Von diesen Erscheinungen, die den allgemeinen unterge- ordnet sind, giebt auch die grosse Bergebene des Antisana in 12600 Fuss Höhe ein merkwürdiges Beispiel. Der schneebedeckte runde Gipfel des Berges erhebt sich in- selförmig in dieser Ebene, aber gegen Westen ist aus derselben, in der Richtung von Norden gegen Süden, eine schwarze Felswand hervorgestiegen, der Chussolongo, der im kleinen, der Form nach, an den Pichincha erinnert. Der letztere ist zwar von allen Seiten isolirt, doch ist er es minder gegen den Corazon und gegen Iliniza hin, wo der Atacazo sich ihm naht, als gegen Norden, gegen den Cerro de Cuicocha und den Nevado de Cotocachi hin, wo in einer weiten Oeffnung der Fluss Guallabamba sich aus der obsidianreichen Hochebene von Quinche einen Weg nach der Südsee bahnt. Zu besserer Verständi- gung des Folgenden füge ich im Allgemeinen noch hinzu, dass die vier Gipfel des Pichincha, die aus der Ferne theils als Kegel, theils als Thurmspitzen und Ruinen von Bergschlössern erscheinen, von NO. gegen SW. folgende Reihe bilden: 1) ein ungenannter Kegelberg, nahe bei dem Rücken Ingapilca, den ich, nach der Frequenz der grossen Condor-Geyer, und weil gegen ihn die tiefe Spalte von Cundurguachana endigt, durch welche Blöcke in die schöne Grasebene (Exido) von Innaquito gekommen sind, den Condor-Gipfel nenne. 2) Guaguapichincha, das heisst, das Kind des alten Vulkans. 3) Picacho de los Ladrillos, wegen der mauerartigen Spaltung so benannt und durch einen schmalen Sattel, mit einen anderen mehr südlich vor- liegenden Kegel, Tablahuma, zusammenhängend. 4) Ru- cupichincha, der Alte oder Vater, den Krater enthaltend, und, da er etwas ausserhalb der Reihe, mehr gegen die Südsee gerichtet ist, von Chillo oder Poingasi aus unter einem etwas kleineren Höhenwinkel erscheinend, als der ka- stelartige Gipfel des Guaguapichincha. Die kupferfarbigen Eingeborenen nennen Vulkane, weil es für sie gleichsam In- dividuen (einzelne Kegel) sind, die ganzen Berg-Colosse des
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Von diesen Erscheinungen, die den allgemeinen unterge- ordnet sind, giebt auch die groſse Bergebene des Antisana in 12600 Fuſs Höhe ein merkwürdiges Beispiel. Der schneebedeckte runde Gipfel des Berges erhebt sich in- selförmig in dieser Ebene, aber gegen Westen ist aus derselben, in der Richtung von Norden gegen Süden, eine schwarze Felswand hervorgestiegen, der Chussolongo, der im kleinen, der Form nach, an den Pichincha erinnert. Der letztere ist zwar von allen Seiten isolirt, doch ist er es minder gegen den Corazon und gegen Iliniza hin, wo der Atacazo sich ihm naht, als gegen Norden, gegen den Cerro de Cuicocha und den Nevado de Cotocachi hin, wo in einer weiten Oeffnung der Fluſs Guallabamba sich aus der obsidianreichen Hochebene von Quinche einen Weg nach der Südsee bahnt. Zu besserer Verständi- gung des Folgenden füge ich im Allgemeinen noch hinzu, daſs die vier Gipfel des Pichincha, die aus der Ferne theils als Kegel, theils als Thurmspitzen und Ruinen von Bergschlössern erscheinen, von NO. gegen SW. folgende Reihe bilden: 1) ein ungenannter Kegelberg, nahe bei dem Rücken Ingapilca, den ich, nach der Frequenz der groſsen Condor-Geyer, und weil gegen ihn die tiefe Spalte von Cundurguachana endigt, durch welche Blöcke in die schöne Grasebene (Exido) von Iñaquito gekommen sind, den Condor-Gipfel nenne. 2) Guaguapichincha, das heiſst, das Kind des alten Vulkans. 3) Picacho de los Ladrillos, wegen der mauerartigen Spaltung so benannt und durch einen schmalen Sattel, mit einen anderen mehr südlich vor- liegenden Kegel, Tablahuma, zusammenhängend. 4) Ru- cupichincha, der Alte oder Vater, den Krater enthaltend, und, da er etwas auſserhalb der Reihe, mehr gegen die Südsee gerichtet ist, von Chillo oder Poingasi aus unter einem etwas kleineren Höhenwinkel erscheinend, als der ka- stelartige Gipfel des Guaguapichincha. Die kupferfarbigen Eingeborenen nennen Vulkane, weil es für sie gleichsam In- dividuen (einzelne Kegel) sind, die ganzen Berg-Colosse des
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Von diesen Erscheinungen, die den allgemeinen unterge-
ordnet sind, giebt auch die groſse Bergebene des Antisana
in 12600 Fuſs Höhe ein merkwürdiges Beispiel. Der
schneebedeckte runde Gipfel des Berges erhebt sich in-
selförmig in dieser Ebene, aber gegen Westen ist aus
derselben, in der Richtung von Norden gegen Süden, eine
schwarze Felswand hervorgestiegen, der Chussolongo, der
im kleinen, der Form nach, an den Pichincha erinnert.
Der letztere ist zwar von allen Seiten isolirt, doch ist er
es minder gegen den Corazon und gegen Iliniza hin, wo
der Atacazo sich ihm naht, als gegen Norden, gegen den
Cerro de Cuicocha und den Nevado de Cotocachi hin,
wo in einer weiten Oeffnung der Fluſs Guallabamba sich
aus der obsidianreichen Hochebene von Quinche einen
Weg nach der Südsee bahnt. Zu besserer Verständi-
gung des Folgenden füge ich im Allgemeinen noch hinzu,
daſs die vier Gipfel des Pichincha, die aus der Ferne
theils als Kegel, theils als Thurmspitzen und Ruinen von
Bergschlössern erscheinen, von NO. gegen SW. folgende
Reihe bilden: 1) ein ungenannter Kegelberg, nahe bei
dem Rücken Ingapilca, den ich, nach der Frequenz der
groſsen Condor-Geyer, und weil gegen ihn die tiefe Spalte
von Cundurguachana endigt, durch welche Blöcke in die
schöne Grasebene (Exido) von Iñaquito gekommen sind,
den Condor-Gipfel nenne. 2) Guaguapichincha, das heiſst,
das Kind des alten Vulkans. 3) Picacho de los Ladrillos,
wegen der mauerartigen Spaltung so benannt und durch
einen schmalen Sattel, mit einen anderen mehr südlich vor-
liegenden Kegel, Tablahuma, zusammenhängend. 4) Ru-
cupichincha, der Alte oder Vater, den Krater enthaltend,
und, da er etwas auſserhalb der Reihe, mehr gegen die
Südsee gerichtet ist, von Chillo oder Poingasi aus unter
einem etwas kleineren Höhenwinkel erscheinend, als der ka-
stelartige Gipfel des Guaguapichincha. Die kupferfarbigen
Eingeborenen nennen Vulkane, weil es für sie gleichsam In-
dividuen (einzelne Kegel) sind, die ganzen Berg-Colosse des
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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Erste Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 40 (1837), S. 161-193, hier S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1837/19>, abgerufen am 23.02.2025.
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