Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

Bild:
<< vorherige Seite

Über die Chinawalder
physikalische Beschreibung der Pflanze. Die andern, so wie Jacquin und
Swartz, welche die Fieberinde auf den Westindischen Inseln sahen,
oder Vahl und Lambert, welche nach troknen Exemplaren arbeiteten,
sind bloss mit dem naturbeschreibenden Theile, mit der botanischen Dia-
gnose beschäftigt gewesen. Bei meinem vierjährigen Aufenthalte in Süd-
amerika habe ich Gelegenheit gehabt, lange in Ländern zu leben, in
welchen die Chinabäume einheimisch sind. Wir haben dieselbe, Herrn
Bonpland und ich, nördlich und südlich vom Aequator, im Königreich
Neu-Grenada, zwischen Honda und Santa Fe de Bogota, in der Pro-
vinz Popayan, im Corregiment Loxa, am Amazonen-Strohme in der
Provinz Jaen de Bracamoros und im nördlichen Theile von Peru beob-
achtet. Bei unserm Aufenthalt im Hause des Herrn Don Jose Celes-
tino Mutis
in Santa Fe, sind uns die botanischen Schätze dieses gros-
sen Naturforschers geöfnet gewesen. Wir haben dazu in Spanien von
den Herausgeber der Flora Peruviana, in Guayaquil, (dem Hafen von
Quito an der Küste der Südsee), von Ruizens Schüler, Tafalla, in dem
Städchen Loxa, von dem königlichen Aufseher der Chinawälder Don
Vicente Olmedo,
viele interessante Nachrichten über Gegenstände einzie-
hen können, welche uns ohne die mittheilende Güte dieser Freunde un-
bekannt geblieben wären. In dem mit grenzenloser Bitterkeit geführten
Streite, ob die neu-grenadische pomeranzenfarbene Fieberrinde von
Santa Fe oder die peruanische von Ruiz und Pavon beschriebene
Cinchona nitida mit der seit 1638 berufenen sogenannten ächten Cin-
chona
von Uritusinga identisch sey, kann nur der entscheiden, der die
Gegenden selbst besucht hat, welche diese drei Pflanzen hervorbringen.
Aber keiner der streitenden Partheien, weder Mutis, Zea noch Ruiz
und Pavon haben das Corregiment von Loxa betreten. Daher jede
Parthei mit gleichem Ungrunde vorgegeben hat, die wirksamste Fieber-
rinde ihres Districts sey die ächte von Uritusinga. Wir haben in dem
zweiten Fascikel unserer Aequinoctial-Pflanzen*) erwiesen, dass diese
letztere, die Cascarilla Fina de Loxa, von der Cinchona lancifolia
Mutis
und allen in Ruizens Quinologia, in der Flora peruviana, und
in dem neuern Supplement zur Quinologia beschriebenen peruanischen
Fieberinden ganz verschieden sey. .So wenig wir es wagen dürfen, uns
mit den vorgenannten vortreflichen Botanikern zu messen, so ist uns
doch der zufällige Vorzug vor ihnen zu Theil geworden, ausser den
Chinawäldern um Santa Fe auch die von Loxa selbst gesehen zu ha-
ben. In der That hatte seit Joseph de Jussieu dessen Beobachtungen
ohnedies nie bekannt gemacht worden sind, also seit 62 Jahren kein

*) Plantes equinoctiales, par Mrs. Humboldt et Bonpland. Troisieme livraison p. 39.

Über die Chinawalder
physikalische Beschreibung der Pflanze. Die andern, so wie Jacquin und
Swartz, welche die Fieberinde auf den Westindischen Inseln sahen,
oder Vahl und Lambert, welche nach troknen Exemplaren arbeiteten,
sind bloſs mit dem naturbeschreibenden Theile, mit der botanischen Dia-
gnose beschäftigt gewesen. Bei meinem vierjährigen Aufenthalte in Süd-
amerika habe ich Gelegenheit gehabt, lange in Ländern zu leben, in
welchen die Chinabäume einheimisch sind. Wir haben dieselbe, Herrn
Bonpland und ich, nördlich und südlich vom Aequator, im Königreich
Neu-Grenada, zwischen Honda und Santa Fe de Bogota, in der Pro-
vinz Popayan, im Corregiment Loxa, am Amazonen-Strohme in der
Provinz Jaen de Bracamoros und im nördlichen Theile von Peru beob-
achtet. Bei unserm Aufenthalt im Hause des Herrn Don Jose Celes-
tino Mutis
in Santa Fe, sind uns die botanischen Schätze dieses gros-
sen Naturforschers geöfnet gewesen. Wir haben dazu in Spanien von
den Herausgeber der Flora Peruviana, in Guayaquil, (dem Hafen von
Quito an der Küste der Südsee), von Ruizens Schüler, Tafalla, in dem
Städchen Loxa, von dem königlichen Aufseher der Chinawälder Don
Vicente Olmedo,
viele interessante Nachrichten über Gegenstände einzie-
hen können, welche uns ohne die mittheilende Güte dieser Freunde un-
bekannt geblieben wären. In dem mit grenzenloser Bitterkeit geführten
Streite, ob die neu-grenadische pomeranzenfarbene Fieberrinde von
Santa Fe oder die peruanische von Ruiz und Pavon beschriebene
Cinchona nitida mit der seit 1638 berufenen sogenannten ächten Cin-
chona
von Uritusinga identisch sey, kann nur der entscheiden, der die
Gegenden selbst besucht hat, welche diese drei Pflanzen hervorbringen.
Aber keiner der streitenden Partheien, weder Mutis, Zea noch Ruiz
und Pavon haben das Corregiment von Loxa betreten. Daher jede
Parthei mit gleichem Ungrunde vorgegeben hat, die wirksamste Fieber-
rinde ihres Districts sey die ächte von Uritusinga. Wir haben in dem
zweiten Fascikel unserer Aequinoctial-Pflanzen*) erwiesen, daſs diese
letztere, die Cascarilla Fina de Loxa, von der Cinchona lancifolia
Mutis
und allen in Ruizens Quinologia, in der Flora peruviana, und
in dem neuern Supplement zur Quinologia beschriebenen peruanischen
Fieberinden ganz verschieden sey. .So wenig wir es wagen dürfen, uns
mit den vorgenannten vortreflichen Botanikern zu messen, so ist uns
doch der zufällige Vorzug vor ihnen zu Theil geworden, auſser den
Chinawäldern um Santa Fe auch die von Loxa selbst gesehen zu ha-
ben. In der That hatte seit Joseph de Jussieu dessen Beobachtungen
ohnedies nie bekannt gemacht worden sind, also seit 62 Jahren kein

*) Plantes équinoctiales, par Mrs. Humboldt et Bonpland. Troisiéme livraison p. 39.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="58"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Über die Chinawalder</hi></fw>physikalische Beschreibung der Pflanze. Die andern, so wie <hi rendition="#i">Jacquin</hi> und<lb/><hi rendition="#i">Swartz,</hi> welche die Fieberinde auf den Westindischen Inseln sahen,<lb/>
oder <hi rendition="#i">Vahl</hi> und <hi rendition="#i">Lambert,</hi> welche nach troknen Exemplaren arbeiteten,<lb/>
sind blo&#x017F;s mit dem naturbeschreibenden Theile, mit der botanischen Dia-<lb/>
gnose beschäftigt gewesen. Bei meinem vierjährigen Aufenthalte in Süd-<lb/>
amerika habe ich Gelegenheit gehabt, lange in Ländern zu leben, in<lb/>
welchen die Chinabäume einheimisch sind. Wir haben dieselbe, Herrn<lb/><hi rendition="#i">Bonpland</hi> und ich, nördlich und südlich vom Aequator, im Königreich<lb/>
Neu-Grenada, zwischen <hi rendition="#i">Honda</hi> und <hi rendition="#i">Santa Fe de Bogota,</hi> in der Pro-<lb/>
vinz <hi rendition="#i">Popayan,</hi> im Corregiment <hi rendition="#i">Loxa,</hi> am Amazonen-Strohme in der<lb/>
Provinz <hi rendition="#i">Jaen de Bracamoros</hi> und im nördlichen Theile von <hi rendition="#i">Peru</hi> beob-<lb/>
achtet. Bei unserm Aufenthalt im Hause des Herrn <hi rendition="#i">Don Jose Celes-<lb/>
tino Mutis</hi> in <hi rendition="#i">Santa Fe,</hi> sind uns die botanischen Schätze dieses gros-<lb/>
sen Naturforschers geöfnet gewesen. Wir haben dazu in Spanien von<lb/>
den Herausgeber der <hi rendition="#i">Flora Peruviana,</hi> in <hi rendition="#i">Guayaquil,</hi> (dem Hafen von<lb/><hi rendition="#i">Quito</hi> an der Küste der Südsee), von <hi rendition="#i">Ruizens</hi> Schüler, <hi rendition="#i">Tafalla,</hi> in dem<lb/>
Städchen <hi rendition="#i">Loxa,</hi> von dem königlichen Aufseher der Chinawälder <hi rendition="#i">Don<lb/>
Vicente Olmedo,</hi> viele interessante Nachrichten über Gegenstände einzie-<lb/>
hen können, welche uns ohne die mittheilende Güte dieser Freunde un-<lb/>
bekannt geblieben wären. In dem mit grenzenloser Bitterkeit geführten<lb/>
Streite, ob die neu-grenadische pomeranzenfarbene Fieberrinde von<lb/><hi rendition="#i">Santa Fe</hi> oder die peruanische von <hi rendition="#i">Ruiz</hi> und <hi rendition="#i">Pavon</hi> beschriebene<lb/><hi rendition="#i">Cinchona nitida</hi> mit der seit 1638 berufenen sogenannten <hi rendition="#i">ächten Cin-<lb/>
chona</hi> von <hi rendition="#i">Uritusinga</hi> identisch sey, kann nur der entscheiden, der die<lb/>
Gegenden selbst besucht hat, welche diese drei Pflanzen hervorbringen.<lb/>
Aber keiner der streitenden Partheien, weder <hi rendition="#i">Mutis, Zea</hi> noch <hi rendition="#i">Ruiz</hi><lb/>
und <hi rendition="#i">Pavon</hi> haben das Corregiment von <hi rendition="#i">Loxa</hi> betreten. Daher jede<lb/>
Parthei mit gleichem Ungrunde vorgegeben hat, die wirksamste Fieber-<lb/>
rinde ihres Districts sey die ächte von <hi rendition="#i">Uritusinga</hi>. Wir haben in dem<lb/>
zweiten Fascikel unserer Aequinoctial-Pflanzen<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">Plantes équinoctiales, par Mrs. Humboldt et Bonpland. Troisiéme livraison p. 39.</hi></note> erwiesen, da&#x017F;s diese<lb/>
letztere, die <hi rendition="#i">Cascarilla Fina de Loxa,</hi> von der <hi rendition="#i">Cinchona lancifolia<lb/>
Mutis</hi> und allen in <hi rendition="#i">Ruiz</hi>ens <hi rendition="#i">Quinologia,</hi> in der <hi rendition="#i">Flora peruviana,</hi> und<lb/>
in dem neuern <hi rendition="#i">Supplement</hi> zur <hi rendition="#i">Quinologia</hi> beschriebenen peruanischen<lb/>
Fieberinden ganz verschieden sey. .So wenig wir es wagen dürfen, uns<lb/>
mit den vorgenannten vortreflichen Botanikern zu messen, so ist uns<lb/>
doch der zufällige Vorzug vor ihnen zu Theil geworden, au&#x017F;ser den<lb/>
Chinawäldern um <hi rendition="#i">Santa Fe</hi> auch die von <hi rendition="#i">Loxa</hi> selbst gesehen zu ha-<lb/>
ben. In der That hatte seit <hi rendition="#i">Joseph de Jussieu</hi> dessen Beobachtungen<lb/>
ohnedies nie bekannt gemacht worden sind, also seit 62 Jahren kein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0003] Über die Chinawalder physikalische Beschreibung der Pflanze. Die andern, so wie Jacquin und Swartz, welche die Fieberinde auf den Westindischen Inseln sahen, oder Vahl und Lambert, welche nach troknen Exemplaren arbeiteten, sind bloſs mit dem naturbeschreibenden Theile, mit der botanischen Dia- gnose beschäftigt gewesen. Bei meinem vierjährigen Aufenthalte in Süd- amerika habe ich Gelegenheit gehabt, lange in Ländern zu leben, in welchen die Chinabäume einheimisch sind. Wir haben dieselbe, Herrn Bonpland und ich, nördlich und südlich vom Aequator, im Königreich Neu-Grenada, zwischen Honda und Santa Fe de Bogota, in der Pro- vinz Popayan, im Corregiment Loxa, am Amazonen-Strohme in der Provinz Jaen de Bracamoros und im nördlichen Theile von Peru beob- achtet. Bei unserm Aufenthalt im Hause des Herrn Don Jose Celes- tino Mutis in Santa Fe, sind uns die botanischen Schätze dieses gros- sen Naturforschers geöfnet gewesen. Wir haben dazu in Spanien von den Herausgeber der Flora Peruviana, in Guayaquil, (dem Hafen von Quito an der Küste der Südsee), von Ruizens Schüler, Tafalla, in dem Städchen Loxa, von dem königlichen Aufseher der Chinawälder Don Vicente Olmedo, viele interessante Nachrichten über Gegenstände einzie- hen können, welche uns ohne die mittheilende Güte dieser Freunde un- bekannt geblieben wären. In dem mit grenzenloser Bitterkeit geführten Streite, ob die neu-grenadische pomeranzenfarbene Fieberrinde von Santa Fe oder die peruanische von Ruiz und Pavon beschriebene Cinchona nitida mit der seit 1638 berufenen sogenannten ächten Cin- chona von Uritusinga identisch sey, kann nur der entscheiden, der die Gegenden selbst besucht hat, welche diese drei Pflanzen hervorbringen. Aber keiner der streitenden Partheien, weder Mutis, Zea noch Ruiz und Pavon haben das Corregiment von Loxa betreten. Daher jede Parthei mit gleichem Ungrunde vorgegeben hat, die wirksamste Fieber- rinde ihres Districts sey die ächte von Uritusinga. Wir haben in dem zweiten Fascikel unserer Aequinoctial-Pflanzen *) erwiesen, daſs diese letztere, die Cascarilla Fina de Loxa, von der Cinchona lancifolia Mutis und allen in Ruizens Quinologia, in der Flora peruviana, und in dem neuern Supplement zur Quinologia beschriebenen peruanischen Fieberinden ganz verschieden sey. .So wenig wir es wagen dürfen, uns mit den vorgenannten vortreflichen Botanikern zu messen, so ist uns doch der zufällige Vorzug vor ihnen zu Theil geworden, auſser den Chinawäldern um Santa Fe auch die von Loxa selbst gesehen zu ha- ben. In der That hatte seit Joseph de Jussieu dessen Beobachtungen ohnedies nie bekannt gemacht worden sind, also seit 62 Jahren kein *) Plantes équinoctiales, par Mrs. Humboldt et Bonpland. Troisiéme livraison p. 39.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/3
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/3>, abgerufen am 11.12.2024.