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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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es nicht gut, dass der Staat ins Mittel trete, und die Reihe der
Begebenheiten störe, welche der natürliche Lauf der Dinge aus
den Handlungen desselben entspringen lässt. Immer werden
auch wenigstens diese Lagen nur so selten eintreffen, dass es
überhaupt einer eignen Dazwischenkunft des Staats nicht be-
dürfen wird, und dass nicht die Vortheile derselben von den
Nachtheilen überwogen werden sollten, die es, nach Allem im
Vorigen Gesagten, nicht mehr nothwendig ist, einzeln ausein-
anderzusetzen.

Gerade entgegengesetzt verhalten sich die Gründe, welche
für und wider die zweite Art des Bemühens, Verbrechen zu
verhindern streiten, wider diejenige nämlich, welche auf die
Neigungen und Leidenschaften der Menschen selbst zu wirken
strebt. Denn auf der einen Seite scheint die Nothwendigkeit
grösser, da, bei minder gebundner Freiheit der Genuss üppiger
ausschweift, und die Begierden sich ein weiteres Ziel stecken,
wogegen die freilich, mit der grösseren eignen Freiheit, immer
wachsende Achtung auch des fremden Rechts dennoch vielleicht
nicht hinlänglich wirkt. Auf der andern aber vermehrt sich
auch der Nachtheil in eben dem Grade, in welchem die morali-
sche Natur jede Fessel schwerer empfindet, als die physische.
Die Gründe, aus welchen ein, auf die Verbesserung der Sitten
der Bürger gerichtetes Bemühen des Staats weder nothwendig,
noch rathsam ist, habe ich im Vorigen zu entwickeln versucht.
Eben diese nun treten in ihrem ganzen Umfange, und nur mit
dem Unterschiede auch hier ein, dass der Staat hier nicht die
Sitten überhaupt umformen, sondern nur auf das, der Befolgung
der Gesetze Gefahr drohende Betragen Einzelner wirken will.
Allein gerade durch diesen Unterschied wächst die Summe der
Nachtheile. Denn dieses Bemühen muss schon eben darum,
weil es nicht allgemein wirkt, seinen Endzweck minder errei-
chen, so dass daher nicht einmal das einseitige Gute, das es
abzweckt, für den Schaden entschädigt, den es anrichtet; und

es nicht gut, dass der Staat ins Mittel trete, und die Reihe der
Begebenheiten störe, welche der natürliche Lauf der Dinge aus
den Handlungen desselben entspringen lässt. Immer werden
auch wenigstens diese Lagen nur so selten eintreffen, dass es
überhaupt einer eignen Dazwischenkunft des Staats nicht be-
dürfen wird, und dass nicht die Vortheile derselben von den
Nachtheilen überwogen werden sollten, die es, nach Allem im
Vorigen Gesagten, nicht mehr nothwendig ist, einzeln ausein-
anderzusetzen.

Gerade entgegengesetzt verhalten sich die Gründe, welche
für und wider die zweite Art des Bemühens, Verbrechen zu
verhindern streiten, wider diejenige nämlich, welche auf die
Neigungen und Leidenschaften der Menschen selbst zu wirken
strebt. Denn auf der einen Seite scheint die Nothwendigkeit
grösser, da, bei minder gebundner Freiheit der Genuss üppiger
ausschweift, und die Begierden sich ein weiteres Ziel stecken,
wogegen die freilich, mit der grösseren eignen Freiheit, immer
wachsende Achtung auch des fremden Rechts dennoch vielleicht
nicht hinlänglich wirkt. Auf der andern aber vermehrt sich
auch der Nachtheil in eben dem Grade, in welchem die morali-
sche Natur jede Fessel schwerer empfindet, als die physische.
Die Gründe, aus welchen ein, auf die Verbesserung der Sitten
der Bürger gerichtetes Bemühen des Staats weder nothwendig,
noch rathsam ist, habe ich im Vorigen zu entwickeln versucht.
Eben diese nun treten in ihrem ganzen Umfange, und nur mit
dem Unterschiede auch hier ein, dass der Staat hier nicht die
Sitten überhaupt umformen, sondern nur auf das, der Befolgung
der Gesetze Gefahr drohende Betragen Einzelner wirken will.
Allein gerade durch diesen Unterschied wächst die Summe der
Nachtheile. Denn dieses Bemühen muss schon eben darum,
weil es nicht allgemein wirkt, seinen Endzweck minder errei-
chen, so dass daher nicht einmal das einseitige Gute, das es
abzweckt, für den Schaden entschädigt, den es anrichtet; und

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[152/0188] es nicht gut, dass der Staat ins Mittel trete, und die Reihe der Begebenheiten störe, welche der natürliche Lauf der Dinge aus den Handlungen desselben entspringen lässt. Immer werden auch wenigstens diese Lagen nur so selten eintreffen, dass es überhaupt einer eignen Dazwischenkunft des Staats nicht be- dürfen wird, und dass nicht die Vortheile derselben von den Nachtheilen überwogen werden sollten, die es, nach Allem im Vorigen Gesagten, nicht mehr nothwendig ist, einzeln ausein- anderzusetzen. Gerade entgegengesetzt verhalten sich die Gründe, welche für und wider die zweite Art des Bemühens, Verbrechen zu verhindern streiten, wider diejenige nämlich, welche auf die Neigungen und Leidenschaften der Menschen selbst zu wirken strebt. Denn auf der einen Seite scheint die Nothwendigkeit grösser, da, bei minder gebundner Freiheit der Genuss üppiger ausschweift, und die Begierden sich ein weiteres Ziel stecken, wogegen die freilich, mit der grösseren eignen Freiheit, immer wachsende Achtung auch des fremden Rechts dennoch vielleicht nicht hinlänglich wirkt. Auf der andern aber vermehrt sich auch der Nachtheil in eben dem Grade, in welchem die morali- sche Natur jede Fessel schwerer empfindet, als die physische. Die Gründe, aus welchen ein, auf die Verbesserung der Sitten der Bürger gerichtetes Bemühen des Staats weder nothwendig, noch rathsam ist, habe ich im Vorigen zu entwickeln versucht. Eben diese nun treten in ihrem ganzen Umfange, und nur mit dem Unterschiede auch hier ein, dass der Staat hier nicht die Sitten überhaupt umformen, sondern nur auf das, der Befolgung der Gesetze Gefahr drohende Betragen Einzelner wirken will. Allein gerade durch diesen Unterschied wächst die Summe der Nachtheile. Denn dieses Bemühen muss schon eben darum, weil es nicht allgemein wirkt, seinen Endzweck minder errei- chen, so dass daher nicht einmal das einseitige Gute, das es abzweckt, für den Schaden entschädigt, den es anrichtet; und

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/188>, abgerufen am 28.11.2024.