mehrere Erben ernennen könnte, aber dies geradezu thun müsste; eine Sache zwar dem Umfange, nie aber den Rechten nach z. B. Substanz und Niessbrauch, theilen dürfte u. s. f. Denn hieraus, wie auch aus der hiermit noch verbundnen Idee, dass der Erbe den Erblasser vorstellt -- die sich, wenn ich mich nicht sehr irre, wie so vieles andre, in der Folge für uns noch äusserst wichtig Gewordene, auf eine Formalität der Römer, und also auf die mangelhafte Einrichtung der Gerichtsverfassung eines erst sich bildenden Volkes gründet--entspringen mannigfaltige Unbequemlichkeiten, und Freiheitsbeschränkungen. Allen die- sen aber wird es möglich sein zu entgehen, wenn man den Satz nicht aus den Augen verliert, dass dem Erblasser nichts weiter verstattet sein darf, als auf's Höchste seinen Erben zu nennen; dass der Staat, wenn dies gültig geschehen ist, diesem Erben zum Besitze verhelfen, aber jeder weitergehenden Willenser- klärung des Erblassers seine Unterstützung versagen muss.
Für den Fall, wo keine Erbesernennung von dem Erblasser geschehen ist, muss der Staat eine Intestaterbfolge anordnen. Allein die Ausführung der Sätze, welche dieser, so wie der Be- stimmung des Pflichttheils zum Grunde liegen müssen, gehört nicht zu meiner gegenwärtigen Absicht, und ich kann mich mit der Bemerkung begnügen, dass der Staat auch hier nicht posi- tive Endzwecke, z. B. Aufrechthaltung des Glanzes und des Wohlstandes der Familien, oder in dem entgegengesetzten Ex- treme Versplitterung des Vermögens durch Vervielfachung der Theilnehmer, oder gar reichlichere Unterstützung des grösseren Bedürfnisses, vor Augen haben darf; sondern allein den Begrif- fen des Rechts folgen muss, die sich hier vielleicht blos auf den Begriff des ehemaligen Miteigenthums bei dem Leben des Erb- lassers beschränken, und so das erste Recht der Familie, das fernere der Gemeine u. s. w. einräumen 1). Sehr nah verwandt
1) Sehr vieles in dem vorigen Raisonnement habe ich aus Mirabeaus Rede über eben diesen Gegenstand entlehnt; und ich würde noch mehr davon haben
mehrere Erben ernennen könnte, aber dies geradezu thun müsste; eine Sache zwar dem Umfange, nie aber den Rechten nach z. B. Substanz und Niessbrauch, theilen dürfte u. s. f. Denn hieraus, wie auch aus der hiermit noch verbundnen Idee, dass der Erbe den Erblasser vorstellt — die sich, wenn ich mich nicht sehr irre, wie so vieles andre, in der Folge für uns noch äusserst wichtig Gewordene, auf eine Formalität der Römer, und also auf die mangelhafte Einrichtung der Gerichtsverfassung eines erst sich bildenden Volkes gründet—entspringen mannigfaltige Unbequemlichkeiten, und Freiheitsbeschränkungen. Allen die- sen aber wird es möglich sein zu entgehen, wenn man den Satz nicht aus den Augen verliert, dass dem Erblasser nichts weiter verstattet sein darf, als auf’s Höchste seinen Erben zu nennen; dass der Staat, wenn dies gültig geschehen ist, diesem Erben zum Besitze verhelfen, aber jeder weitergehenden Willenser- klärung des Erblassers seine Unterstützung versagen muss.
Für den Fall, wo keine Erbesernennung von dem Erblasser geschehen ist, muss der Staat eine Intestaterbfolge anordnen. Allein die Ausführung der Sätze, welche dieser, so wie der Be- stimmung des Pflichttheils zum Grunde liegen müssen, gehört nicht zu meiner gegenwärtigen Absicht, und ich kann mich mit der Bemerkung begnügen, dass der Staat auch hier nicht posi- tive Endzwecke, z. B. Aufrechthaltung des Glanzes und des Wohlstandes der Familien, oder in dem entgegengesetzten Ex- treme Versplitterung des Vermögens durch Vervielfachung der Theilnehmer, oder gar reichlichere Unterstützung des grösseren Bedürfnisses, vor Augen haben darf; sondern allein den Begrif- fen des Rechts folgen muss, die sich hier vielleicht blos auf den Begriff des ehemaligen Miteigenthums bei dem Leben des Erb- lassers beschränken, und so das erste Recht der Familie, das fernere der Gemeine u. s. w. einräumen 1). Sehr nah verwandt
1) Sehr vieles in dem vorigen Raisonnement habe ich aus Mirabeaus Rede über eben diesen Gegenstand entlehnt; und ich würde noch mehr davon haben
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mehrere Erben ernennen könnte, aber dies geradezu thun müsste;
eine Sache zwar dem Umfange, nie aber den Rechten nach z. B.
Substanz und Niessbrauch, theilen dürfte u. s. f. Denn hieraus,
wie auch aus der hiermit noch verbundnen Idee, dass der Erbe
den Erblasser vorstellt — die sich, wenn ich mich nicht sehr
irre, wie so vieles andre, in der Folge für uns noch äusserst
wichtig Gewordene, auf eine Formalität der Römer, und also
auf die mangelhafte Einrichtung der Gerichtsverfassung eines
erst sich bildenden Volkes gründet—entspringen mannigfaltige
Unbequemlichkeiten, und Freiheitsbeschränkungen. Allen die-
sen aber wird es möglich sein zu entgehen, wenn man den Satz
nicht aus den Augen verliert, dass dem Erblasser nichts weiter
verstattet sein darf, als auf’s Höchste seinen Erben zu nennen;
dass der Staat, wenn dies gültig geschehen ist, diesem Erben
zum Besitze verhelfen, aber jeder weitergehenden Willenser-
klärung des Erblassers seine Unterstützung versagen muss.
Für den Fall, wo keine Erbesernennung von dem Erblasser
geschehen ist, muss der Staat eine Intestaterbfolge anordnen.
Allein die Ausführung der Sätze, welche dieser, so wie der Be-
stimmung des Pflichttheils zum Grunde liegen müssen, gehört
nicht zu meiner gegenwärtigen Absicht, und ich kann mich mit
der Bemerkung begnügen, dass der Staat auch hier nicht posi-
tive Endzwecke, z. B. Aufrechthaltung des Glanzes und des
Wohlstandes der Familien, oder in dem entgegengesetzten Ex-
treme Versplitterung des Vermögens durch Vervielfachung der
Theilnehmer, oder gar reichlichere Unterstützung des grösseren
Bedürfnisses, vor Augen haben darf; sondern allein den Begrif-
fen des Rechts folgen muss, die sich hier vielleicht blos auf den
Begriff des ehemaligen Miteigenthums bei dem Leben des Erb-
lassers beschränken, und so das erste Recht der Familie, das
fernere der Gemeine u. s. w. einräumen 1). Sehr nah verwandt
1) Sehr vieles in dem vorigen Raisonnement habe ich aus Mirabeaus Rede
über eben diesen Gegenstand entlehnt; und ich würde noch mehr davon haben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/163>, abgerufen am 27.07.2024.
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