nur auf jenes, und zwar, wie es jeder Bürger — da doch jeder
sicher und frei sein will — anerkennt, gegründet ist. So dürfte also
doch, gerade bei diesem System, die Liebe der Konstitution am
besten erhalten werden, die man sonst oft durch sehr künstliche
Mittel vergebens hervorzubringen strebt. Dann trifft auch hier ein,
dass der Staat, der weniger wirken soll, auch eine geringere
Macht, und die geringere Macht eine geringere Wehr braucht.
Endlich versteht sich noch von selbst, dass, so wie überhaupt
manchmal Kraft oder Genuss den Resultaten aufgeopfert wer-
den müssen, um beide vor einem grösseren Verlust zu bewah-
ren, eben dies auch hier immer angewendet werden müsste.
So hätte ich denn jetzt die vorgelegte Frage, nach dem
Maasse meiner gegenwärtigen Kräfte, vollständig beantwortet,
die Wirksamkeit des Staats von allen Seiten her mit den Grän-
zen umschlossen, welche mir zugleich erspriesslich und noth-
wendig schienen. Ich habe indess dabei nur den Gesichtspunkt
des Besten gewählt; der des Rechts könnte noch neben dem-
selben nicht uninteressant scheinen. Allein wo eine Staatsge-
sellschaft wirklich einen gewissen Zweck, sichere Gränzen der
Wirksamkeit freiwillig bestimmt hat; da sind natürlich dieser
Zweck und diese Gränzen — sobald sie nur von der Art sind,
dass ihre Bestimmung in der Macht der Bestimmenden lag —
rechtmässig. Wo eine solche ausdrückliche Bestimmung nicht
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/210>, abgerufen am 16.07.2024.
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