XI. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestimmung solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen. (Civilgesetze.)
Handlungen, welche die Rechte andrer kränken. -- Pflicht des Staats, -- dem Beleidigten zur Entschädigung zu verhelfen, -- und den Beleidiger vor der Rache jenes zu schützen. -- Handlungen mit gegenseitiger Einwilligung. -- Willenser- klärungen. -- Doppelte Pflicht des Staats in Rücksicht auf sie, -- einmal die gültigen aufrecht zu erhalten, -- zweitens den rechtswidrigen den Schutz der Ge- setze zu versagen, und zu verhüten, dass die Menschen sich, auch durch gültige, nicht zu drückende Fesseln anlegen. -- Gültigkeit der Willenserklärungen. -- Erleichterung der Trennung gültig geschlossener Verträge, als eine Folge der zweiten eben erwähnten Pflicht des Staats; -- allein bei Verträgen, welche die Person betreffen; -- mit verschiedenen Modifikationen, nach der eigenthümlichen Natur der Verträge. -- Dispositionen von Todeswegen. -- Gültigkeit derselben nach allgemeinen Grundsätzen des Rechts? -- Nachtheile derselben. -- Gefahren einer blossen Intestaterbfolge, und Vortheile der Privatdispositionen. -- Mittel- weg, welcher diese Vortheile zu erhalten, und jene Nachtheile zu entfernen ver- sucht. -- Intestaterbfolge. -- Bestimmung des Pflichttheils. -- Inwiefern müssen Verträge unter Lebendigen auf die Erben übergehen? -- Nur insofern, als das hinterlassene Vermögen dadurch eine andre Gestalt erhalten hat. -- Vorsichts- regeln für den Staat, hier freiheitsbeschränkende Verhältnisse zu verhindern. -- Moralische Personen. -- Ihre Nachtheile. -- Grund derselben. -- Werden geho- ben, wenn man jede moralische Person blos als eine Vereinigung der jedesmali- gen Mitglieder ansieht. -- Höchste, aus diesem Abschnitt gezogene Grundsätze.
Verwickelter, allein für die gegenwärtige Untersuchung mit weniger Schwierigkeit verbunden, ist der Fall solcher Hand- lungen, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen. Denn wo durch dieselben Rechte gekränkt werden, da muss der Staat natürlich sie hemmen, und die Handlenden zum Ersatze des zugefügten Schadens zwingen. Sie kränken aber, nach den im Vorigen gerechtfertigten Bestimmungen, das Recht nur dann, wenn sie dem andren gegen, oder ohne seine Einwilligung etwas von seiner Freiheit, oder seinem Vermögen entziehen. Wenn jemand von dem andern beleidigt worden ist, hat er ein Recht auf Ersatz, allein, da er in der Gesellschaft seine Privat- rache dem Staat übertragen hat, auf nichts weiter, als auf die-
XI. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestimmung solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen. (Civilgesetze.)
Handlungen, welche die Rechte andrer kränken. — Pflicht des Staats, — dem Beleidigten zur Entschädigung zu verhelfen, — und den Beleidiger vor der Rache jenes zu schützen. — Handlungen mit gegenseitiger Einwilligung. — Willenser- klärungen. — Doppelte Pflicht des Staats in Rücksicht auf sie, — einmal die gültigen aufrecht zu erhalten, — zweitens den rechtswidrigen den Schutz der Ge- setze zu versagen, und zu verhüten, dass die Menschen sich, auch durch gültige, nicht zu drückende Fesseln anlegen. — Gültigkeit der Willenserklärungen. — Erleichterung der Trennung gültig geschlossener Verträge, als eine Folge der zweiten eben erwähnten Pflicht des Staats; — allein bei Verträgen, welche die Person betreffen; — mit verschiedenen Modifikationen, nach der eigenthümlichen Natur der Verträge. — Dispositionen von Todeswegen. — Gültigkeit derselben nach allgemeinen Grundsätzen des Rechts? — Nachtheile derselben. — Gefahren einer blossen Intestaterbfolge, und Vortheile der Privatdispositionen. — Mittel- weg, welcher diese Vortheile zu erhalten, und jene Nachtheile zu entfernen ver- sucht. — Intestaterbfolge. — Bestimmung des Pflichttheils. — Inwiefern müssen Verträge unter Lebendigen auf die Erben übergehen? — Nur insofern, als das hinterlassene Vermögen dadurch eine andre Gestalt erhalten hat. — Vorsichts- regeln für den Staat, hier freiheitsbeschränkende Verhältnisse zu verhindern. — Moralische Personen. — Ihre Nachtheile. — Grund derselben. — Werden geho- ben, wenn man jede moralische Person blos als eine Vereinigung der jedesmali- gen Mitglieder ansieht. — Höchste, aus diesem Abschnitt gezogene Grundsätze.
Verwickelter, allein für die gegenwärtige Untersuchung mit weniger Schwierigkeit verbunden, ist der Fall solcher Hand- lungen, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen. Denn wo durch dieselben Rechte gekränkt werden, da muss der Staat natürlich sie hemmen, und die Handlenden zum Ersatze des zugefügten Schadens zwingen. Sie kränken aber, nach den im Vorigen gerechtfertigten Bestimmungen, das Recht nur dann, wenn sie dem andren gegen, oder ohne seine Einwilligung etwas von seiner Freiheit, oder seinem Vermögen entziehen. Wenn jemand von dem andern beleidigt worden ist, hat er ein Recht auf Ersatz, allein, da er in der Gesellschaft seine Privat- rache dem Staat übertragen hat, auf nichts weiter, als auf die-
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XI.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestimmung solcher
Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu auf
andre beziehen. (Civilgesetze.)
Handlungen, welche die Rechte andrer kränken. — Pflicht des Staats, — dem
Beleidigten zur Entschädigung zu verhelfen, — und den Beleidiger vor der Rache
jenes zu schützen. — Handlungen mit gegenseitiger Einwilligung. — Willenser-
klärungen. — Doppelte Pflicht des Staats in Rücksicht auf sie, — einmal die
gültigen aufrecht zu erhalten, — zweitens den rechtswidrigen den Schutz der Ge-
setze zu versagen, und zu verhüten, dass die Menschen sich, auch durch gültige,
nicht zu drückende Fesseln anlegen. — Gültigkeit der Willenserklärungen. —
Erleichterung der Trennung gültig geschlossener Verträge, als eine Folge der
zweiten eben erwähnten Pflicht des Staats; — allein bei Verträgen, welche die
Person betreffen; — mit verschiedenen Modifikationen, nach der eigenthümlichen
Natur der Verträge. — Dispositionen von Todeswegen. — Gültigkeit derselben
nach allgemeinen Grundsätzen des Rechts? — Nachtheile derselben. — Gefahren
einer blossen Intestaterbfolge, und Vortheile der Privatdispositionen. — Mittel-
weg, welcher diese Vortheile zu erhalten, und jene Nachtheile zu entfernen ver-
sucht. — Intestaterbfolge. — Bestimmung des Pflichttheils. — Inwiefern müssen
Verträge unter Lebendigen auf die Erben übergehen? — Nur insofern, als das
hinterlassene Vermögen dadurch eine andre Gestalt erhalten hat. — Vorsichts-
regeln für den Staat, hier freiheitsbeschränkende Verhältnisse zu verhindern. —
Moralische Personen. — Ihre Nachtheile. — Grund derselben. — Werden geho-
ben, wenn man jede moralische Person blos als eine Vereinigung der jedesmali-
gen Mitglieder ansieht. — Höchste, aus diesem Abschnitt gezogene Grundsätze.
Verwickelter, allein für die gegenwärtige Untersuchung mit
weniger Schwierigkeit verbunden, ist der Fall solcher Hand-
lungen, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen.
Denn wo durch dieselben Rechte gekränkt werden, da muss der
Staat natürlich sie hemmen, und die Handlenden zum Ersatze
des zugefügten Schadens zwingen. Sie kränken aber, nach den
im Vorigen gerechtfertigten Bestimmungen, das Recht nur dann,
wenn sie dem andren gegen, oder ohne seine Einwilligung
etwas von seiner Freiheit, oder seinem Vermögen entziehen.
Wenn jemand von dem andern beleidigt worden ist, hat er ein
Recht auf Ersatz, allein, da er in der Gesellschaft seine Privat-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/153>, abgerufen am 23.02.2025.
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