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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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zustellen, und konnte kein Weißer von Esmeralda an den
Erevato gehen. Und doch ist kein Zweifel darüber, daß es
in diesem Gebirgslande zwischen den Quellen des Padamo
und des Ventuari (bei den Orten, welche bei den Indianern
Aurichapa, Ichuana und Irique heißen) mehrere Gegenden
mit gemäßigtem Klima und mit Weiden gibt, die Vieh in
Menge nähren könnten. Die Militärposten leisteten ihrer
Zeit sehr gute Dienste gegen die Einfälle der Kariben,
die von Zeit zu Zeit zwischen dem Erevato und dem Pa-
damo Sklaven fortschleppten, wenn auch nur wenige. Sie
hätten wohl auch den Angriffen der Eingeborenen wider-
standen, wenn man sie, statt sie ganz vereinzelt und nur
in den Händen der Soldaten zu lassen, in Dörfer ver-
wandelt und wie die Gemeinden der neubekehrten Indianer
verwaltet hätte.

Wir verließen die Mission Esmeralda am 17. Mai.
Wir waren eben nicht krank, aber wir fühlten uns alle matt
und schwach infolge der Insektenplage, der schlechten Nahrung
und der langen Fahrt in engen, nassen Kanoen. Wir gingen
den Orinoko nicht über den Einfluß des Rio Guapo hinauf;
wir hätten es gethan, wenn wir hätten versuchen können, zu
den Quellen des Flusses zu gelangen. Unter den gegen-
wärtigen Verhältnissen müssen sich bloße Privatleute, welche
Erlaubnis haben, die Missionen zu betreten, bei ihren Wan-
derungen auf die friedlichen Striche des Landes beschränken.
Vom Guapo bis zum Raudal der Guaharibos sind noch
67 km. Bei diesem Katarakt, über den man auf einer Brücke
aus Lianen geht, stehen Indianer mit Bogen und Pfeilen,
die keinen Weißen und keinen, der aus dem Gebiet der
Weißen kommt, weiter nach Osten lassen. Wie konnten wir
hoffen, über einen Punkt hinauszukommen, wo der Befehls-
haber am Rio Negro, Don Francisco Bovadilla, hatte Halt
machen lassen, als er mit bewaffneter Macht jenseits des
Gehete vordringen wollte? Durch das Blutbad, das man
unter ihnen angerichtet, sind die Eingeborenen gegen die Be-
wohner der Missionen noch grimmiger und mißtrauischer ge-
worden. Man erinnere sich, daß beim Orinoko bis jetzt den
Geographen zwei besondere, aber gleich wichtige Probleme
vorlagen: die Lage seiner Quellen und die Art seiner Ver-
bindung mit dem Amazonenstrom. Der letztere war der
Zweck der Reise, die ich im bisherigen beschrieben; was die
endliche Auffindung der Quellen betrifft, so ist dies Sache

zuſtellen, und konnte kein Weißer von Esmeralda an den
Erevato gehen. Und doch iſt kein Zweifel darüber, daß es
in dieſem Gebirgslande zwiſchen den Quellen des Padamo
und des Ventuari (bei den Orten, welche bei den Indianern
Aurichapa, Ichuana und Irique heißen) mehrere Gegenden
mit gemäßigtem Klima und mit Weiden gibt, die Vieh in
Menge nähren könnten. Die Militärpoſten leiſteten ihrer
Zeit ſehr gute Dienſte gegen die Einfälle der Kariben,
die von Zeit zu Zeit zwiſchen dem Erevato und dem Pa-
damo Sklaven fortſchleppten, wenn auch nur wenige. Sie
hätten wohl auch den Angriffen der Eingeborenen wider-
ſtanden, wenn man ſie, ſtatt ſie ganz vereinzelt und nur
in den Händen der Soldaten zu laſſen, in Dörfer ver-
wandelt und wie die Gemeinden der neubekehrten Indianer
verwaltet hätte.

Wir verließen die Miſſion Esmeralda am 17. Mai.
Wir waren eben nicht krank, aber wir fühlten uns alle matt
und ſchwach infolge der Inſektenplage, der ſchlechten Nahrung
und der langen Fahrt in engen, naſſen Kanoen. Wir gingen
den Orinoko nicht über den Einfluß des Rio Guapo hinauf;
wir hätten es gethan, wenn wir hätten verſuchen können, zu
den Quellen des Fluſſes zu gelangen. Unter den gegen-
wärtigen Verhältniſſen müſſen ſich bloße Privatleute, welche
Erlaubnis haben, die Miſſionen zu betreten, bei ihren Wan-
derungen auf die friedlichen Striche des Landes beſchränken.
Vom Guapo bis zum Raudal der Guaharibos ſind noch
67 km. Bei dieſem Katarakt, über den man auf einer Brücke
aus Lianen geht, ſtehen Indianer mit Bogen und Pfeilen,
die keinen Weißen und keinen, der aus dem Gebiet der
Weißen kommt, weiter nach Oſten laſſen. Wie konnten wir
hoffen, über einen Punkt hinauszukommen, wo der Befehls-
haber am Rio Negro, Don Francisco Bovadilla, hatte Halt
machen laſſen, als er mit bewaffneter Macht jenſeits des
Gehete vordringen wollte? Durch das Blutbad, das man
unter ihnen angerichtet, ſind die Eingeborenen gegen die Be-
wohner der Miſſionen noch grimmiger und mißtrauiſcher ge-
worden. Man erinnere ſich, daß beim Orinoko bis jetzt den
Geographen zwei beſondere, aber gleich wichtige Probleme
vorlagen: die Lage ſeiner Quellen und die Art ſeiner Ver-
bindung mit dem Amazonenſtrom. Der letztere war der
Zweck der Reiſe, die ich im bisherigen beſchrieben; was die
endliche Auffindung der Quellen betrifft, ſo iſt dies Sache

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[89/0097] zuſtellen, und konnte kein Weißer von Esmeralda an den Erevato gehen. Und doch iſt kein Zweifel darüber, daß es in dieſem Gebirgslande zwiſchen den Quellen des Padamo und des Ventuari (bei den Orten, welche bei den Indianern Aurichapa, Ichuana und Irique heißen) mehrere Gegenden mit gemäßigtem Klima und mit Weiden gibt, die Vieh in Menge nähren könnten. Die Militärpoſten leiſteten ihrer Zeit ſehr gute Dienſte gegen die Einfälle der Kariben, die von Zeit zu Zeit zwiſchen dem Erevato und dem Pa- damo Sklaven fortſchleppten, wenn auch nur wenige. Sie hätten wohl auch den Angriffen der Eingeborenen wider- ſtanden, wenn man ſie, ſtatt ſie ganz vereinzelt und nur in den Händen der Soldaten zu laſſen, in Dörfer ver- wandelt und wie die Gemeinden der neubekehrten Indianer verwaltet hätte. Wir verließen die Miſſion Esmeralda am 17. Mai. Wir waren eben nicht krank, aber wir fühlten uns alle matt und ſchwach infolge der Inſektenplage, der ſchlechten Nahrung und der langen Fahrt in engen, naſſen Kanoen. Wir gingen den Orinoko nicht über den Einfluß des Rio Guapo hinauf; wir hätten es gethan, wenn wir hätten verſuchen können, zu den Quellen des Fluſſes zu gelangen. Unter den gegen- wärtigen Verhältniſſen müſſen ſich bloße Privatleute, welche Erlaubnis haben, die Miſſionen zu betreten, bei ihren Wan- derungen auf die friedlichen Striche des Landes beſchränken. Vom Guapo bis zum Raudal der Guaharibos ſind noch 67 km. Bei dieſem Katarakt, über den man auf einer Brücke aus Lianen geht, ſtehen Indianer mit Bogen und Pfeilen, die keinen Weißen und keinen, der aus dem Gebiet der Weißen kommt, weiter nach Oſten laſſen. Wie konnten wir hoffen, über einen Punkt hinauszukommen, wo der Befehls- haber am Rio Negro, Don Francisco Bovadilla, hatte Halt machen laſſen, als er mit bewaffneter Macht jenſeits des Gehete vordringen wollte? Durch das Blutbad, das man unter ihnen angerichtet, ſind die Eingeborenen gegen die Be- wohner der Miſſionen noch grimmiger und mißtrauiſcher ge- worden. Man erinnere ſich, daß beim Orinoko bis jetzt den Geographen zwei beſondere, aber gleich wichtige Probleme vorlagen: die Lage ſeiner Quellen und die Art ſeiner Ver- bindung mit dem Amazonenſtrom. Der letztere war der Zweck der Reiſe, die ich im bisherigen beſchrieben; was die endliche Auffindung der Quellen betrifft, ſo iſt dies Sache

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/97>, abgerufen am 22.11.2024.