[Humboldt, Alexander von:] [Ankündigung zu „Die Geographie der Pflanzen“.] In: Geographische Zeitung der Hertha, Bd. 7, Heft 2,2 (1826), S. 52–60.lioband auf geglättetem Jesus-Velin, mit (meist kolorirten) Kupferplatten. Folgender Prospektus ist ausgegeben worden: Neben die eigentliche Botanik, welche die Karaktere, die organische Die Reisenden, welche einen großen Strich Landes durcheilten, an Der Geist Linne's befruchtete die Keime einer entstehenden Wissen- lioband auf geglaͤttetem Jeſus-Velin, mit (meiſt kolorirten) Kupferplatten. Folgender Proſpektus iſt ausgegeben worden: Neben die eigentliche Botanik, welche die Karaktere, die organiſche Die Reiſenden, welche einen großen Strich Landes durcheilten, an Der Geiſt Linné's befruchtete die Keime einer entſtehenden Wiſſen- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0004" n="53"/> lioband auf geglaͤttetem Jeſus-Velin, mit (meiſt kolorirten) Kupferplatten.<lb/> Davor ein phyſikaliſches Gemaͤlde der Aequinoktialgegenden von <persName>A. von<lb/><hi rendition="#g">Humboldt</hi></persName> und <persName>Aimé <hi rendition="#g">Bonpland</hi></persName>. -</p><lb/> <p>Folgender Proſpektus iſt ausgegeben worden:</p><lb/> <p>Neben die eigentliche Botanik, welche die Karaktere, die organiſche<lb/> Beſchaffenheit und die Verwandtſchaft der Gewaͤchſe unterſucht, tritt eine<lb/> andre, noch kein halbes Jahrhundert alte, Wiſſenſchaft. Unter dem etwas<lb/> unbeſtimmten Namen <hi rendition="#g">Geographie der Pflanzen</hi> knuͤpft ſie die be-<lb/> ſchreibende Botanik an die Klimatenkunde; ſie giebt die Zahl, das Aus-<lb/> ſehen und die Vertheilung der Gewaͤchſe unter den verſchiedenen Zonen<lb/> an, vom Aequator bis zum Polarkreis, von den Tiefen des Ozeans und<lb/> der Gruben mit den Keimen kryptogamiſcher Pflanzen bis zu der nach<lb/> der Breite und nach der Beſchaffenheit der umliegenden Laͤnder verſchiede-<lb/> nen Schneelinie. Unvollſtaͤndig wie die Geologie, aber juͤnger als dieſer<lb/> Theil unſrer phyſikaliſchen Kenntniſſe, war ſie von Anfang an weniger<lb/> jenem Trug der Sinne, jenen ſyſtematiſchen Traumbildern ausgeſetzt, durch<lb/> welche des Menſchen Einbildungskraft ſo gern in Ermangelung wirklicher<lb/> Kenntniß aushilft. Der Gang der Wiſſenſchaften folgt immer dem Geiſte<lb/> des Jahrhunderts, in welches ihre Entwicklung faͤllt, und die <hi rendition="#g">Geogra-<lb/> phie der Pflanzen</hi> wurde am eifrigſten zu der Zeit betrieben, wo der<lb/> Geſchmack an Beobachtung vorherrſchend geworden und alle Zweige der<lb/> Naturerkenntniß ſtrengere Methoden angenommen haben.</p><lb/> <p>Die Reiſenden, welche einen großen Strich Landes durcheilten, an<lb/> fernen Kuͤſten landeten oder Bergketten erklimmten, auf deren Abhang ſich<lb/> die Verſchiedenheit von gleichſam in Stockwerken uͤbereinander liegenden<lb/> Klimaten zeigt, fielen jeden Augenblick die merkwuͤrdigen Erſcheinungen<lb/> der geographiſchen Gewaͤchſevertheilung auf: man moͤchte ſagen, ſie ſam-<lb/> melten Materialien fuͤr eine Wiſſenſchaft, deren Name kaum ausgeſprochen<lb/> war. Eben die Gewaͤchſe-Zonen, deren Ausdehnung und Aufeinanderfolge<lb/> auf den Seiten des <placeName>Aetna</placeName> Kardinal <persName>Bembo</persName> im ſechszehnten Jahrhundert<lb/> mit allem Reize lateiniſcher Beredſamkeit beſchrieb, fand der unermuͤdliche<lb/> und ſcharfſinnige <persName>Tournefort</persName>, als er auf den Gipfel des <placeName>Ararat</placeName> ſtieg. Er<lb/> verglich die Floren der Berge mit denen in den Ebenen unter verſchiede-<lb/> ner Breite, und erkannte zuerſt, daß die Hoͤhe uͤber dem Meeresſpiegel<lb/> auf die Vertheilung der Pflanzen wirkt, wie die Entfernung vom <placeName>Pol</placeName><lb/> oder die Verſchiedenheit der Breite.</p><lb/> <p>Der Geiſt <persName>Linné</persName>'s befruchtete die Keime einer entſtehenden Wiſſen-<lb/> ſchaft; weil er aber in der Ungeduld ſeines Eifers die Gegenwart und<lb/> Vergangenheit, die Geographie der Pflanzen und ihre <hi rendition="#g">Geſchichte</hi> um-<lb/> faßte, ſo gab er ſich in ſeiner Abhandlung <hi rendition="#aq"><bibl>De telluris habitabilis incre-<lb/> mento</bibl></hi> und in den <hi rendition="#aq"><bibl>Coloniae plantarum</bibl></hi> kuͤhnen Vermuthungen hin. Er<lb/> wollte zum Urſprung der durch zufaͤlliges Abarten des Urtypus vermehr-<lb/> ten Gattungen zuruͤckkehren, die Veraͤnderungen der beſtehend gewordnen<lb/> Varietaͤten verfolgen, den alten nackten Zuſtand der <choice><sic>Steinkruſt</sic><corr>Steinkruſte</corr></choice> unſers<lb/> Planeten malen, wie ſie nach und nach von einem gemeinſchaftlichen Mit-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0004]
lioband auf geglaͤttetem Jeſus-Velin, mit (meiſt kolorirten) Kupferplatten.
Davor ein phyſikaliſches Gemaͤlde der Aequinoktialgegenden von A. von
Humboldt und Aimé Bonpland. -
Folgender Proſpektus iſt ausgegeben worden:
Neben die eigentliche Botanik, welche die Karaktere, die organiſche
Beſchaffenheit und die Verwandtſchaft der Gewaͤchſe unterſucht, tritt eine
andre, noch kein halbes Jahrhundert alte, Wiſſenſchaft. Unter dem etwas
unbeſtimmten Namen Geographie der Pflanzen knuͤpft ſie die be-
ſchreibende Botanik an die Klimatenkunde; ſie giebt die Zahl, das Aus-
ſehen und die Vertheilung der Gewaͤchſe unter den verſchiedenen Zonen
an, vom Aequator bis zum Polarkreis, von den Tiefen des Ozeans und
der Gruben mit den Keimen kryptogamiſcher Pflanzen bis zu der nach
der Breite und nach der Beſchaffenheit der umliegenden Laͤnder verſchiede-
nen Schneelinie. Unvollſtaͤndig wie die Geologie, aber juͤnger als dieſer
Theil unſrer phyſikaliſchen Kenntniſſe, war ſie von Anfang an weniger
jenem Trug der Sinne, jenen ſyſtematiſchen Traumbildern ausgeſetzt, durch
welche des Menſchen Einbildungskraft ſo gern in Ermangelung wirklicher
Kenntniß aushilft. Der Gang der Wiſſenſchaften folgt immer dem Geiſte
des Jahrhunderts, in welches ihre Entwicklung faͤllt, und die Geogra-
phie der Pflanzen wurde am eifrigſten zu der Zeit betrieben, wo der
Geſchmack an Beobachtung vorherrſchend geworden und alle Zweige der
Naturerkenntniß ſtrengere Methoden angenommen haben.
Die Reiſenden, welche einen großen Strich Landes durcheilten, an
fernen Kuͤſten landeten oder Bergketten erklimmten, auf deren Abhang ſich
die Verſchiedenheit von gleichſam in Stockwerken uͤbereinander liegenden
Klimaten zeigt, fielen jeden Augenblick die merkwuͤrdigen Erſcheinungen
der geographiſchen Gewaͤchſevertheilung auf: man moͤchte ſagen, ſie ſam-
melten Materialien fuͤr eine Wiſſenſchaft, deren Name kaum ausgeſprochen
war. Eben die Gewaͤchſe-Zonen, deren Ausdehnung und Aufeinanderfolge
auf den Seiten des Aetna Kardinal Bembo im ſechszehnten Jahrhundert
mit allem Reize lateiniſcher Beredſamkeit beſchrieb, fand der unermuͤdliche
und ſcharfſinnige Tournefort, als er auf den Gipfel des Ararat ſtieg. Er
verglich die Floren der Berge mit denen in den Ebenen unter verſchiede-
ner Breite, und erkannte zuerſt, daß die Hoͤhe uͤber dem Meeresſpiegel
auf die Vertheilung der Pflanzen wirkt, wie die Entfernung vom Pol
oder die Verſchiedenheit der Breite.
Der Geiſt Linné's befruchtete die Keime einer entſtehenden Wiſſen-
ſchaft; weil er aber in der Ungeduld ſeines Eifers die Gegenwart und
Vergangenheit, die Geographie der Pflanzen und ihre Geſchichte um-
faßte, ſo gab er ſich in ſeiner Abhandlung De telluris habitabilis incre-
mento und in den Coloniae plantarum kuͤhnen Vermuthungen hin. Er
wollte zum Urſprung der durch zufaͤlliges Abarten des Urtypus vermehr-
ten Gattungen zuruͤckkehren, die Veraͤnderungen der beſtehend gewordnen
Varietaͤten verfolgen, den alten nackten Zuſtand der Steinkruſte unſers
Planeten malen, wie ſie nach und nach von einem gemeinſchaftlichen Mit-
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