Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.Gesundheit -- es müssten denn Handlungen andrer ihnen Ge- Wenn bis jetzt die Beschaffenheit der Folgen einer Hand- 1) Es könnte scheinen, als gehörten die hier angeführten Fälle nicht zu
dem gegenwärtigen, sondern mehr zu dem folgenden Abschnitt, da sie Handlun- gen betreffen, welche sich geradezu auf den andern beziehn. Aber ich sprach auch hier nicht von dem Fall, wenn z. B. ein Arzt einen Kranken wirklich behan- delt, ein Rechtsgelehrter einen Prozess wirklich übernimmt, sondern von dem, wenn jemand diese Art zu leben und sich zu ernähren wählt. Ich fragte mich ob der Staat eine solche Wahl beschränken darf, und diese blosse Wahl bezieht sich noch geradezu auf niemand. Gesundheit — es müssten denn Handlungen andrer ihnen Ge- Wenn bis jetzt die Beschaffenheit der Folgen einer Hand- 1) Es könnte scheinen, als gehörten die hier angeführten Fälle nicht zu
dem gegenwärtigen, sondern mehr zu dem folgenden Abschnitt, da sie Handlun- gen betreffen, welche sich geradezu auf den andern beziehn. Aber ich sprach auch hier nicht von dem Fall, wenn z. B. ein Arzt einen Kranken wirklich behan- delt, ein Rechtsgelehrter einen Prozess wirklich übernimmt, sondern von dem, wenn jemand diese Art zu leben und sich zu ernähren wählt. Ich fragte mich ob der Staat eine solche Wahl beschränken darf, und diese blosse Wahl bezieht sich noch geradezu auf niemand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0147" n="111"/> Gesundheit — es müssten denn Handlungen andrer ihnen Ge-<lb/> fahr drohen — aber wohl für ihre Sicherheit. Und nur, insofern<lb/> die Sicherheit selbst leiden kann, indem Betrügerei die Unwis-<lb/> senheit benutzt, könnte eine solche Aufsicht innerhalb der<lb/> Gränzen der Wirksamkeit des Staats liegen. Indess muss<lb/> doch bei einem Betruge dieser Art der Betrogene immer zur<lb/> Ueberzeugung überredet werden, und da das Ineinander-<lb/> fliessen der verschiedenen Nüancen hiebei schon eine allgemeine<lb/> Regel beinah unmöglich macht, auch gerade die, durch die Frei-<lb/> heit übriggelassne Möglichkeit des Betrugs die Menschen zu<lb/> grösserer Vorsicht und Klugheit schärft; so halte ich es für<lb/> besser und den Principien gemässer, in der, von bestimmten<lb/> Anwendungen fernen Theorie, Prohibitivgesetze nur auf die-<lb/> jenigen Fälle auszudehnen, wo ohne, oder gar gegen den Willen<lb/> des andern gehandelt wird. Das vorige Raisonnement wird<lb/> jedoch immer dazu dienen, zu zeigen, wie auch andre Fälle —<lb/> wenn die Nothwendigkeit es erforderte — in Gemässheit der<lb/> aufgestellten Grundsätze behandelt werden müssten <note place="foot" n="1)">Es könnte scheinen, als gehörten die hier angeführten Fälle nicht zu<lb/> dem gegenwärtigen, sondern mehr zu dem folgenden Abschnitt, da sie Handlun-<lb/> gen betreffen, welche sich geradezu auf den andern beziehn. Aber ich sprach<lb/> auch hier nicht von dem Fall, wenn z. B. ein Arzt einen Kranken wirklich behan-<lb/> delt, ein Rechtsgelehrter einen Prozess wirklich übernimmt, sondern von dem,<lb/> wenn jemand diese Art zu leben und sich zu ernähren wählt. Ich fragte mich<lb/> ob der Staat eine solche Wahl beschränken darf, und diese blosse Wahl bezieht<lb/> sich noch geradezu auf niemand.</note>.</p><lb/> <p>Wenn bis jetzt die Beschaffenheit der Folgen einer Hand-<lb/> lung auseinandergesetzt ist, welche dieselbe der Aufsicht des<lb/> Staats unterwirft; so fragt sich noch, ob jede Handlung einge-<lb/> schränkt werden darf, bei welcher nur die Möglichkeit einer<lb/> solchen Folge vorauszusehen ist, oder nur solche, mit welcher<lb/> dieselbe nothwendig verbunden ist? In dem ersteren Fall<lb/> geriethe die Freiheit, in dem letzteren die Sicherheit in Gefahr<lb/> zu leiden. Es ist daher freilich soviel ersichtlich, dass ein Mit-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [111/0147]
Gesundheit — es müssten denn Handlungen andrer ihnen Ge-
fahr drohen — aber wohl für ihre Sicherheit. Und nur, insofern
die Sicherheit selbst leiden kann, indem Betrügerei die Unwis-
senheit benutzt, könnte eine solche Aufsicht innerhalb der
Gränzen der Wirksamkeit des Staats liegen. Indess muss
doch bei einem Betruge dieser Art der Betrogene immer zur
Ueberzeugung überredet werden, und da das Ineinander-
fliessen der verschiedenen Nüancen hiebei schon eine allgemeine
Regel beinah unmöglich macht, auch gerade die, durch die Frei-
heit übriggelassne Möglichkeit des Betrugs die Menschen zu
grösserer Vorsicht und Klugheit schärft; so halte ich es für
besser und den Principien gemässer, in der, von bestimmten
Anwendungen fernen Theorie, Prohibitivgesetze nur auf die-
jenigen Fälle auszudehnen, wo ohne, oder gar gegen den Willen
des andern gehandelt wird. Das vorige Raisonnement wird
jedoch immer dazu dienen, zu zeigen, wie auch andre Fälle —
wenn die Nothwendigkeit es erforderte — in Gemässheit der
aufgestellten Grundsätze behandelt werden müssten 1).
Wenn bis jetzt die Beschaffenheit der Folgen einer Hand-
lung auseinandergesetzt ist, welche dieselbe der Aufsicht des
Staats unterwirft; so fragt sich noch, ob jede Handlung einge-
schränkt werden darf, bei welcher nur die Möglichkeit einer
solchen Folge vorauszusehen ist, oder nur solche, mit welcher
dieselbe nothwendig verbunden ist? In dem ersteren Fall
geriethe die Freiheit, in dem letzteren die Sicherheit in Gefahr
zu leiden. Es ist daher freilich soviel ersichtlich, dass ein Mit-
1) Es könnte scheinen, als gehörten die hier angeführten Fälle nicht zu
dem gegenwärtigen, sondern mehr zu dem folgenden Abschnitt, da sie Handlun-
gen betreffen, welche sich geradezu auf den andern beziehn. Aber ich sprach
auch hier nicht von dem Fall, wenn z. B. ein Arzt einen Kranken wirklich behan-
delt, ein Rechtsgelehrter einen Prozess wirklich übernimmt, sondern von dem,
wenn jemand diese Art zu leben und sich zu ernähren wählt. Ich fragte mich
ob der Staat eine solche Wahl beschränken darf, und diese blosse Wahl bezieht
sich noch geradezu auf niemand.
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