Mögliche Mittel zu derselben. -- Sie reducirt sich vorzüglich auf Beschränkung der Sinnlichkeit. -- Allgemeine Betrachtungen über den Einfluss der Sinnlich- keit auf den Menschen, -- Einfluss der sinnlichen Empfindungen, dieselben an sich und allein, als solche, betrachtet, -- Verschiedenheit dieses Einflusses, nach ihrer eignen verschiednen Natur, vorzüglich Verschiedenheit des Einflusses der energisch wirkenden, und der übrigen sinnlichen Empfindungen. -- Verbindung des Sinnlichen mit dem Unsinnlichen durch das Schöne und Erhabene. -- Ein- fluss der Sinnlichkeit auf die forschenden, intellektuellen, -- auf die schaffenden, moralischen Kräfte des Menschen, -- Nachtheile und Gefahren der Sinnlichkeit, -- Anwendung dieser Betrachtungen auf die gegenwärtige Untersuchung, und Prüfung der Frage: ob der Staat positiv auf die Sitten zu wirken versuchen dürfe? -- Jeder solcher Versuch wirkt nur auf die äussern Handlungen -- und bringt mannigfaltige und wichtige Nachtheile hervor, -- Sogar das Sittenver- derbniss selbst, dem er entgegen steuert, ermangelt nicht aller heilsamen Folgen -- und macht wenigstens die Anwendung eines, die Sitten überhaupt umformen- den Mittels nicht nothwendig. -- Ein solches Mittel liegt daher ausserhalb der Gränzen der Wirksamkeit des Staats, -- Höchster aus diesem, und den beiden vorhergehenden Abschnitten gezogener Grundsatz.
Das letzte Mittel, dessen sich die Staaten zu bedienen pfle- gen, um eine, ihrem Endzweck der Beförderung der Sicherheit angemessene Umformung der Sitten zu bewirken, sind einzelne Gesetze und Verordnungen. Da aber dies ein Weg ist, auf welchem Sittlichkeit und Tugend nicht unmittelbar befördert werden kann; so müssen sich einzelne Einrichtungen dieser Art natürlich darauf beschränken, einzelne Handlungen der Bürger zu verbieten, oder zu bestimmen, die theils an sich, jedoch ohne fremde Rechte zu kränken, unsittlich sind, theils leicht zur Unsittlichkeit führen.
Dahin gehören vorzüglich alle Luxus einschränkende Ge- setze. Denn nichts ist unstreitig eine so reiche und gewöhn- liche Quelle unsittlicher, selbst gesetzwidriger Handlungen, als das zu grosse Uebergewicht der Sinnlichkeit in der Seele, oder das Missverhältniss der Neigungen und Begierden überhaupt gegen die Kräfte der Befriedigung, welche die äussere Lage
VIII. Sittenverbesserung.
Mögliche Mittel zu derselben. — Sie reducirt sich vorzüglich auf Beschränkung der Sinnlichkeit. — Allgemeine Betrachtungen über den Einfluss der Sinnlich- keit auf den Menschen, — Einfluss der sinnlichen Empfindungen, dieselben an sich und allein, als solche, betrachtet, — Verschiedenheit dieses Einflusses, nach ihrer eignen verschiednen Natur, vorzüglich Verschiedenheit des Einflusses der energisch wirkenden, und der übrigen sinnlichen Empfindungen. — Verbindung des Sinnlichen mit dem Unsinnlichen durch das Schöne und Erhabene. — Ein- fluss der Sinnlichkeit auf die forschenden, intellektuellen, — auf die schaffenden, moralischen Kräfte des Menschen, — Nachtheile und Gefahren der Sinnlichkeit, — Anwendung dieser Betrachtungen auf die gegenwärtige Untersuchung, und Prüfung der Frage: ob der Staat positiv auf die Sitten zu wirken versuchen dürfe? — Jeder solcher Versuch wirkt nur auf die äussern Handlungen — und bringt mannigfaltige und wichtige Nachtheile hervor, — Sogar das Sittenver- derbniss selbst, dem er entgegen steuert, ermangelt nicht aller heilsamen Folgen — und macht wenigstens die Anwendung eines, die Sitten überhaupt umformen- den Mittels nicht nothwendig. — Ein solches Mittel liegt daher ausserhalb der Gränzen der Wirksamkeit des Staats, — Höchster aus diesem, und den beiden vorhergehenden Abschnitten gezogener Grundsatz.
Das letzte Mittel, dessen sich die Staaten zu bedienen pfle- gen, um eine, ihrem Endzweck der Beförderung der Sicherheit angemessene Umformung der Sitten zu bewirken, sind einzelne Gesetze und Verordnungen. Da aber dies ein Weg ist, auf welchem Sittlichkeit und Tugend nicht unmittelbar befördert werden kann; so müssen sich einzelne Einrichtungen dieser Art natürlich darauf beschränken, einzelne Handlungen der Bürger zu verbieten, oder zu bestimmen, die theils an sich, jedoch ohne fremde Rechte zu kränken, unsittlich sind, theils leicht zur Unsittlichkeit führen.
Dahin gehören vorzüglich alle Luxus einschränkende Ge- setze. Denn nichts ist unstreitig eine so reiche und gewöhn- liche Quelle unsittlicher, selbst gesetzwidriger Handlungen, als das zu grosse Uebergewicht der Sinnlichkeit in der Seele, oder das Missverhältniss der Neigungen und Begierden überhaupt gegen die Kräfte der Befriedigung, welche die äussere Lage
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VIII.
Sittenverbesserung.
Mögliche Mittel zu derselben. — Sie reducirt sich vorzüglich auf Beschränkung
der Sinnlichkeit. — Allgemeine Betrachtungen über den Einfluss der Sinnlich-
keit auf den Menschen, — Einfluss der sinnlichen Empfindungen, dieselben an
sich und allein, als solche, betrachtet, — Verschiedenheit dieses Einflusses, nach
ihrer eignen verschiednen Natur, vorzüglich Verschiedenheit des Einflusses der
energisch wirkenden, und der übrigen sinnlichen Empfindungen. — Verbindung
des Sinnlichen mit dem Unsinnlichen durch das Schöne und Erhabene. — Ein-
fluss der Sinnlichkeit auf die forschenden, intellektuellen, — auf die schaffenden,
moralischen Kräfte des Menschen, — Nachtheile und Gefahren der Sinnlichkeit,
— Anwendung dieser Betrachtungen auf die gegenwärtige Untersuchung, und
Prüfung der Frage: ob der Staat positiv auf die Sitten zu wirken versuchen
dürfe? — Jeder solcher Versuch wirkt nur auf die äussern Handlungen — und
bringt mannigfaltige und wichtige Nachtheile hervor, — Sogar das Sittenver-
derbniss selbst, dem er entgegen steuert, ermangelt nicht aller heilsamen Folgen
— und macht wenigstens die Anwendung eines, die Sitten überhaupt umformen-
den Mittels nicht nothwendig. — Ein solches Mittel liegt daher ausserhalb der
Gränzen der Wirksamkeit des Staats, — Höchster aus diesem, und den beiden
vorhergehenden Abschnitten gezogener Grundsatz.
Das letzte Mittel, dessen sich die Staaten zu bedienen pfle-
gen, um eine, ihrem Endzweck der Beförderung der Sicherheit
angemessene Umformung der Sitten zu bewirken, sind einzelne
Gesetze und Verordnungen. Da aber dies ein Weg ist, auf
welchem Sittlichkeit und Tugend nicht unmittelbar befördert
werden kann; so müssen sich einzelne Einrichtungen dieser
Art natürlich darauf beschränken, einzelne Handlungen der
Bürger zu verbieten, oder zu bestimmen, die theils an sich,
jedoch ohne fremde Rechte zu kränken, unsittlich sind, theils
leicht zur Unsittlichkeit führen.
Dahin gehören vorzüglich alle Luxus einschränkende Ge-
setze. Denn nichts ist unstreitig eine so reiche und gewöhn-
liche Quelle unsittlicher, selbst gesetzwidriger Handlungen, als
das zu grosse Uebergewicht der Sinnlichkeit in der Seele, oder
das Missverhältniss der Neigungen und Begierden überhaupt
gegen die Kräfte der Befriedigung, welche die äussere Lage
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/120>, abgerufen am 23.02.2025.
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