einzige untrügliche Mittel, unverletzliche Achtung des fremden Rechts zu begründen. Zugleich ist dieses Mittel die einzige Art, auf eine des Menschen würdige Weise auf den Charakter desselben zu wirken, da man den Menschen nicht zu Handlun- gen unmittelbar zwingen oder leiten, sondern allein durch die Folgen ziehen muss, welche, der Natur der Dinge nach, aus seinem Betragen fliessen müssen. Statt aller zusammengesetz- teren und künstlicheren Mittel, Verbrechen zu verhüten, würde ich daher nie etwas anders, als gute und durchdachte Gesetze, in ihrem absoluten Maasse den Lokalumständen, in ihrem rela- tiven dem Grade der Inmoralität der Verbrechen genau ange- messene Strafen, möglichst sorgfältige Aufsuchung jeder vor- gefallenen Uebertretung der Gesetze, und Hinwegräumung aller Möglichkeit auch nur der Milderung der richterlich bestimmten Strafe vorschlagen. Wirkt dies freilich sehr einfache Mittel, wie ich nicht läugnen will, langsam; so wirkt es dagegen auch unfehlbar, ohne Nachtheil für die Freiheit, und mit heilsamem Einfluss auf den Charakter der Bürger. Ich brauche mich nun nicht länger bei den Folgen der hier aufgestellten Sätze zu ver- weilen, wie z. B. bei der schon öfter bemerkten Wahrheit, dass das Begnadigungs- selbst das Milderungsrecht des Landesherrn gänzlich aufhören müsste. Sie lassen sich von selbst ohne Mühe daraus herleiten. Die näheren Veranstaltungen, welche der Staat treffen muss, um begangene Verbrechen zu entdecken, oder erst beschlossenen zuvorzukommen, hängen fast ganz von individuellen Umständen specieller Lagen ab. Allgemein kann hier nur bestimmt werden, dass derselbe auch hier seine Rechte nicht überschreiten, und also keine, der Freiheit und der häus- lichen Sicherheit der Bürger überhaupt entgegenlaufende Maass- regeln ergreifen darf. Hingegen kann er für öffentliche Orte, wo am leichtesten Frevel verübt werden, eigene Aufseher be- stellen; Fiskale anordnen, welche, vermöge ihres Amts, gegen verdächtige Personen verfahren; und endlich alle Bürger durch
einzige untrügliche Mittel, unverletzliche Achtung des fremden Rechts zu begründen. Zugleich ist dieses Mittel die einzige Art, auf eine des Menschen würdige Weise auf den Charakter desselben zu wirken, da man den Menschen nicht zu Handlun- gen unmittelbar zwingen oder leiten, sondern allein durch die Folgen ziehen muss, welche, der Natur der Dinge nach, aus seinem Betragen fliessen müssen. Statt aller zusammengesetz- teren und künstlicheren Mittel, Verbrechen zu verhüten, würde ich daher nie etwas anders, als gute und durchdachte Gesetze, in ihrem absoluten Maasse den Lokalumständen, in ihrem rela- tiven dem Grade der Inmoralität der Verbrechen genau ange- messene Strafen, möglichst sorgfältige Aufsuchung jeder vor- gefallenen Uebertretung der Gesetze, und Hinwegräumung aller Möglichkeit auch nur der Milderung der richterlich bestimmten Strafe vorschlagen. Wirkt dies freilich sehr einfache Mittel, wie ich nicht läugnen will, langsam; so wirkt es dagegen auch unfehlbar, ohne Nachtheil für die Freiheit, und mit heilsamem Einfluss auf den Charakter der Bürger. Ich brauche mich nun nicht länger bei den Folgen der hier aufgestellten Sätze zu ver- weilen, wie z. B. bei der schon öfter bemerkten Wahrheit, dass das Begnadigungs- selbst das Milderungsrecht des Landesherrn gänzlich aufhören müsste. Sie lassen sich von selbst ohne Mühe daraus herleiten. Die näheren Veranstaltungen, welche der Staat treffen muss, um begangene Verbrechen zu entdecken, oder erst beschlossenen zuvorzukommen, hängen fast ganz von individuellen Umständen specieller Lagen ab. Allgemein kann hier nur bestimmt werden, dass derselbe auch hier seine Rechte nicht überschreiten, und also keine, der Freiheit und der häus- lichen Sicherheit der Bürger überhaupt entgegenlaufende Maass- regeln ergreifen darf. Hingegen kann er für öffentliche Orte, wo am leichtesten Frevel verübt werden, eigene Aufseher be- stellen; Fiskale anordnen, welche, vermöge ihres Amts, gegen verdächtige Personen verfahren; und endlich alle Bürger durch
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einzige untrügliche Mittel, unverletzliche Achtung des fremden
Rechts zu begründen. Zugleich ist dieses Mittel die einzige
Art, auf eine des Menschen würdige Weise auf den Charakter
desselben zu wirken, da man den Menschen nicht zu Handlun-
gen unmittelbar zwingen oder leiten, sondern allein durch die
Folgen ziehen muss, welche, der Natur der Dinge nach, aus
seinem Betragen fliessen müssen. Statt aller zusammengesetz-
teren und künstlicheren Mittel, Verbrechen zu verhüten, würde
ich daher nie etwas anders, als gute und durchdachte Gesetze,
in ihrem absoluten Maasse den Lokalumständen, in ihrem rela-
tiven dem Grade der Inmoralität der Verbrechen genau ange-
messene Strafen, möglichst sorgfältige Aufsuchung jeder vor-
gefallenen Uebertretung der Gesetze, und Hinwegräumung aller
Möglichkeit auch nur der Milderung der richterlich bestimmten
Strafe vorschlagen. Wirkt dies freilich sehr einfache Mittel,
wie ich nicht läugnen will, langsam; so wirkt es dagegen auch
unfehlbar, ohne Nachtheil für die Freiheit, und mit heilsamem
Einfluss auf den Charakter der Bürger. Ich brauche mich nun
nicht länger bei den Folgen der hier aufgestellten Sätze zu ver-
weilen, wie z. B. bei der schon öfter bemerkten Wahrheit, dass
das Begnadigungs- selbst das Milderungsrecht des Landesherrn
gänzlich aufhören müsste. Sie lassen sich von selbst ohne Mühe
daraus herleiten. Die näheren Veranstaltungen, welche der
Staat treffen muss, um begangene Verbrechen zu entdecken,
oder erst beschlossenen zuvorzukommen, hängen fast ganz von
individuellen Umständen specieller Lagen ab. Allgemein kann
hier nur bestimmt werden, dass derselbe auch hier seine Rechte
nicht überschreiten, und also keine, der Freiheit und der häus-
lichen Sicherheit der Bürger überhaupt entgegenlaufende Maass-
regeln ergreifen darf. Hingegen kann er für öffentliche Orte,
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stellen; Fiskale anordnen, welche, vermöge ihres Amts, gegen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/194>, abgerufen am 27.07.2024.
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